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Sebastian Borhn Mena hat das Tierschutzbegehren gestartet

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Sebastian Bohrn Mena sagt, wir müssen „besser essen“

Wir können die Welt über unseren Teller - also mit dem, was wir auf unseren Teller legen und essen - verändern, davon ist Sebastian Bohrn Mena überzeugt. Wie? Das beschreibt er in seinem Buch „Besser essen“.

Von Sophie Liebhart

Sebastian Bohrn Mena ist Ökonom und Publizist. Er hat schon für die SPÖ kandidiert und war von 2017 bis 2018 Tierschutzsprecher der Liste „Jetzt“ von Peter Pilz. Seine politische Karriere hat er mittlerweile beendet und kurz darauf das Tierschutzvolksbegehren gestartet. Jetzt hat er all seine zentralen Anliegen und Forderungen in ein Buch gepackt. „Besser essen“ heißt es und zeigt sowohl auf, was in der Produktion unserer Lebensmittel so alles falsch läuft, als auch, was man als Einzelperson dagegen tun kann.

Buchcover "Besser essen"

Goldegg Verlag

„Besser essen“ von Sebastian Bohrn Mena ist im Goldegg Verlag erschienen.

Gleich mal vorweg: Sebastian Bohrn Mena ist Vegetarier. Aber nein, er schreibt in seinem Buch nicht, dass alle Menschen auf Fleisch verzichten müssen, um die Welt zu retten. Seine Analysen und Schlussfolgerungen sind deutlich breiter gefächert.

In „Besser essen“ zeichnet er Schritt für Schritt ein durchaus erschreckendes Bild davon, wie wir mit Lebensmitteln umgehen. Das Hauptproblem: Es geht letztendlich um den Profit, darum, immer mehr immer günstiger zu produzieren. Was dabei auf der Strecke bleibt? Nährstoffe, das Klima, die Wertschätzung für Lebewesen und Lebensmittel und jede Menge Ressourcen.

Reale Kosten

Sehr anschaulich stellt Bohrn Mena das am Beispiel der „marokkanischen Krabbe“ dar. Deren Geschichte beginnt im deutschen Wattenmeer, wo kleine Kutter durchaus nachhaltig unterwegs sind, um Krabben zu fischen. Doch die eigentliche Reise beginnt erst, wenn die Krabben bei den Großhändlern landen:

„Einige wenige, vorwiegend holländische Unternehmen besitzen im europäischen Garnelenbusiness eine marktbeherrschende Stellung. Und sie setzen nicht auf Nachhaltigkeit, sondern auf Gewinnmaximierung. Denn die Garnelen werden von Deutschland aus nach Marokko transportiert, um dort von Hand geschält zu werden. Hunderttausende Kilo der gekühlten Meeresbewohner reisen jede Woche in LKWs Tausende Kilometer weit, damit am nördlichsten Rand des globalen Südens der nächste Schritt in der Verarbeitungskette gesetzt werden kann. Von Menschen, die so billig arbeiten müssen, dass sie damit die europäische Arbeitskraft dramatisch unterbieten. Von Deutschland geht’s also zunächst durch Holland, Belgien, Frankreich, Spanien und über das Mittelmeer. Und dann die Strecke im Rekordtempo wieder retour. (...) mit vorläufiger Endstation irgendwo in Holland, wo die Krabben verbrauchergerecht verpackt und anschließend in den Handel gebracht werden. Was ökologisch eine gigantische Rechnung hinterlässt, gibt es für den Produzenten zum Spottpreis.“

Wenn man sich allerdings die realen Kosten anschaut, also wenn man einrechnet, was alles zur Herstellung von zum Beispiel 1 Kilo dieser Krabben oder einem 1 Kilo Schweinefleisch benötigt wird, dann ist auch ein billiges Produkt eigentlich teuer, sagt Bohrn Mena, zuletzt im ORF beim Schwerpunkt „Mutter Erde“. Wenn man nämlich das, in Österreich auch immer noch massenhaft eingesetzte genmanipulierte Soja aus dem brandgerodeten Regenwald miteinrechnet und die durch Nitrate belasteten Böden, „wenn man all diese Folgekosten miteinberechnen würde, dann gibt es eigentlich nichts, was so teuer ist wie Billigfleisch“, sagt Bohrn Mena.

