Babeheaven: Indie-Soul aus London

Das Londoner Duo Babeheaven spielt Indie-Soul, Trip-Hop, warmherzigen Alternative-Pop. In den letzten paar Jahren veröffentlichten Babeheaven einzelne Tracks und Mini-Alben, jetzt erscheint endlich ein komplettes Babeheaven-Debütalbum.

Von Eva Umbauer

Babeheaven sind nicht ausschließlich ein Studioprojekt, sondern auch eine Live-Band. So waren Babeheaven etwa schon auf Tour zusammen mit Cigarettes After Sex, Nilüfer Yanya oder Japanese House. Dieses Jahr hätte ein gutes Konzert-Jahr werden sollen für Nancy Andersen, Jamie Travis und ihre Band, aber Corona machte ihnen, wie so vielen anderen Musiker*innen, einen Strich durch die Rechnung. Das renommierte South By Southwest Festival in Texas wäre etwa auch am Programm gestanden, ein Sprungbrett für viele Bands. Die Zeit nutzten Nancy und Jamie also anderweitig, indem sie ihr erstes Album fertigstellten, was sonst noch gedauert hätte.

Babeheaven nennen ihr Album „Home For Now“, ein Titel, der mit Umzügen von Nancy und Jamie zu tun hat. Ein Zuhause, das nur ein temporäres ist. Damit man sich trotzdem zuhause fühlt, stellen die beiden in ihren jeweiligen Wohnungen - oder auch in Hotelzimmern - als erstes immer ein paar kleine persönliche Gegenstände auf.

Nancy Andersen und Jamie Travis kommen aus dem Westen von London, dem quirligen, multikulturellen Ladbroke Grove. Aber Jamie ist nun nach Camberwell, einer noch eher unentdeckten, günstigeren Gegend in Südostlondon gezogen, und auch Nancy ist schon am Vorbereiten ihres Umzugs ebendorthin. In seinem kleinen Studio, das Jamie mitgenommen hat, legt er meist mit ersten Akkorden und einem Beat den Grundstein für einen neuen Song, dann kommt Nancy hinzu und komponiert mit und textet.

Im Song „Cassette Beat“ geht es darum, dass es „always light behind the dark even when you can´t see it yet“ ist, wie Nancy Andersen sagt. Das gilt für sie auch für die gegenwärtige sehr schwierige Situation mit Covid-19.

Nancy Andersen und Jamie Travis haben eine ganz besondere Chemie. Auch, dass beide keine Mütter mehr haben, verbindet sie. Nancys Mutter von - sie war eine gute Sängerin - starb, als Nancy noch klein war. Jamie verlor seine Mutter vor wenigen Jahren. Es war schwerer für ihn, sagt Nancy Andersen im FM4-Interview, denn wenn man noch ein kleines Kind ist, wie sie es war, dann begreift man das noch gar nicht richtig.

Im Babeheaven-Song „Heaven“, vor vier Jahren erschienen, geht es um die Mutter von Nancy Andersen. Der Song „It’s Not Easy“ handelt vom Tod von Jamies Mutter. Sie hatte sich für ihr Begräbnis gewünscht, dass Nancy und Jamie ihren Song „Heaven“ spielen. Es war ein wirklich berührender Moment, erzählt die 27jährige Nancy Andersen im FM4-Interview.

Nancy Andersen und Jamie Travis von Babeheaven wollen aber niemanden „runterziehen“ mit schwierigen Themen, sie schreiben einfach Songs, die aus dem Leben gegriffen sind, und der Tod wird da nicht ausgeklammert. Insgesamt sind die beiden aber optimistische Menschen, vor allem Nancy, auch wenn sie, wie sie erzählt, manchmal ein großes Ego hat, und wenn sie nicht genug geschlafen hat, schon einmal ordentlich grantig sein kann, ja, sogar Menschen, die sie liebt, verletzt. Um Letzteres geht es in einem Babeheaven-Song, dem recht poppigen „Craziest Things“.

Die Themen, die Babeheaven auf ihrem Debütalbum ansprechen, sind zumeist Freundschaft, Liebe, Familie, wie schon in der Vergangenheit, wo es bei Tracks wie „Jalisco“ - der Song ist nun auch am Debütalbum, um die Höhen und Tiefen moderner Liebe geht. „Cat Dance“, letztes Jahr erschienen, handelt vom Partytrubel, oder „Who Are We“, aus dem selben Jahr, erörtert, was schiefgelaufen ist.

