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Foo Fighters

Andrew Stuart

Es gibt gute Streaming-Konzerte, bei den Foo Fighters ist noch Luft nach oben

Beim ersten Streaming Konzert der Foo Fighters aus dem Roxy Club springt der Funke nicht über. Andere zeigen, wie man’s besser macht. „Let’s share a little bit of this awkward energy together!“ Ein paar Konzert-Empfehlungen für den Lockdown 2.0

Von Susi Ondrušová

2020 hätte unser aller Jahr werden sollen. Wie jedes Jahr. Auch die Rock-Institution Foo Fighters hat heuer Großes vorgehabt: Das 25. Jubiläumsjahr hätte Dave Grohl mit seinen Bandkollegen und seiner Crew auf Tour verbracht. Er wäre im Sommer unter anderem auf dem Nova Rock Festival aufgetreten. „We had a killer T-Shirt design. A new record. And here we are!” Dave Grohl steht auf der Bühne vom LA Club Roxy. Am letzten Einkaufssamstag haben Foo Fighters ihr erstes Streaming Konzert gespielt. „Fuck that shit“ meint er im Selbstgespräch auf der Bühne im leeren Konzertsaal.

Foo Fighters

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Auf die iPads, in die Küchen

Zu Beginn der Pandemie wollte Grohl weder streamen noch Drive-in-Gigs spielen. Ein Konzert lebt von seinem schwitzenden Publikum, aber jetzt haben sie es also doch gemacht. Im Februar erscheint ihr zehntes Studio Album „Medicine at Midnight“. In ersten Interviews meint Grohl, das Album seit ein „Saturday night party album“. Die neue Single „Shame Shame“ haben sie beim Streaming Konzert live den Fans zuhause („on your Ipad in your kitchen“) vorgestellt. Neben der Band war auf der Bühne auch ein vierköpfiger Background-Chor, darunter auch Grohls Tochter Violet.

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Als Grohl die einzelnen Bandmitglieder vorstellt und kein Applaus, außer der von den Crew-Mitgliedern, ertönt, meint der Musiker „That was sort of normal“. Nichts ist natürlich normal, aber wenn die Interaktion mit dem Publikum entfällt, wenn der „Livemusik“-Konsum über TV, Handy, Laptop etc. passiert, dann will man allerdings als Fan auch nicht nach jedem Lied daran erinnert werden, was hätte sein können und nicht ist, sondern akzeptiert diesen Zustand und will das Beste daraus machen.

Lenk mich ab Dave!

Das Beste wäre in dem Fall gewesen, Zeuge einer Spielfreude zu werden, dem freundlichen „banter“ zwischen Frontman und seinen Kollegen auf der Bühne zuhören, vielleicht auch der Blick hinter die Kulissen. Diese Momente sind viel zu rar, einige wenige gibt es, als Grohl von Pat Smear hören will, was sein erstes Konzert war, das er im Roxy gesehen hat, oder als der remotely zugeschaltete sound engineer mit einer mit Whiskey gefüllten Kaffeetasse der Band zuprostet.

Foo Fighters

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In den eigenen einsamen vier Wänden einer von hunderttausenden Zeugen zu werden, wie eine eingeschworene Gemeinschaft auf der Bühne Spaß hat. Das kann ein gutes Streaming Konzert ausmachen. Stattdessen aber Zeuge zu werden, wie eine eingespielte Band versucht, etwas Unmögliches zu rekonstruieren und ein ständiges Erinnern daran, dass das alles komisch sei ohne Publikum. Ja eh! Get over it.

Während ich meine Konzertpublikum-Phantomschmerzen irgendwie halbwegs im Griff habe, ist Dave Grohl wohl noch nicht so weit. „The only thing that makes this different than a Foo Fighters practice is the cameras, lightning and we play more than three songs. We don’t like to practice!” Und hier also schon vielleicht auch die Erklärung für das traurige Streaming-Erlebnis mit den Foo Fighters. Selbst auf die Erfahrung, die jede Band zu Beginn ihrer Karriere macht, nämlich in halbleeren Venues vor 3 Menschen spielen, als ob es kein Morgen gäbe, kann der ehemalige Nirvana-Drummer anscheinend nicht (mehr) zugreifen. Es ist traurig. Es ist keine Ablenkung.

