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Symbolbild "Queenie"

CC0/Pixabay

Unaufgeregt und revolutionär: „Queenie“ von Candice Carty-Williams

Candice Carty-Williams erzählt in ihrem Debütroman „Queenie“ die augenscheinlich alltägliche Geschichte einer jungen Frau, die gegen sich selbst und ihre Dämonen kämpft. Diesmal jedoch endlich aus der Perspektive einer jungen Schwarzen Frau. Das Buch erzählt also auch von all den zusätzlichen Hindernissen, die sich ihr in den Weg stellen.

von Alica Ouschan

Buchcover Queenie

Blumenbar/Aufbau Verlag

Queenie ist im Blumenbar Verlag erschienen, hat 544 Seiten und wurde von Henriette Zeltner-Shane aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt.

Am 23. November jährt sich der Todestag des US-amerikanischen Schülers Tamir Rice, der im Alter von zwölf Jahren von einem Polizisten erschossen wurde, zum sechsten Mal. Black Lives Matter, rassistische Polizeigewalt und aktiver Antirassismus sind Themen, die auch 2020 aktuell sind: Ob durch weitere Fälle wie der Ermordung von George Floyd am 25. Mai, bei der Präsidentschaftswahl in den USA oder in Filmen und Literatur.

Die britische Autorin Candice Carty-Williams hat als erste Schwarze Person den British Book Award für das beste Buch des Jahres gewonnen: Ihr Debütroman heißt „Queenie“ und erzählt vom Leben einer jungen Schwarzen Frau, deren Erfahrungen mit Rassismus und einer emotionalen Krise inmitten der Black-Lives-Matter-Ära.

Wenn einen die eigene Stärke schwächt...

Queenie ist eine junge, starke, Schwarze Frau in London. Sie ist so stark, dass sie niemanden an sich ranlässt: Weder ihre religiöse, jamaikanische Familie, noch ihre besten Freundinnen oder ihren weißen Freund, der sich aufgrund ihrer emotionalen Unerreichbarkeit von ihr trennt. Unaufgearbeitete Traumata aus ihrer Kindheit, das Ende eines ohnehin toxischen Abhängigkeitsverhältnisses, ihr Job als Journalistin (von dem sie denkt, dass sie ihn nur bekommen hat, weil sie Schwarz ist und das Magazin einen auf „divers“ machen will) und ihr Hang zu selbstzerstörerischen Entscheidungen reißen Queenie in ein tiefes Loch.

Sie beschließt, sich ihren verlorenen Selbstwert auf Tinder wieder zurück zu erswipen, wird auf der App stattdessen aber mit rassistischen Bemerkungen und widerlicher Fetischisierung konfrontiert. Zahlreiche One-Night-Stands mit Männern, die sie schlecht behandeln, fehlender familiärer Rückhalt, Probleme im Job und im Freundeskreis verstärken Queenies emotionale Krise bis hin zu unkontrollierbaren Panikattacken. Das alles mündet schließlich in einen Zusammenbruch.

„Ich wollte mich gut fühlen. Davon, von meinem früheren Ich, war ich so dermaßen weit entfernt. Trotzdem schien ich nicht aufhören zu können, mich selbst kaputt zu machen.“

Nachdem sie ihren Job, eine ihrer besten Freundinnen, ihre Wohnung und den letzten Rest ihres Selbstwerts verloren hat, wieder bei ihren Großeltern eingezogen ist und diese davon überzeugt hat, dass psychische Leiden tatsächlich existieren, schafft Queenie es, sich professionelle Hilfe zu holen. In ihrer Therapeutin Janet findet sie das erste Mal in ihrem Leben eine Person, der sie sich - langsam aber doch - öffnen kann. Und da hat sich so einiges angestaut: Ihre traumatische Kindheit und Jugend, zerrüttet durch den gewalttätigen Freund ihrer Mutter und Queenies daraus resultierender Angst vor Schwarzen Männern, ihre schlechten Erfahrungen mit weißen Männern, die sie „exotisch“ finden, unterdrücken und von sich abhängig machen wollen, tiefsitzende Body-Issues - wie all das mit ihrer eigenen Blackness zusammenhängt, kommt langsam an die Oberfläche.

„Ich kann nicht aufwachen und keine Schwarze Frau mehr sein."

Candice Carty-Williams

Lily Richards

Candice Carty-Williams wurde für „Queenie“ als erste Schwarze Autorin mit dem British Book Award für das beste Buch des Jahres ausgezeichnet.

Unaufgeregte Black Literature, die wir dringend gebraucht haben

Derb, aber authentisch, wortgewaltig, zynisch und präzise bringt Queenie ihr tragisches Leben humorvoll auf den Punkt. Autorin Candice Carty-Williams schafft mit ihrem Debüt den perfekten Spagat einer Tragikomödie, ohne dabei ins Lächerliche abzudriften. „Queenie“ ist immer humorvoll, sprachlich erfrischend, oft schockierend direkt und schreckt nicht davor zurück, mit Klischees zu spielen - entweder, um sie auszuhebeln, zu erklären oder sich einen Spaß zu erlauben.

Die Protagonistin in Candice Carty-Williams Debütroman wurde in anderen Kritiken bereits als die Schwarze Bridget Jones bezeichnet, was ihr aber bei Weitem noch nicht gerecht wird.

Geschichten wie die von Queenie sind nämlich genau deshalb so wichtig, weil sie einfach die Geschichte einer jungen Frau erzählen, die gegen sich selbst und ihre Dämonen kämpft, die lernen muss, dass sie in diesem Kampf nicht alleine ist und die langsam ihren eigenen Wert erkennt. Mit der wichtigen Ausnahme, dass diese alltägliche Geschichte endlich auch mal aus der Perspektive einer jungen Schwarzen Frau erzählt wird und all die zusätzlichen Hindernissen miteinbezieht, die sich ihr dabei in den Weg stellen.

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