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Fotomontagen aus "Zehn Millionen Farben: Anschober ersetzt Ampel durch Corona-Farbspektrum“

Residenz-Verlag

„Die Tagespresse“ präsentiert ihren Jahresrückblick

Die Liebe zum Detail ist groß: Auch nach ungezählten Meldungen von „Die Tagespresse“ ist die Perspektive der Satirezeitung noch unterhaltsam. In einem Band mit einem elendig langen Titel präsentiert „Die Tagespresse“ jetzt schon ein Best-of 2020.

Von Maria Motter

Fritz Jergitsch hat vor sieben Jahren und noch als Student der Volkswirtschaft damit begonnen, tatsächliches Wien- und Weltgeschehen in satirische Fake News zu verwandeln und auf seine Website zu stellen. Dann brachte er die Meldung, dass Edward Snowden in Wien wäre, jemand las die „Tagespresse“-Headline auf Twitter in einer Übersetzung, Behörden mussten dementieren und Jergitschs Seite hatte einen Bekanntheitsgrad jenseits seiner Facebook-Fanbase erreicht. Jetzt ist „Die Tagespresse“ ein eigenes Medienimperium, mit fast täglich erscheinenden Geschichten, eigener Theatershow und Jahrbüchern.

Druckfrisch liegt jetzt bereits der Jahresrückblick für 2020 vor: Das Buch trägt den leuchtenden Titel „10 Millionen Farben: Anschober ersetzt Ampel durch Corona-Farbspektrum“.

Fritz Jergitsch im ORF-Sendestudio der Zeit im Bild.

Hans Leitner, ORF

Fritz Jergitsch schickt auch schon mal Donald Trump nach Floridsdorf.

In einem Jahr, das Ereignisse über die Welt brachte, die an sich schon stranger than fiction erscheinen, hat es „Die Tagespresse“ geschafft, gar vielen Hiobsbotschaften mit einer lustigen Seite zu begegnen.

Die drei Chefredakteure von „Die Tagespresse“ - Fritz Jergitsch, Sebastian Huber und Jürgen Marschal - haben ein Best-of ihrer Artikel für „10 Millionen Farben: Anschober ersetzt Ampel durch Corona-Farbspektrum“ zusammengestellt und ihr „Büro-Waran Günther hat alle Schlagzeilen aus Krone, Heute und oe24 zerbissen und neu sortiert“.

Es ist die Vorstellung eines Büro-Warans, es ist „Screenshot“ als Angabe eines Bildnachweises und es sind die Verquickungen realer Ereignisse, hoch fantasiert in Szenarien, die mit Erwartungshaltungen spielen, Boulevardzeitungen persiflieren und zugleich das Interesse für politisches Geschehen durchaus stützen.

Österreich aus Perspektive der „Tagespresse“

Die AUA will die Staatshilfe nicht annehmen, weil der Geldkoffer zu schwer ist, während die Liliputbahn aus dem Wiener Prater einen Nachtzug nach Brüssel startet als Konkurrenz zur ÖBB. Das Eisbärenbaby in Wien wird von seiner Mama mit Tschick und Krügerl erwischt - nach einem Tag unter Wienern. Das Waldviertel wehrt sich gegen 1-G („Kann Corona übertragen“), Google Maps punktet mit einem Feature für Eltern mit Kleinkindern (Ablenkungsfaktoren werden einberechnet: „Sei es ein niedlicher kleiner Hund, eine ältere Dame oder nur ein Kieselstein, vor den sich das Kind sieben Stunden kniet, um eine philosophische Weltbetrachtung von sich zu geben und Passanten euphorisch zu erklären, dass eigentlich auch Steine Lebewesen mit Gefühlen sind.“)

Das Cover des 7. Bandes mit den besten Meldungen der Tagespresse zeigt den Gesundheitsminister, ein Eisbär-Baby, Klopapier und Trump

Residenz Verlag

Die Tagespresse: „10 Millionen Farben: Anschober ersetzt Ampel durch Corona-Farbspektrum“ ist 2020 im Residenz Verlag erschienen.

Die Welt aus der Perspektive der „Tagespresse“ präsentiert sich als wundervoller Tummelplatz. Doch so absurd die Erzählung auch wird, stilistisch bleibt sich das Medium treu. Akribisch sind die Ausdrucksweisen von Personen nachgeahmt, Wissenschaftler haben selbstverständlich einen zweiten Vornamen und der größte Irrsinn wird als ernstzunehmender Sachverhalt beschrieben. Nur wenige Gags werden wiederholt. Dass das Corona-Virus mit seiner Ausbreitung wartet, bis der Kanzler aus Brüssel zurückgekehrt ist und bis alle Betten gezählt sind, amüsiert gern mehrmals.

Gegen das neuartige Virus treten in Tagespresse-Meldungen nicht weniger als Leberkäse, Killerkühe, Tirol, Lugner und Putins Tochter an.

Dass sich Fritz Jergitsch und sein Team nicht zu innenpolitischen Kommentaren hinreißen lassen, überrascht. „Tiaf“, also vulgär ist „Die Tagespresse“ nicht. Wenige Geschichten sind von tiefschwarzem Humor. Aber durchaus oft sind die Meldungen sehr hart zu Personen, etwa wenn Sebastian Kurz nahezu durchgehend als Roboter dargestellt wird. Eine Tagespresse-Meldung lautet: „Bizarrer Robotername: Elon Musk und Grimes nennen Sohn ‚Sebastian Kurz‘“, doch auch weitere Droiden finden sich in der ÖVP laut Tagespresse. Dem Bundeskanzler Sebastian Kurz wird die meiste Aufmerksamkeit im Jahrbuch zuteil.

Des Weiteren: Die Grünen geben sich selbst auf in einer Postfiliale, die SPÖ macht den Coronavirus zum neuen Parteichef („Ansteckend, mitreißend, bürgernah“), für die NEOS will „Jungerbe Douglas Huso Otto von Ottokar“ im Rathaus intervenieren. Heinz-Christian Strache ereilte ein Auftrittsverbot, nachdem das Van-der-Bellen-Syndrom bei der Angelobung 2017 entdeckt worden sei.

Ingesamt machen sieben Menschen „Die Tagespresse“, mit Tereza Hossa gibt es eine Frau im Team. Allein die Meldung zu Bill Gates ist Gold und dieses Buch wert.

Alle, die mit Online-Banking genauso wenig Geduld haben wie „Die Tagespresse“: Die unabhängige Buchhandlung des Vertrauens hat „10 Millionen Farben: Anschober ersetzt Ampel durch Corona-Farbspektrum“ auch im Sortiment. Erschienen ist der Band im Residenz Verlag. Und aus all den wunderbaren Geschichtenüberschriften und der Bildauswahl ließen sich dann noch grandiose Postkarten basteln.

Fotomontagen aus "Zehn Millionen Farben: Anschober ersetzt Ampel durch Corona-Farbspektrum“

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