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Trump als Pop Art Bild in vielen verschiedenen Farben

Pixabay / CC0

Pop und Trump

So ziemlich alle Popstars hassen Donald Trump und doch ist er einer von ihnen. Das hat auch mit der Kritik am 45. US-Präsidenten zu tun.

Von Christian Lehner

Manchmal könnte man meinen, der laute und schrille Präsident der Vereinigten Staaten sei selbst eine Erfindung der Popkultur, und wahrscheinlich liegt man damit gar nicht mal daneben. Bereits in den 1980er Jahren war Trump der Poster Boy der Yuppies, dann Projektionsfläche für unzählige Songreferenzen, besonders im Hip Hop, dann Reality TV-Star und schließlich bekam er die Hauptrolle im Staate USA.

Trump und Pop ist in Wahrheit ein unendliches Thema, das oft auch davon ablenkt, was dieser „orange man“, wie er sich manchmal selbst nennt, im Weißen Haus so alles anstellt. Hier ein sehr selektiver und launiger Überblick am Tag der (wieder einmal) wichtigsten US-Wahl aller Zeiten.

Thrash Metal Trump

Die Schlussphase des Wahlkampfes. Man liest über Trump-Fans, die Straßen und Brücken blockieren, über Trumpisten, die einen Wahlkampf-Bus von Joe Biden angreifen, über Rallys der Demokraten, die abgesagt werden, weil sich rechte Bürgerwehren angekündigt haben. Proud Boys, Antifa und Black Lives Matter mobilisieren für die Straße. Städte wie New York und Washington DC verbarrikadieren sich. Ein Land übt Bürgerkrieg, wenn demokratische Wahlen anstehen. Auch das ist eine Bilanz von vier Jahren President Trump.

„Run around, run away from your America while it burns in the streets“, so die Band Algiers aus Atlanta in ihrem Song „Dispossession“ vom diesjährigen Album “There Is No Year”. Wenn sich so unterschiedliche Künstler wie Sufjan Stevens, Eminem, Neil Young oder Cardi B öffentlich mit dem US-Präsidenten anlegen, steigt doch die Zahl derer, die Trump überhaupt keine Zeile mehr widmen möchten. Sie haben für sich erkannt, dass Trump mit jeder Kritik auch als Popfigur wächst und am Ende durch die USA trampelt wie der Stay-Puft Marshmallow Man aus Ghostbusters.

„I wouldn’t give a song to Donald Trump“, diesen Satz konnte man in letzter Zeit auf FM4 von US-Interviewpartner*Innen wie Wayne Coyne von den Flaming Lips, Samuel T. Herring von Future Islands oder Adrianne Lenker von Big Thief hören.

„I don’t care about Trump, I care about what he does to my country.” Das hat mir John Gourley, Sänger der Indie-Band Portugal. The Man, bereits ein Jahr nach Trumps Amtsantritt ins Mikrophon gesprochen. Die Spaltung der Gesellschaft gehe so tief, dass man in Johns Heimatstaat Alaska als radikaler Linker gelte, wenn man den Müll trenne oder sich für erneuerbare Energien stark mache. „Trump did that, but it’s not a football game, it’s not Democrats vs. Republicans, he lets everyone down. “

Es ist zwar ein alle vier Jahre wiederkehrendes A-Thema für die Kulturberichterstattung im Zuge der US-Wahlen, es ist aber auch müßig, die Popmusiker*Innen aufzuzählen, die gegen Trump sind. Es sind sehr, sehr viele. Es sind fast alle. Es gibt sogar einen Wikipedia-Eintrag, der jene Stars aufzählt, die nicht wollen, dass Trump einen ihrer Songs im Wahlkampf verwendet. Die Liste der wenigen Country-Sänger*innen, Rocker und Rapper, die Trump unterstützen, ist hingegen überschaubar und variiert nur leicht gegenüber der letzten Wahl.

Stars gegen Trump

Auch das ist Gegenstand der laufenden Berichterstattung. Welchen Song spielt Trump auf seiner Rally? Wer verklagt ihn heute? „Cease And Desist“ nennt man in den USA eine Unterlassungserklärung, die verhindern soll, dass jemand Musik von jemanden spielt, der oder die das nicht will. Diese Klagedrohungen sind im Fall von Trump und Pop jedoch meist wertlos. Solange Aufführungsrechte gewürdigt und Lizenzen bezahlt werden, haben Popmusiker*Innen gegen die Verwendung ihrer Musik kaum eine rechtliche Handhabe. Die Lizenzen werden von den Verwertungsgesellschaften ASCAP oder BMI häufig im Bündel angeboten. Oft rechnen die Wahlkampfmanager die Gebühren einfach über die Venues der Wahlveranstaltungen ab wie in einem Club oder einer Konzerthalle.