Am Debütalbum von Babeheaven finden sich Alltagsgeräusche wie Vogelgesang, die Stimmen von Freunden, oder die Geräusche vorbeifahrender Autos. Es ist ein urbanes Album, aber eines mit einem melancholischen Vibe. Nancy und Jamie nennen das gerne „post rave“, also Musik für den Tag nach einer durchtanzten Nacht. Oder einfach Songs zum Tagträumen. Wir können keine lustigen Songs schreiben, meint Nancy Andersen, selbst wenn wir es versuchen würden. Der Vergleich mit Trip-Hop stört sie nicht, ganz im Gegenteil, Jamie und Nancy lieben Bands wie Massive Attack oder Portishead, aber auch den Dreampop der britischen Band-Legenden The Cocteau Twins.

Der Vater von Nancy Andersen komponiert Werbejingles. Er hat eine große Plattensammlung, die für Nancy eine Inspirationsquelle ist. Neue Musik hört sie gar nicht so viel. Der Babeheaven-Song „November“ ist ein wenig wie eine Mischung aus den Londoner Bands Haelos und London Grammar. Auch diesem Vergleich kann Nancy Andersen etwas abgewinnen, sie kennt die Musik beider Bands nicht so gut, aber sie findet, dass Hannah Reid von London Grammar eine wirklich gute Sängerin ist. Auch Nancy selbst ist eine ebensolche, auch wenn sie im FM4-Interview meint, sie sei noch dabei, ihre Stimme zu finden.

Das Gitarrensolo bei „In My Arms“, einem der schönsten Songs am Babeheaven-Album, erinnert vielleicht an Carlos Santana. Eher an „Maggot Brain“, klärt Nancy Andersen im FM4-Interview auf. „Maggot Brain“, ein Klassiker der US-Funkband Funkadelic aus den frühen 1970er-Jahren, der sich in der Plattensammlung von Nancy Andersons Vater findet.

„I don’t think I could create what I do anywhere else.“ - Nancy Andersen von Babeheaven über London

Nancy Andersen hat ihr komplettes bisheriges Leben in London verbracht, wo sie auch geboren wurde. Sie liebt London, würde dennoch gerne einmal etwas Zeit woanders verbringen, etwa in Paris. Vielleicht ja der Mode wegen. Nancy liebt Mode. Sie hat ganze Listen mit Vintage-Designerstücken, die sie unbedingt erwerben möchte, die aber ihr Budget sprengen würden, also wartet sie und sucht weiter. Das günstigste Teil, das Nancy einmal fand, kostete bloß zehn Pfund.

Unsere Musik klingt im Winter besser als im Sommer, sagte Nancy Andersen von Babeheaven einmal in einem Interview. Stimmt, Tracks wie „Jalisco“, „November“, „Until The End“, „Friday Sky“ oder „Through The Night“. In letzterem Stück geht es um das Erwachsenwerden, wie sich Dinge ändern, Wünsche und Ziele sich verschieben.

„How Deep (Love)“ hat ein Saxofon und den Song „Swimming Up River“ hat Nancy Anderson nach einer Black-Lives-Matter Demonstration geschrieben, es war, wie sie sagt, einer der am schwierigsten zu erschaffenden Songs am Album. Zwischen den einzelnen Stücken gibt es immer wieder sogenannte „Interludes“, die besonders hübsch sind. Es handelt sich um Songfraqmente, etwa um den Beginn von einzelnen Songs, die Nancy Andersen und Jamie Travis dann nie fertiggestellt haben, weil sie nicht genau wussten, wie der Song weitergehen könnte.

„Home For Now“ von Babeheaven ist ein fesselndes, hypnotisches, hinreissendes, warmherziges und authentisches Album.

P.S.: Nancy Andersen ist gelernte Antiquitätenhändlerin, ihre Großmutter führt ein Antiquitätengeschäft in Westlondon.

P.P.S.: Nancy Andersen und Jamie Travis wollten sich erst Jamie & Nancy nennen, das hätte dann aber doch zu sehr nach Folk-Duo geklungen. Babeheaven war erst ein Spaß, aber Nancy und Jamie haben auch Humor, und so blieben sie bei diesem Namen. Das Wort „babe“ bedeutet „hübsche Frau“, „sexy Frau“, „Schatzi“, oder „celeb babe“ in etwa „Promi Luder“.