Tierschutzvolksbegehren

Im Jänner diesen Jahres hat Sebastian Bohrn Mena das Tierschutzvolksbegehren gestartet. Er fordert darin vor allem in drei Bereichen grundlegende Veränderungen.

Vor allem nimmt Bohrn Mena die Politik in die Pflicht. Die österreichische Landwirtschaft hat bereits sehr hohe Standards bei der Produktion von Lebensmitteln, schreibt er, diese werden aber etwa beim Einkauf von Lebensmitteln für öffentliche Betriebe absichtlich umgangen. Ein Beispiel sind Eier aus Legebatterien. Diese dürfen hierzulande zwar nicht mehr produziert, sehr wohl aber importiert werden.

Unterschreiben kann man das Tierschutzvolksbegehren von 18. bis 25. Januar 2021.

Bohrn Mena wird mit seinem Tierschutzvolksbegehren immer wieder als „One Man Show“ kritisiert, da es ohne große Tierschutzorganisationen als Kooperationspartner durchgeführt wird.

„Der Staat muss schon seine ureigenste Verantwortung wahrnehmen“, sagt Bohrn Mena. „Wenn er den heimischen Landwirten sagt, auf diese und jene Weise darfst du hier nicht mehr produzieren, aber gleichzeitig für Kindergarten, Krankenhaus und Altenheim mit österreichischem Steuergeld Lebensmittel importiert werden, die in Österreich bereits verboten sind, dann ist es völlig absurd, den Niedergang der heimischen Landwirtschaft zu beklagen.“

Ein wichtiger Hebel dabei sind Förderungen aus Steuergeld, schreibt Sebastian Bohrn Mena in „Besser essen“: „Es geht in der Landwirtschaft ganz viel um öffentliche Gelder. Die österreichische Landwirtschaft lebt zu 70% von EU-Geldern, zwei Drittel ihres Einkommens sind Steuergelder und das ist ein gewaltiger Hebel, der auch ermöglicht, dass Umstellungsarbeiten im Stall zum Beispiel durch diese Gelder finanziert werden. Hier brauchen wir ganz klar eine Änderung hin zu einer klima- und tierfreundlichen Landwirtschaft. Das heißt: mehr Geld dafür und weniger Geld in die Fläche.“

Transparenz & Verantwortung

Aber auch die Konsumentinnen und Konsumenten haben hier eine Verantwortung. Jedoch fehlen ihnen oft die notwenigen Informationen, um bewusst zu entscheiden, sagt Bohrn Mena. Er fordert deshalb verpflichtend mehr Transparenz: „Wir müssen tatsächlich überall - in der Gastronomie, in öffentlichen Küchen und in verarbeiteten Produkten - dafür sorgen, dass draufsteht, was drin steckt. Erst dann haben wir einen bewussten Konsum, erst dann können die Menschen wirklich entscheiden, was sie essen“, sagte er kürzlich in einem Interview.

Transparenz ist als eine seiner drei Forderungen zwar essentiell, reicht aber auch nicht aus, schreibt Bohrn Mena in seinem Buch. Da das gegenwärtige landwirtschaftliche System Förderungen primär nach Größe der Höfe verteilt, fließt Geld statt in Qualität, Klimaschutz und Tierwohl häufig in Konzentration und die Erzeugung von Überschüssen. „Und bei all dem hat der Konsument kein Mitspracherecht, denn das entscheidet allein die Politik. Auf nationaler wie auch auf europäischer Ebene.“

Trotzdem darf man nicht wegschauen, davon ist Sebastian Bohrn Mena überzeugt. Und von dieser Überzeugung wird man beim Lesen durchaus angesteckt. Die Menge an Informationen, die in „Besser essen“ zum Teil in sehr unterhaltsamen Geschichten verpackt, zum Teil auch sehr trocken in Kombination mit vielen Zahlen, Daten und Fakten auf einen hereinprasseln, werden die Entscheidung beim nächsten Supermarkteinkauf oder Restaurantbesuch sicher nicht einfacher machen. Aber man wird solchen Entscheidungen mehr Bedeutung zuschreiben und sie dadurch auch bewusster treffen.

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