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Gorillaz im Mund von Slowthai

Gorillaz

Gorillaz: Strange Timez indeed

Ein bunt zusammengewürfelter Obstsalat aus Versatzstücken der globalen Popmusik mit Gastauftritten von Superstars und Menschen auf dem Weg dorthin: „Song Machine, Season One: Strange Timez“, das neue Eigentlich-Nicht-Album der Gorillaz, ist nicht immer gut, aber immerhin burstin with fruit flavor.

Von Katharina Seidler

Because we can, unter diesem unschlagbaren Motto stößt die Popkultur seit jeher Türen zu neuen Galaxien auf. Suppendosen werden zu bildender Kunst, Rockstars und ihre Marsspinnen zum Sprachrohr für Aliens, Pop-Ikonen machen ein Sex-Buch oder ziehen sich ein Kleid aus Fleisch an. Eine Band besteht aus Comicfiguren und bildet über die 20 Jahre ihrer bisherigen Karriere einen Sammelpool für kreative Köpfe aus allen Ländern und Genres, und wenn Damon Albarn Lust hat, Elton John und den Rapper 6lack zu einem gemeinsamen Track einzuladen, dann kann er jeden Zweifel an der Sinnhaftigkeit dieser Idee (vergleiche den Song „The Pink Phantom“) mit der berechtigten Antwort widerlegen: Warum nicht?

Um sich aus dem regulären Mechanismus von Album-Ankündigungen und -Veröffentlichungen herauszunehmen, verkündeten die Gorillaz für 2020 den losen Songzyklus „Song Machine“ ohne fixe Releasedaten und weitere Vorgaben. Angesichts der Riege an Gaststars erscheint das Wort „hochkarätig“ zu klein für diese geradezu größenwahnsinnige Reihe, die nach zwei Händen voll Youtube-Songs nun unter dem Titel „Song Machine, Season One: Strange Timez“ ja doch irgendwie als Album erschienen ist. In seiner Grenzen- und Genre-überschreitenden Vernetzung ist die Platte, aufgenommen in getrennten Studios rund um den Globus, ein sinnbildliches Album für das Ausnahmejahr 2020. Ein hibbeliger, musikalischer Obstsalat als Lichtblick in düsteren Zeiten - die Releaseshow findet dementsprechend als Streaming-Konzert am 13. Dezember online statt.

„I wanna get drunk
I wanna get stoned
I wanna give up
I wanna go home"
(2-D & St. Vincent in „Chalk Tablet Towers”)

Klarerweise legt es eine solche Nummernrevue, die per se nicht als stringentes Album konzipiert ist, nicht auf Konsequenz im Songwriting an, vielmehr ist die erste Staffel der „Song Machine“ durchzogen von einer, wie es scheint, lockeren Spontanität im Studio. Das ergibt durchaus Längen und Schwächen. Hip Hop als Grundzutat im Sound der Gorillaz bleibt aber meist präsent und findet in Nummern wie dem düsteren Song-Brief „With love to an Ex“ mit der Gaststimme der südafrikanischen Future ghetto punk-Erfinderin Moonchild Sanelly zur Höchstform.

Gorillaz "Song Machine" Cover

Gorillaz

"Song Machine: Season One – Strange Timez“ von Gorillaz ist am 23.10.2020 bei Parlophone erschienen

Wenn New Order-Bassist Peter Hook vorbeischaut, wird es eben Synth-Poppig („Aries“), Beck und St. Vincent geben ihren jeweiligen Feature-Nummern ihren typischen, funky Pop-Touch („The Valley of the Pagans“ bzw. „Chalk Tablet Flowers“) und der oben erwähnte Elton John steuert zu 6lacks Vocoder-Sprechgesang in „The Pink Phantom“ ein melancholisches Piano und eine Prise Flamboyanz bei.

So geht es weiter. Stellenweise wirkt das neue Album der Gorillaz, das weder ein richtiges Album ist noch ausschließlich von den Gorillaz stammt, wie ein von einem Strategen-Team zusammengeplantes Werk, auch wenn es durch seine Offenheit genau das Gegenteil signalisieren soll. In Hinblick auf Damon Albarns Projekt „Africa Express“, das sinngemäß „die größten Musiker*innen des Afrikanischen Kontinents“ zu einer großen, international vielbeachteten Familie versammeln wollte, ist dieser Ansatz nur konsequent.

Bei allem lebensbejahenden Eskapismus und dem gelebten Anything goes (Rapper Slowthai und die Punkband Slaves zu einem brillanten Ska-Track zusammenspannen? Aber gerne doch) bleibt der Untertitel der Gorillaz-Songstaffel am Ende doch Programm. Der Titeltrack „Strange Times“, kongenial geknödelt von The Cure-Mastermind Robert Smith in einem düsteren Synth-Pop-Clubstomper, trifft die Essenz des Jahres 2020 auf den Punkt: „Strange time to be alive“. Wir bleiben verwirrt zurück.

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