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King Gizzard And The Lizzard Wizard Album "K.G."

Christian Lehner

musik

Neues King Gizzard And The Lizard Wizard Album

Die Freak-Rocker von King Gizzard And The Lizard Wizard haben erneut zugeschlagen. „K.G.“ ist ein Überblicksalbum, das die 10-jährige Bandgeschichte der Australier gut zusammenfasst.

Von Christian Lehner

Willkommen im Reich von König Gizzard und dem Echsenzauberer. Willkommen im Reich der 1000 Zwischentöne. Willkommen im Reich der dunklen Märchen über den Untergang der Erde und das Ende der Menschheit, plus: ein bisschen Liebe. Willkommen bei King Gizzard And The Lizard Wizard.

Gar nicht märchenhaft: Die Coronakrise und ihre Auswirkungen auf die Musikindustrie. Bands hocken zuhause, anstatt auf den Bühnen dieser Welt zu schwitzen oder schön im Scheinwerferkegel zu stehen. Obwohl das gerade im mittelständischen Bereich der Indie-Branche schmerzt, da die dort etablierten Acts jeden Tour-Cent zum Überleben brauchen, werden bestimmte side effects der zwangsverordneten Ruhepause durchaus geschätzt. Das Vagabundenleben ist vorne hin zum Publikum zwar schön, aber auch anstrengend. Bei manchen Festivalzusagen spielt wohl auch die Telefonrechnung mit und im Tourbus stinkt es.

King Gizzard And The Lizzard Wizard Album "K.G."

Jamie Wdziekonski

King Gizzard And The Lizard Wizard 2020

„Man fühlt sich wie in einer Zwischenwelt“, sagt der Frontmann einer der exzessivsten Live-Bands des Planeten. „Ich versuche jeden Tag, etwas zu tun, das ich die Jahre davor nicht tun konnte. Und ja, ich genieße die Ruhe und die Zeit, die sich plötzlich in mein Leben eingeschlichen haben.“ Stu Mackenzie, Gründungsmitglied, Chefmusiker und Hauptsongschreiber von King Gizzard And The Lizard Wizard, wirkt nicht gerade down. Der Endzwanziger wird zum ersten Mal Vater und das ist Grund genug. Und die Musik ist ja auch nicht verschwunden.

Couch-Rock in Coronazeiten

Trotz niedriger Infektionszahlen fährt Australien ein strenges Corona-Regime. Mackenzie verbringt viel Zeit im Heimstudio in Melbourne und werkt an neuen Songs. Er bastelt Instrumente und Effektgeräte und tauscht via Videokonferenzen Ideen mit den restlichen Bandmitgliedern aus. So ist auch das neue Album „K.G.“ entstanden. Corona hat den berühmt-berüchtigten Output der Band nicht zum Erliegen gebracht.

King Gizzard And The Lizard Wizard sind eine Band für das Guinness Buch der Rekorde: So viele Töne, Halbtöne und Zwischentöne steckt derzeit niemand in seine Musik. Der Veröffentlichungsmarathon dieser Freak-Truppe macht schwindelig und gemahnt an ihr Vorbild Frank Zappa (der übrigens im Dezember 80 Jahre alt geworden wäre, was u.a. mit dieser Filmdoku gefeiert wird, Anm.).

King Gizzard And The Lizzard Wizard Album "K.G."

Caroline International

„K.G.“ ist auf Caroline International erschienen. Hier geht’s zum Interview-Podcast mit Stu Mackzenie

10 Jahre, 16 Alben, fünf davon allein im Jahr 2017 – dazu Soundtracks, Kollabos, Konzertfilme, Livealben und mit dem „Gizzfest“ ein eignes Rockfestival. Hat King Gizzard Sänger Stu Mackenzie so viele Leben wie seine geliebten Hauskatzen? Reist die Band durch mehr Parallelwelten, als es in der Netflix-Serie „Dark“ gibt? Wächst in der australischen Wildnis ein Musikbaum, von dem man psychedelischen Rock, freien Jazz, atonale Musik, verspielten Folk und Thrash Metal pflücken kann, um dann verschwenderische Themen-, Genre- und Konzeptalben rauszuhauen wie Oma ihre Marmelade?

„Frag meine Frau, sie denkt ich bin ein Maniac! Wir sind einfach happy, wenn wir produzieren. Die Leute denken, wir veröffentlichen Musik am Fließband, das stimmt aber nicht. Auch wir benötigen für ein Album gut ein bis zwei Jahre. Der Unterschied: Wir arbeiten gleichzeitig an mehreren Alben und wir arbeiten in einem fort.“

Nach Albumtiteln wie „Paper Mâché Dream Balloon“ (2015), „Murder Of The Universe“ (2017) und „Infest The Rat’s Nest“ (2019) heißt das neue und 17. Studioalbum der Band schlicht „K.G.“ Es ist beeinflusst von türkischer Psychedelic und mikrotonaler Musik aus dem Orient.

„Wir haben das bereits auf „Flying Microtonal Banana“ (2017) ein wenig ausprobiert und treiben es jetzt auf die Spitze. Die Tonsprünge westlicher Instrumente sind starr, in anderen Kulturen sind sie häufig flexibel. Es geht um die Töne, die zwischen den „regulären“ Tönen existieren. Um mikrotonale Effekte zu erreichen, haben wir unsere Gitarren umgebaut und am Griffbrett neue Bünde eingezogen.“

Mikrotonalität und Markrowahnsinn

„K.G.“ steht natürlich für „King Gizzard“. Die Platte ist ein Abriss der ersten 10 Jahre – ein Familienalbum sozusagen. Der orientalische Unterbau feiert das Jubiläum mit Sufi-Ekstase und schön schrottigen Club-Beats, dazu der gewohnte Psychedelic Rock, Jam-Wahnsinn und Prog im Geiste von The Grateful Dead und Hawkwind. Die obligatorische Flöte darf auch nicht fehlen.

„Wir wollten dieses Mal so richtig dick auftragen und so viele Farben wie möglich verwenden. Alle Sounds sollten aufgefahren werden: die harschen, die derben, die schönen, die bösen; die harten und die weichen. Ich mag monothematische Alben sehr gern, aber „K.G.“ sollte ein Regenbogen werden.“

Inhaltlich geht es einmal mehr um die Apokalypse verursacht durch den Raubbau am Planeten und den Menschen. King Gizzard And The Lizard Wizard engagieren sich in Australien für den Tierschutz und haben den Erlös der letzten beiden Live-Alben einem Benefizprogramm gespendet, das sich um die Behebung der Schäden der verheerenden Buschfeuer von 2019 kümmert. Der Song „Some Of Us“ weist auf die gesellschaftlichen Brüche hin, die durch die Coronakrise vertieft werden. Immerhin gibt es noch die Liebe, die uns im Lockdown-Love Song „Honey“ den ganzen Irrsinn ein wenig versüßt.

Mit insgesamt 10 unter fünf Minuten gehaltenen Songs ist das neue Album relativ überschaubar für King Gizzard And The Lizard Wizard-Verhältnisse. Aber der Titel „K.G.“ für „King Gizzard“ deutet an, dass da noch etwas fehlt, nämlich die nächsten Initialen „L.W.“ für „Lizard Wizard“. Mit Album Nummer 17 ist also demnächst zu rechnen. Inzwischen starren wir ehrfürchtig in den psychedelischen Regenbogen, der über Australien aufgezogen ist und lassen uns langsam in das Gizzverse hineinziehen. Das gibt es wirklich. Einfach googeln.

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