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Kritik am geplanten Anti-Terror-Paket

Mehr Überwachung als Antwort auf das Versagen der Behörden? Die Grundrechts-NGO epicenter.works kritisiert die geplante Verschärfungen von Gesetzen.

Von Christoph Weiss

Als Reaktion auf das Attentat in der Wiener Innenstadt am 2. November hat die österreichische Bundesregierung ihren Plan für ein “Anti-Terror-Paket” präsentiert. Und auch auf europäischer Ebene wird - unter reger Beteiligung Österreichs - an neuen Überwachungsmaßnahmen gearbeitet.

Eine zentrale Maßnahme im angekündigten Anti-Terror-Paket ist die vorbeugende elektronische Überwachung entlassener Gefährder. Einfacher gesagt bedeutet das - unter anderem - die elektronische Fußfessel.

Dass sie Menschen nach der Haft verpasst werden soll, hält Thomas Lohninger von epicenter.works für verfassungswidrig - und er erinnert: „Über die Fußfessel für sogenannte Gefährder wurde bereits 2017 diskutiert. Damals konnte sich der ÖVP-Justizminister Wolfgang Brandstetter gegen Innenminister Wolfgang Sobotka durchsetzen. Er hat dieses Vorhaben verhindert und Brandstetter ist heute Verfassungsrichter. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Maßnahmen, die jetzt in diesem Bereich beschlossen werden sollen, auch ihren Weg zum Höchstgericht finden werden.“

Elektronische Fußfessel

APA/dpa/Susann Prautsch

Die Regierung will, dass islamistische Straftäter nach der Haft im Maßnahmenvollzug lebenslang festgehalten werden können, ähnlich wie das etwa schon jetzt bei geistig abnormen Rechtsbrechern möglich ist. Außerdem soll ein neuer Straftatbestand geschaffen werden, der gegen die “Verbreitung des politischen Islam” gerichtet ist. Dafür soll eine Meldestelle eingerichtet werden, mit der islamistische und andere extremistische Inhalte bei den Behörden angezeigt werden können. Und: extremistische Vereine sollen leichter aufgelöst werden können.

“Wir diskutieren jetzt eine Verschärfung von Gesetzen, obwohl wir noch nicht einmal genau wissen, wie es zu diesem Anschlag gekommen ist. Alle Hinweise deuten auf ein Behördenversagen und sie deuten darauf, dass bestehende Gesetze ausgereicht hätten. Es handelt sich um reine Symbolpolitik und Anlassgesetzgebung, die unsere Grundrechte gefährdet und die sachlich überhaupt nicht geboten ist.”

Drängen auch außerhalb Österreichs

Nicht im österreichischen Anti-Terror-Paket enthalten sind sogenannte Uploadfilter. Diese fordert allerdings Frankreichs Präsident Emanuel Macron. Genauer gesagt will er, dass Onlinebeiträge, die einen terroristischen Zweck verfolgen, innerhalb von einer Stunde entfernt werden müssen. Ein entsprechendes Gesetz wird auf europäischer Ebene vorbereitet, unter reger Beteiligung Österreichs. Thomas Lohninger gibt zu bedenken: Solche Uploadfilter könnten dann auch journalistische Inhalte betreffen, oder Artikel in der Wikipedia.

Verhandelt wird auf EU-Ebene auch über Hintertüren für verschlüsselte Messenger wie Whatsapp oder Signal. Dafür, sagt Thomas Lohninger, müssten dann Generalschlüssel bei den Behörden hinterlegt werden: “Bei diesem Thema tut sich Österreich generell ein bisschen schwer und wartet gerne auf die Europäische Union. Aber natürlich wäre es ein Totalschaden für Europa, wenn das kommen würde.” Eine vertrauenswürdige Infrastruktur, so Lohninger, wäre ohne Verschlüsselung nicht mehr zu betreiben.

Kritik auch von Strafrechts-Fachleuten

Kritik am geplanten Anti-Terror-Paket kommt nicht nur von Grundrechts- und Datenschutz-NGOs, sondern auch vom Netzwerk Kriminalpolitik. Ihm gehören u.a. die Österreichische Vereinigung der Richterinnen und Richter, die Vereinigung Österreichischer Staatsanwältinnen und Staatsanwälte und der Österreichische Rechtsanwaltskammertag an. Das Netzwerk Kriminalpolitik schreibt in einer Stellungnahme, es gelte auf den Anschlag vom 2. November “angemessen und mit Bedacht zu reagieren”. Und auch sie merken an: Potenziell terroristische Rückfalltäter lebenslang im Maßnahmenvollzug unterzubringen sei verfassungskonform “nur sehr schwierig umzusetzen”.

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