Mehrere Stars brachten Klagen wegen widerrechtlicher Nutzung ein. Bisher ist es jedoch niemanden gelungen, Trump per Gericht die Stirn zu bieten. Vielen bleibt nur des POTUS eigenes Territorium, der Twitter-Rant, zum Beispiel Michael Stipe von R.E.M. „Go fuck yourselves, the lot of you. You sad, attention grabbing, power-hungry little men. Do not use our music or my voice for your moronic charade of a campaign.” Trump setzte häufig den R.E.M.-Hit “It’s The End Of The World" ein.

Unglaublich, aber wahr: In einem Fall hatte Donald Trump doch ein Einsehen. Aus Respekt vor dem Werk seines absoluten Lieblingsmusikers Neil Young verzichtete der US-Präsident nach diversen Unmutsäußerungen eine Weile auf den Einsatz der Songs „Rockin In The Free World“ oder „Devil’s Sidewalk". Doch Trump bleibt Trump. In der laufenden Kampagne sind die Stücke wieder durch die gut besuchten und eng zusammengestandenen Wahlarenen gedonnert. Neil Young brachte nun erneut eine Klage ein, dieses Mal wegen Rufschädigung, weil Trump damit den Eindruck erwecke, Young würde ihn unterstützen. Damit erreichte schon Steven Tyler von Aerosmith, dass das Trump-Team auf Titel wie „Livin‘ on the Edge“ und „Dream On“ verzichtete.

Die Stones, deren „You Can’t Always Get What You Want” ein Dauerbrenner der Trump-Kampagne ist, drohen nun gemeinsam mit der Urheberrechte-Gesellschaft BMI mit einer Klage wegen Bruches der Lizenzvereinbarung, die die Verwendung eines Songs für politische Zwecke regelt. Allerdings ziehen sich solche Verfahren in die Länge. Womöglich ist Trump gar nicht mehr Präsident, wenn in dieser Angelegenheit eine Entscheidung fällt.

Rock The Vote

Bei uns in Europa weniger im Fokus, in den USA aber eines der wichtigsten Themen vor jeder Wahl: die verschiedenen Kampagnen zur Wählermotivierung. Um eine Stimme abgeben zu können, muss man sich vorher registrieren – ein bürokratisch aufwendiger Prozess, der vor allem viele Junge vom Urnengang abhält.

Rock The Vote nennt sich eine Plattform der Musikindustrie, die seit 30 Jahren existiert und bisher 12 Millionen Wähler*Innen registriert hat. Zahlreiche Rock- und Pop-Promis unterstützen die Initiative. Besonders kreativ in diesem Jahr die Band Portugal. The Man. Die Truppe aus Alaska hat ihren Hit „Feel It Still“ auf 36% der ursprünglichen Musik reduziert, weil bei den letzten Wahlen zum US-Kongress bloß 36% der 18-29jährigen tatsächlich ihre Stimme abgegeben haben. Geht es um Trump, dürfte die Motivation zu wählen ungleich höher sein, denn besonders beliebt ist der Präsident nicht unter den jungen Amerikaner*Innen – wie man an diesem Statement der Popüberfliegerin Billie Eilish erkennen kann:

American Psycho

Wo aber manifestiert sich der Popstar Trump am gruseligsten? American Psycho ist die filmische Adaption des gleichnamigen Buches von Bret Easton Ellis, die im Jahr 2000 in die Kinos kam. Ellis modellierte seine Hauptfigur, einen sadistischen und mörderischen Yuppie, nach Donald Trump. Der von Christian Bale verkörperte Investmentbanker Patrick Bateman doziert vor seinen Opfern und Gespielinnen über die Songs seines Lieblingsmusikers Phil Collins, bevor er zuschlägt.

Im echten Leben spielte Trump während seiner laufenden Kampagne den Collins-Klassiker „In The Air Tonight“, der im Sommer über ein Reaktionsvideo zweier US-Teenager wieder in die Charts gespült wurde. Phil Collins war nicht amüsiert, denn Trump verwendete den Song, um mit den Zeilen „feel it coming in the air“ die Corona-Pandemie und ihre Verbreitung über Aerosole zu verhöhnen.

A Thing Called Joe

Und so schließen wir einen Beitrag über Pop und Trump mit dem Konkurrenten Joe Biden, den gibt es schließlich auch noch. Popstar Cher hat dem Kandidaten der Demokraten den Song „Happiness Is A Thing Called Joe“ gewidmet. Wäre der Song vor ein paar Wochen, und nicht erst am Freitag erschienen, hätte Biden wohl keine Chance, diese Wahlen zu gewinnen – aber zumindest eine gute Ausrede.

Heute, am Wahlabend, lädt der Präsident übrigens 400 Gäste zu einer Superspreader – äh – Wahlparty ins Weiße Haus. Welche Musik dort wohl laufen wird?

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