Foo Fighters

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Vor ziemlich genau zwei Jahren bin ich nach Bratislava gefahren um mir ein Anna Calvi-Konzert anzuschauen, obwohl ich sie ein paar Tage später eh auch in Wien gesehen hätte. Meine erste Frage an sie war: „Why do people go to gigs?“, und sie antwortete: „I think people want an experience that takes them out of their everyday life and they want to be able to believe that someone else would take a risk of potential humiliation or extreme powerfulness on their behalf!”

Daran muss ich denken als Dave Grohl sein „Everlong“ singt. Und ich drifte mit meinen Gedanken ab: In Ermangelung einer Bar oder einer Klo-Schlange, bei der man sich während einem langweiligen Konzertmoment anstellen könnte, sammle ich ein paar Staub-Ballen ein, die sich in den Wohnzimmer-Ecken angesammelt haben, hänge Wäsche auf, koche Kaffee und muss nachdenken: Was war denn ein wirklich gutes Streaming Konzert in den letzten Monaten, wo die Spielfreude und eine Art Livemusikfunken auf einen übergesprungen ist?

Die Antwort: Post Malone. Im April hat sich Post Malone vier Musikerfreunde in sein Haus eingeladen und sie haben gemeinsam ein Nirvana-Best-Of-Cover-Programm gespielt. „Let’s try to kick some ass!”, sagt Post Malone am Anfang vom Stream. Zwischen „Frances Farmer Will Have Her Revenge on Seattle“ und „In Bloom“ stellt sich Post Malone – für manche überraschend - als beste Tribute-Band des Jahres heraus und sammelt mit dem Streaming Konzert mehrere Millionen Spenden für die WHO ein.

„With a little compassion and consideration, we will all get together soon! We miss you so much”, sagt Grohl am Ende des Konzertes. So ist es. Weil das Foo Fighters-Konzert ein einmaliges Streaming Konzert war und für alle die Post Malones Nirvana Set schon gesehen haben, hier eine Empfehlung von fünf Livemomenten, die mir die vergangenen Lockdown-Tage in „my own private Stadthalle“ leichter gemacht haben und auch die kommenden Tage erleichtern werden. Zwei Einzelsongs als Einstimmung auf drei full length Konzerte aus einer anderen Zeit.

Robyn - „Dancing On My Own”, Roskilde 2019

Unbezahlbarer Mitsing-Moment. Eine Hymne für immer.

Solange - „Losing You“, Sydney 2018

One giant junior high school dance party!

Rosalía, Austin 2020

Heuer mit einem Grammy ausgezeichnet, ist Rosalía auch beim Austin City Limits Festival aufgetreten. Flamenco. Tanzen. Sehr gut.

David Byrne - „Rise Road Roar“, 2010

Neben „American Utopia“, dem neuen Konzertfilm von Spike Lee zur 2018-Tour von David Byrne gibt es den bisschen älteren, aber ebenfalls sehr sehenswerten Konzertfilm von 2010. Als Appetizer oder Vorbereitung auf das, was Byrne mit „American Utopia“ geschaffen hat und welchen Zugang zum Liveperformen er überhaupt hat. Choreographie, Tanz, Gesang. Hurra.

Jarv Is - „Live from the Center of the Earth “, 2020

Die beiden Filmemacher Iain Forsyth und Jane Pollard sind für Nick Caves grandiose Doku „20.000 Days on Earth“ verantwortlich. Heuer haben sie mit Jarvis Cocker zusammengearbeitet: „Jarv Is - Live from the Center of the Earth” ist ein Konzertfilm, der als Tourersatz-Programm dient. Kannst du dir gegen Kohl€ in dein Wohnzimmer streamen. Wer es aber lieber gratis möchte, dem sei eine Zeitreise ins Jahr 2011 empfohlen. Pulp spielen am Reading Festival. “If Pulp were only ever remembered for this song. I don’t care. It´s a good song!” Common people im lockdown.

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