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Kevin Morby

Johnny Eastlund

Kevin Morby, der Heimkehrer

Der US-Songschreiber Kevin Morby ist nach Jahren in New York und Los Angeles nach Kansas City, Missouri zurückgekehrt. Mit dem neuen Album „Sundowner“ zeigt er uns seinen amerikanischen Mittwelwesten. Ein minimalistisches Statement bestehend aus Songs, die wie Schnappschüsse sind.

Von Eva Umbauer

Schon lange vor der Corona-Krise hatte Kevin Morby das Gefühl, dass er sich etwas zurückziehen wollte. Vor drei Jahren starb eine Freundin: Jessi Zazu, die Sängerin der US-Band Those Darlings, war erst 28 Jahre alt. Im Jahr darauf starb ein weiterer Freund, der Musiker Richard Swift, der Kevin Morby bei seinem Album „City Music“ geholfen hatte. Kevin Morby verließ danach Los Angeles, wo er zuletzt ansässig war, und kehrte dorthin zurück, wo er als Kind mit seiner Familie sesshaft geworden war: Kansas City, Missouri.

Kevin Morbys Kansas City liegt am westlichen Rand von Missouri an der Grenze zu Kansas. Bekannt ist die Stadt etwa für ihre Barbecues, ihre Jazz-Vergangenheit und ihre Brunnen. Die Familie von Kevin Morby war; bedingt durch den Beruf seines Vaters, oft umgezogen, bevor sie hier sesshaft wurden. Jetzt war Kevin Morby also wieder zuhause - und machte weiter mit dem Musikmachen. Das Album „Sundowner“ entstand.

„It is a depiction of isolation. Of the past. Of an uncertain future. Of provisions. Of an omen. Of a dead deer. Of an icon. Of a Los Angeles themed hotel in rural Kansas. Of billowing campfires, a mermaid and a highway lined in rabbit fur. It is a depiction of the nervous feeling that comes with the sky’s proud announcement that another day will be soon coming to a close as the pink light recedes and the street lamps and house lights suddenly click on.”

Die Songs für „Sundowner“ entstanden schon gleichzeitig mit denen zu seinem letzten Album „Oh My God“, das letztes Jahr erschienen ist. Er hielt sie als Demo-Aufnahmen in der unbeheizten Gartenhütte fest, legte sie zur Seite während er „Oh My God“ promotete und kehrte dann wieder zu diesen Songskizzen zurück. Jetzt hat er sie als „Sundowner“ veröffentlicht.

„I wrote the entire album wearing headphones, hunched over the 424, letting my voice and guitar pass through the machine, getting lost in the warmth of the tape as if another version of myself was living on the inside, singing back at me. I was mesmerized by the magic of the four track not only as a recording device, but also an instrument, and considered it my songwriting partner throughout the whole process.“

Kevin Morby singt gerne über bestimmte Orte. Außer auf seinem letzten Album hat er das immer getan, das war mehr in einer Art „imaginary space“ angesiedelt.

„I wish my friends were still alive“

Seine Songtexte sind autobiografisch, aber auch abstrakt. Seine Songs sind voller Charaktere: Da ist Jamie - jung gestorben, Desi - ebenfalls jung gegangen und in eine Meerjungfrau verwandelt, oder Jessi mit der schönen Stimme, die ebenfalls keine dreißig Jahre alt wurde. „I wish my friends were still alive“, singt Kevin Morby.

„I had first seen Jessi perform in a bar when she was l7 singing with her band Those Darlins. Hovering around five feet tall, her stage presence was larger than life, an icon ahead of her time.“

Im Alter von zehn Jahren begann Kevin Morby die Gitarre zu lernen. Schon im Teenageralter hatte er seine erste Band, bevor er dann nach New York zog. Die Wahl fiel deshalb auf New York, weil, wie Kevin Morby einmal sagte, er New York wegen der Filme, in denen er die Stadt gesehen hatte, liebte. In Brooklyn spielte Kevin Bass in der Noise-Folk-Band Woods. Er teilte einige Monate lang eine Wohnung mit Cassie Ramone von der Band Vivian Girls. Er und Cassie gründeten die Band The Babies, die zwei Alben veröffentlichte, „The Babies“ und „Our House On The Hill“.

Wehmut und Weisheit

Inzwischen war Kevin Morby nach Los Angeles gezogen, wo er sein erstes Album „Harlem River“ veröffentlichte. Einige Musiker*innen machten dabei mit, unter ihnen die Britin Cate LeBon. Auf Tour schrieb Kevin sein nächstes Album, „Still Life“. Kevin Morby ein höchst produktiver junger Musiker mit einer Stimme, die eine gewisse müde Wehmut, aber auch reife Weisheit an sich hatte. Sein Gesang intim, aber zugleich auch mit etwas Distanz. Bald war schon das nächste Album von Kevin Morby da: „Singing Saw“, gefolgt von „City Music“, seinem vierten Album, aufgenommen nahe San Francisco, mit kompletter Liveband, der etwa auch die so talentierte US-Musikerin Meg Duffy - Hand Habit ist ihre Band - angehörte.

