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The Signifier

Playme Studio

„The Signifier“: Kurztrip ins Unbewusste

Der First-Person-Techno-Thriller „The Signifier“ bleibt trotz großartiger Momente und spannender Story unbefriedigend.

Von Rainer Sigl

In diesem kleinen Apartment geht etwas Seltsames vor sich. Eine körperlose Stimme ruft im Halbminutentakt wieder und wieder fröhlich zum Abendessen, der Spiegel zeigt nur flimmernde Pixel und im Wohnzimmer hängt ein riesiger Löffel reglos vor dem Fernseher. In der Luft schwebende Spuren führen zu Fragmenten von gesichtslosen Personen, die wieder und wieder dieselben Handgriffe ausführen.

Im First-Person-Videospiel „The Signifier“ bin ich nicht nur in der realen Welt einer nahen Zukunft unterwegs, sondern auch und vor allem in Träumen, Erinnerungen und verschütteten Erlebnissen, die von einer von mir entwickelten künstlichen Intelligenz zu erforschbaren Räumen gestaltet wurden. Als Hightech-Psychologe wandere ich durch das digital gespeicherte Unbewusste einer toten Frau. Hier soll ich aufdecken, ob es wirklich Selbstmord war oder nicht doch ein Mord an der Managerin begangen wurde.

Das Leben, ein Traum

Anfangs sind die Ausflüge in diese virtuelle Welt noch banal, doch bald schon wird es bizarr. Wie in den seltsamsten Träumen führen meine Nachforschungen von normal aussehenden Räumen unvermittelt in längst vergangene Kindheitswelten oder in düstere Albträume. Dann wieder muss ich in traumatischen Erinnerungen im Drogennebel nach Hinweisen suchen und einfache Rätsel lösen.

Gefährlich ist es hier nicht, aber ziemlich surreal und manchmal unheimlich. In seinen besten Momenten schafft es „The Signifier“ perfekt, Traumlogik und ganz spezielle Atmosphäre zu einem beeindruckenden Erlebnis zu verbinden. Die Story führt parallel zu diesen Szenen in die reale Welt, in der ein riesiger Konzern, eine Ermittlungsbehörde und meine eigene Tochter zwielichtige Rollen spielen.

Thematisch reißt „The Signifier“ seine großen Themen - das Unbewusste, Identität, Realität - eher an, als sie tatsächlich ernsthaft zu behandeln; Magrittes berühmtes Gemälde „Der Verrat der Bilder“, auf dem eine Pfeife mit dem Satz „Ceci n’est pas une pipe“ („Das ist keine Pfeife“) zu sehen ist, hängt zwar prominent im Arbeitsraum der Hauptfigur, doch viel weiter als bis zum Namedropping geht das Spiel hier und andernorts nicht.

The Signifier

Playme Studio

„The Signifier“, entwickelt von Playme Studio und vertrieben von Raw Fury, ist für Windows, Mac, PS4 und Xbox One erschienen.

Unsanft geweckt

Besonders optisch zeigt sich „The Signifier“ hingegen überzeugend: Was auf den ersten Blick verblüffend fotorealistisch aussieht, entpuppt sich auf den zweiten als höchst artifizielle optische Täuschung, als wäre man in einer dreidimensionalen Fotografie unterwegs, in der manche Ecken weniger gut ins Dreidimensionale übersetzt wurden als andere. Dieser fotogrammetrische Effekt, den man von 3D-Modellierungen etwa in Google Maps oder Streetview kennt, wird hier für manche Szenen und vor allem Szenenübergänge atmosphärisch großartig eingesetzt.

In den surrealen Szenen, in denen „The Signifier“ zur Höchstform aufläuft, sitzt man mit offenem Mund da und ist beeindruckt; leider geht dem Spiel danach aber zu früh die Luft aus, und gerade an ihrem vermeintlichen Wendepunkt kracht die Story in ein unlogisches Ende. Schade, denn die vier Stunden bis dahin sind großteils durchaus gelungen.

In der beinahe schon als Subgenre zu bezeichnenden Nische „First-Person-Spiel in surrealen Gedankenwelten“, zu der zum Beispiel auch „Observer“, „Get Even“ oder „Transference“ gehören, ist „The Signifier“ ein Kurztrip, der leider unter seinem Potenzial bleibt. „The Signifier“ ist wie ein spannender Traum, der an der unmöglichsten Stelle vom Wecker unterbrochen wird.

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