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Ein schwarzer Junge und ein bärtiger weißer Mann

Showtime

SERIE

„The Good Lord Bird“ erzählt von einem gespaltenen Amerika

Ein selbsternannter weißer Retter kämpft gegen die Sklaverei: Die reale Figur des John Brown als Serien-Antiheld, gespielt von Ethan Hawke.

Von Christian Fuchs

„John Brown’s body lies a-mouldering in the grave“, beginnt ein berühmtes Lied aus dem amerikanischen Bürgerkrieg, „his soul’s marching on.“ Der weiße Mann, der gegen die Versklavung der Schwarzen kämpfte, wurde gleich nach seiner Hinrichtung 1859 zur Legende.

Etliche Schriftsteller berichteten über sein stürmisches Leben, Musiker und später auch Filmemacher widmeten sich John Brown. Während ihn die eine Fraktion posthum als Märtyrer feierte, als Ikone des Widerstands, ist er für die gegnerische Seite bis heute ein Terrorist und Geisteskranker. In der Showtime-Serie „The Good Lord Bird“ geht es nun um dem Menschen hinter dem Mythos.

Ethan Hawke als John Brown sitzt in einem Sessel

Showtime

Ethan Hawke verkörpert John Brown, im wahrsten Sinn des Wortes, auf furiose Weise. Mit wild zerzausten Haaren und Bart, fanatischem Blick, immer an der Grenze zum heftigen Wutausbruch. Der militante Abolitionist tritt unnachgiebig für die gute Sache an, das Ende der Sklaverei. Dabei spritzt aber viel Blut, zusammen mit seiner kleinen Truppe massakriert der streng gläubige Christ Brown viele seiner Gegner gnadenlos.

Ambivalenz und satirische Seitenhiebe

Erzählt wird „The Good Lord Bird“, nach dem gleichnamigen Buch des Autors James McBride, aber aus der Perspektive einer anderen, einer fiktiven Figur. Der schwarze Teenager Henry (Ganz fantastisch: Joshua Caleb Johnson) verliert bei einem Schusswechsel seinen Vater. Schuld ist John Brown, der den Jungen sofort als Teil seiner Gang adoptiert.

Ein Mann und ein Junge auf einer Türschwelle

Showtime

Weil er aber seinen Namen falsch versteht und ihn für ein Mädchen hält, zwingt der Befreier den ängstlichen Henry in Frauenkleider. Und tauft ihn Henrietta, Spitzname „Onion“. Der Bub bemerkt schnell: Auch der im Norden als white saviour verehrte Mr. Brown ist eine Art Unterdrücker, auf seine Weise halt. Denn Onion muss sich den Regeln des getriebenen Mannes fügen, um in den Wirren der Vor-Bürgerkriegs-Ära nicht auf der Strecke zu bleiben.

Dieser differenzierte Blickwinkel entspricht zweifellos politisch korrekteren Sichtweisen. Gleichzeitig bricht die Serie aber radikal mit simplen ideologischen Schemata. „The Good Lord Bird“ zelebriert die Ambivalenz, ist voller zwiespältiger Antiheld*innen und macht dabei eben auch bei historischen Charakteren keine Ausnahme. Inklusive satirischer Seitenhiebe.

Daveed Diggs spielt Frederick Douglass

Showtime

Besonders spannend ist etwa die Darstellung des afroamerikanischen Sozialreformers Frederick Douglass, umwerfend vom Rapper Daveed Diggs (von der Band Clipping) gespielt. Die Serienschöpfer portraitieren ihn einerseits als genialen Redner und messerscharfen Denker, der dem entgrenzten John Brown haushoch überlegen ist. Auf der anderen Seite agiert der Serien-Douglass wie ein Popstar, der eitel das Rampenlicht sucht, Bezüge zur Instagram-Gegenwart flackern ironisch auf.

Unauflösbare Widersprüche werden exorziert

Aber genau diese provokante Ambiguität muss man eben aushalten in einer Serie, die von linksliberalen Künstler*innen aus Hollywood gemacht ist, die aber auf jene intellektuelle Überheblichkeit verzichtet, wie sie durch soziale Netzwerke geistert. Es geht um einen schwierigen Diskurs, bei dem sich Weißbrote und Afroamerikaner, Frauen und Männer auch im Regiestuhl abwechseln.

The Good Lord Bird“ ist seit 6. November auf Sky Atlantic zu sehen.

Vielleicht, will uns „The Good Lord Bird“ sagen, ist die Zerrissenheit in dieses riesige Land eingeschrieben, steckt tief in der DNA der USA, ballt sich oft auch in ein- und derselben Person zusammen. Im besten Fall - Hallo Popkultur! - werden unauflösbare Widersprüche produktiv verarbeitet und exorziert.

Das scheint jedenfalls das Programm von Produzent Jason Blum zu sein, der mit billigen Horrorfilmen ein kleines Imperium aufbaute, dann aber mit Filmen wie „Get Out“ oder „BlacKkKlansman“ auch politische Statements lieferte, immer in greller Genreverpackung, versteht sich.

Ethan Hawke als John Brown hält eine Hasen

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Am Ende bleibt, trotz durchschnittlicher Dramaturgie und formaler Unauffälligkeit, einiges zurück. Dem jungen Joshua Caleb Johnson wünscht man eine ganz große Karriere. Ethan Hawke wiederum entschädigt mit seiner irrlichternden Performance fast für ein Jahr, in dem Rockkonzerte kaum stattfinden.

Und es kristallisieren sich zwei Botschaften heraus: Die Sklaverei bleibt natürlich das ultimativ Böse. Aber die selbsternannten Retter sind auch nicht immer Heiligenfiguren gewesen. Eine sehr sehenswerte Serie, die von einem gespaltenen Amerika und dessen Wurzeln erzählt. Und dieses Thema ist leider aktueller denn je.

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