Mit einer anderen amerikanischen Indie-Folk/Rock-Musikerin, Katie Crutchfield aka Waxahatchee, nahm Kevin Morby im selben Jahr, 2017, ein Cover von „After Hours“, einem Song aus den späten 60er Jahren von The Velvet Underground auf. Lou Reed von The Velvet Underground ist einer der Lieblingsmusiker von Kevin Morby. Aber auch den 2013 noch jung verstorbenen amerikanischen Songschreiber Jason Molina verehrt Kevin Morby. Zusammen mit Waxahatchee nahm er zwei der Songs dieses tragischen Musikers mit der Tenorstimme auf. Außerdem sangen Kevin und Katie zusammen Songs von Bob Dylan.

Katie „Waxahatchee“ Crutchfield ist inzwischen die Lebenspartnerin von Kevin Morby. Das Duett der beiden auf Kevins neuem Album ist eines der Herzstücke von „Sundowner“. In „Campfire“ heißt es „there’s a campfire inside her soul“ und irgendwann mutiert das Stück, das Jessi Zazu von Those Darlings gewidmet ist, zum Walzer. „Thought that I saw Jessi, she was sitting in a crowd, thought that I saw Jessi, then I got to feeling proud to ever have known someone so pretty and so sweet who every time she sang a song it’d sweep me off me feet“, singt Kevin Morby.

Momentaufnahmen aus dem Mittelwesten

Kevin Morby singt auf „Sundowner“ von den Sternen über ihm und den Tälern unter ihm. Er zeigt uns seinen amerikanischen Midwest, der, so scheint es, einen besonders großen Himmel hat. Am meisten berührt ihn der Sonnenuntergang. Die Sonne geht recht rasch unter, und auch diese neuen Songs von Kevin Morby ziehen vorbei wie ein Sonnenuntergang, wie ein flüchtiger Moment. Sie sind eine Momentaufnahme.

„Songs, like sunsets, are fleeting, and it’s only due to a willingness and desire to catch them that you ever, if even only for a moment, grab a hold of one.“

Aber es gibt auch epischere Stücke, wie den melodramatischen 7-Minüter „A Night At The Little Los Angeles“. Ansonsten gibt es aber keinen Bombast, wie auf den letzten beiden Alben von Kevin Morby, etwa dem überwältigenden „Oh My God“. „Sundowner“ ist eine Art Coming-Down-Album und den früheren Platten von Kevin Morby ähnlicher, aber es ist noch viel mehr. Es ist beinahe das was das Gänsehaut-Acoustic-Album „Nebraska“ für Bruce Springsteen war, oder was „Harvest“ für Neil Young war.

Das warme, melancholische Songwriting dieser Lo-Fi Songs von Kevin Morby macht ihn, wenn wir schon bei Vergleichen sind, zu einem jungen Bill Callahan. Kevin Morbys Songs auf „Sundowners“ sind Americana-Serenaden, Abendmusik in freier Form. Manchmal singt er ein bisschen wie Leonard Cohen, es gibt verträumte Keyboards und einen ganz eigenen Percussion-Sound. Insgesamt haben diese neuen Songs etwas Mythisches. „Sundowner“ ist ein Outdoor-Album - die Erde unter den Füßen, den Wind in den Haaren, das Knistern des Lagerfeuers und irgendwo in der Ferne läutet eine Glocke.

Kevin Morby "Sundowner"

Dead Oceans

„Sundowner“ von Kevin Morby ist bei Dead Oceans erschienen.

The Return Of The Native

„Sundowner“ ist eine wunderschöne Homecoming-Platte, nach Jahren in der Ferne. Es ist ein Album manchmal fast wie eine alte Postkarte, mit all den Referenzen, die Kevin Morby penibel einwebt in diese Songs.

„The 194O’s era downtown of my suburb was quaint and warm, and though most businesses on the strip were often closed, I found joy in nightly walks past the one room movie theatre and the clock tower. It was, in its ways, my own anonymous and lonely oasis, giving me a clear view in which I could look back into my past with precision. I saw images of friends and landmarks morph in and out of one another before disappearing altogether, leaving me to wonder where everyone, and everything, eventually ends up.“

„Sundowner“ wurde in Texas aufgenommen, zusammen mit Producer Brad Cook. Er hat schon mit US-Künstler*innen wie Bon Iver, Big Red Machine, Waxahatchee, Hand Habits, oder Whitney zusammengearbeitet.

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