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Bildschirmfoto aus dem Computerspiel "Rogue"

Michael Toy, Glenn Wichman

„Rogue“ hat vor 40 Jahren ein Game-Genre begründet

Bei Computerspielen ist immer wieder von „Rogue-likes“ die Rede. Die etwas seltsame Genrebezeichnung ist auf ein mittlerweile 40 Jahre altes Game zurückzuführen, das zufallsgenerierte Levels erfunden hat: „Rogue“

Von Robert Glashüttner

Das Genre ist beliebter und vielseitiger als jemals zuvor. Erst in den letzten paar Wochen sind drei absolute Rogue-like-Superstars erschienen: Da wäre zunächst das drollig aussehende, aber sehr herausfordernde „Spelunky 2“. Dann ist kürzlich die grafisch und spielerisch herausragende Unterweltschlacht „Hades“ in der fertigen Version erschienen. Und erst vor wenigen Tagen ist „Noita“ in der Version 1.0 angekommen: ein Geschicklichkeitsspiel, bei dem man eine Magier-Figur durch eine verworrene Höhlenwelt lotst, in der jeder Pixel ein Eigenleben führt.

Alle drei aktuellen Games haben gemeinsam, dass man sie als sogenannte Rogue-likes bezeichnet. Das impliziert, dass die Levels bei jedem Lauf, bei jeder Runde zufallsgeneriert sind. Keine Partie ist ident mit einer anderen (außer, man möchte es so), was für jede Menge Abwechslung und Überraschung sorgt. Darüber hinaus gilt das Prinzip des sogenannten Permadeath, was in der Praxis bedeutet, dass man in der Regel alles - Erfahrungspunkte, Gegenstände, etc. - verliert, wenn der Bildschirmtod eintritt. Man muss immer wieder von ganz vorne beginnen. Das ist vor allem dann ein Nervenkitzel, wenn man bei einem Lauf schon recht weit vorgedrungen ist.

Aber was ist eigentlich „Rogue“?

Gattungsbezeichnungen bei Computerspielen sind ein bisschen so wie Genre-Namen in der Popmusik: Keiner blickt so richtig durch, man kann immer wieder aufs Neue darüber streiten und hinter jeder Bezeichnung steckt eine ausführliche Geschichte. Im Fall von Rogue-likes steckt aber keine Geschichte, sondern ein Spiel dahinter: das von Michael Toy, Glenn Wichman und Ken Arnold entwickelte „Rogue“, rund ums Jahr 1980 zuerst für Unix-Großcomputer veröffentlicht - und übrigens seit jeher Open Source.

„Rogue“ besteht rein aus Schriftzeichen, denn Grafikdarstellung war zum damaligen Zeitpunkt noch äußerst unüblich - vor allem auf Großcomputern, die ja rein der Datenverarbeitung dienten und fast nur von größeren Firmen und renommierten US-Universitäten erworben werden konnten und benutzt wurden. Trotz der fehlenden Grafikmöglichkeiten ist „Rogue“ dennoch kein reines Textspiel, denn die Schriftzeichen werden benutzt, um eine krude, pseudografische Darstellung zu ermöglichen. Es ist definitiv etwas Abstraktionsvermögen notwendig, um in diese Welt eintauchen zu können.

Fiese Großbuchstaben greifen an!

Die Spielfigur ist ein kleines Smileyface (Wer sagt denn, dass Emoticons ein junges Kulturphänomen seien?), Gegenstände werden etwa mit einem Herz, einer Note oder einem Stern in unterschiedlichen Farben dargestellt. Monster sind Großbuchstaben: Da gibt es beispielsweise E(mu), B(at) oder H(obgoblin). Attackiert wird, indem wir unsere Figur in Richtung eines Feindes lenken. Gegenstände, Tränke und Waffen können gesammelt, benutzt, ausgerüstet und wieder weggeworfen werden.

Bildschirmfoto aus dem Computerspiel "Rogue"

Michael Toy, Glenn Wichman

„Rogue“ ist aus heutiger Sicht eine Kuriosität, bietet aber gleichzeitig damals wie heute ein sehr unmittelbares, leicht verständliches Spielerlebnis. Daraus bezieht das Spiel seinen Kultstatus: Man findet leicht ins Game hinein, wird aber von Minute 1 an gefordert. Das erzeugt Spannung, ebenso wie die immer neu generierten Spielwelten.

Ein weiteres Merkmal von „Rogue“ und seinen unzähligen modernen Epigonen sind die vielen Geheimnisse, die tief im Spiel versteckt sind. Das können seltene Gegenstände sein, aber auch gut getarnte Räume oder Monster, die wir erst entdecken, wenn etwa Gegenstand A mit Gegenstand B kombiniert wird, wenn wir in Level C neben Gegner D stehen. Dieses Spannungsfeld zwischen Zugänglichkeit und Mystifikation, zwischen Unmittelbarkeit und Herausforderung machen „Rogue“ und Rogue-likes so anziehend.

„Rogue“ neu aufgelegt

Bereits wenige Jahre nach der Entwicklung des Originals wurde „Rogue“ kommerziell für unterschiedliche Homecomputersysteme veröffentlicht. Da der Code eben von Anfang an Open Source war, unterscheiden sich alle Versionen leicht voneinander.

Eines der allerersten Rogue-likes ist das 1987 erschienene „NetHack“, das grafisch ebenfalls aus Schriftzeichen besteht. FM4 hat berichtet.

In den kommenden paar Tagen soll „Rogue“ nun auch - circa 40 Jahre nach der unkommerziellen Erstveröffentlichung - für die beliebte Games-Verkaufsplattform Steam erscheinen. Der ursprünglich für Dienstag, 20. Oktober, geplante Release hat sich verzögert - als Grund wird vom Herausgeber Pixel Games UK der Begutachtungsprozess von Steam genannt.

Man muss aber nicht unbedingt darauf warten, um diesen absoluten Games-Klassiker zu probieren. „Rogue“ ist nämlich schon seit Jahren bequem in der spielarchäologischen Abteilung des Internet Archives im Browser spielbar. Gutes Gelingen, und vor allem bei Drachen, Griffins und Jabberwocks aufpassen!

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