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Megan Thee Stallion Cover des Albums "Good News"

Marcelo Cantu/PA/300 Entertainment

Megan Thee Stallions Debüt ist mehr als eine bloße Twerk-Challenge

Nach drei EPs und einem Mixtape hat die texanische Rapperin Megan Thee Stallion nun endlich ihr Debüt-Album „Good News“ released. Darauf treffen lyrische Finnesse und voller Körpereinsatz aufeinander, ohne dabei an Referenzen zu Rap-Legenden aus früheren Jahrzehnten zu sparen.

Von Melissa Erhardt

Es war ein turbulentes letztes Jahr für Megan Thee Stallion. Die Rapperin aus Houston, Texas katapultierte sich 2020 mit zwei Megahits in Null-Komma-Nichts in den US-amerikanischen Mainstream, nachdem sie sich mit ihren Freestyles schon länger einen Namen bei Kenner*innen gemacht hatte.

Beyonce, Cardi B und die Republikaner

Im März war da zunächst „Savage“, eine Single-Auskoppelung ihrer 2020 erschienen EP „Suga“, die einen Monat nach Erscheinen mit niemanden geringeren als Queen B aka Beyoncé gefeatured wurde und es schwuppdiwupp auf Platz eins der Billboard Charts schaffte. Megan hatte noch ein Jahr zuvor in einem Interview erwähnt, ihr größter Traum sei es, mit ihrem großen Vorbild Beyoncé ein Feature zu machen.

Als wäre das noch nicht genug, folgte wenige Monate später zusammen mit Cardi B der nächste Banger: „WAP“, ein Akronym für „Wet Ass Pussy“ – der wohl politisch am heftigsten diskutierte Song des Jahres (der Republikaner James P. Bradley sah darin „das Ergebnis einer Erziehung ohne Gott und starker Vaterfigur“) erzielte in seiner Debütwoche die bisher höchsten Streaming-Zahlen für einen Song in der Geschichte überhaupt.

Das alles gelang Megan Thee Stallion, während sie noch mit dem Tod ihrer Mutter, Managerin und besten Freundin Holly Aleece Thomas zu kämpfen hatte. Ihre Mutter, die ihres Zeichens selbst Rapperin war und ihrer Tochter nur unter der Bedingung, einen College-Abschluss zu machen, erlaubte, Rapperin zu werden, war 2019 im selben Monat wie Megans Großmutter an einem Gehirntumor gestorben. Und zu allem Überfluss wurde Megan im Sommer schließlich auch noch von dem kanadischen Rapper Tory Lanez ins Bein geschossen. Der wollte das aber nicht zugeben, startete praktisch eine Social Media Kampagne gegen sie und könnte nun für 22 Jahre ins Gefängnis kommen.

Frech, scharfzüngig und confident

Megan Thee Stallion

Marcelo Cantu/PA

Mit der Aufarbeitung dieser Schussverletzung und des dadurch erlittenen psychischen und physischen Schmerzes eröffnet die 25-jährige Texanerin ihr Debütalbum „Good News“ – mit einer Referenz an Biggies „Who Shot Ya“ aus dem Jahr 1995. Lyrisch frech und scharfzüngig arbeitet sie das Geschehene aus ihrer Perspektive über einen aufgefrischten 90s Boom-Bap-Beat auf: „And if it weren’t for me, same week, you would have been indicted (Should’ve let them lock your ass up), You offered M’s not to talk, I guess that made my friend excited”.

Was folgt, ist eine 50-minütige Hommage an frühere Rap-Legenden wie Eazy-E, The Notorious B.I.G. und Dirty South-Legenden wie Three 6 Mafia, gemischt mit aktuellen Elementen aus 808-lastigen Trap, Afrobeat und Synth-Pop. Begleitet wird das Ganze von ihrem schon legendär gewordenen „Ah“ (Anm. der Autorin: Man muss es einfach kennen) und ihrer selbstbewussten Boss-Attitude, mit der sie nicht nur die Kontrolle über ihre sexuelle Lust fest im Griff hat, sondern auch das Bild, das die Öffentlichkeit von weiblicher Sexualität hat, auf den Kopf stellt. Dass sie dabei oft kritisiert wird, wundert sie nicht, wie sie bei einem Interview mit QC sagt:

“Sometimes people are really not comfortable enough with themselves, and I don’t think they like to watch other people be comfortable with themselves. And I don’t think they want anybody to teach other people how to be comfortable with themselves”.

Was hier sicher nicht aufkommt, ist Langeweile – nicht bei Lines wie „If I wasn’t me and I would’ve see myself, I would have bought me a drink Took me home, did me long, ate It with the panties on (Ugh)” oder “I’m a steak you’re a side plate, shrimp, stay in your place (…) FaceTime my n while my other n layin there”.

Megan spielt mit ihrer Sexualität, sie zieht aber auch bewusst ihre Grenzen, wie sie etwa auf „Sugar Baby“ klarmacht: „He can call me lame and he can get an attitude / /But I still ain‘t doin’ nothin’ I don’t wanna do”. Einen (literally) Höhepunkt nimmt die authentische Self-Confidence von Megan bei „Body“, einer von weiblichem Dauergestöhne begleiteten Lobeshymne an den eigenen Körper, dessen dazugehöriger Tanz schon wenige Stunden nach Release auf Tik Tok viral ging.

Es ist diese Selbstliebe, die Megan Thee Stallion bewusst überdehnt und damit klar macht: Wenn ich mich selbst lieben kann, könnt ihr das auch. Nicht umsonst nennt sie ihre Fans liebevoll Hotties und spricht öffentlich darüber, wie es ist, als (Schwarze) Frau dafür geshamed zu werden, einfach nur zufrieden mit seinem Körper zu sein: „I choose what I wear, not because I am trying to appeal to men, but because I am showing pride in my appearance, and a positive body image is central to who I am as a woman and a performer. I value compliments from women far more than from men. But the remarks about how I choose to present myself have often been judgmental and cruel, with many assuming that I’m dressing and performing for the male gaze. When women choose to capitalize on our sexuality, to reclaim our own power, like I have, we are vilified and disrespected.“

Alte Klassiker mit neuem Spin

Megan Thee Stallion Cover des Albums "Good News"

Marcelo Cantu/PA/300 Entertainment

„Good News“ von Megan Thee Stallion ist am 20.11.2020 bei 300 Entertainment erschienen.

Tracks wie „Sugar Baby“ und die bereits im Juni releaste Single „Girls in the Hood“ sind auch technisch und lyrisch am spannendsten: Bei beiden Songs nimmt Megan Thee Stallion bekannte Samples aus den späten 80ern/90ern und frühen 2000ern und interpretiert sie neu – aus der Sicht einer Frau im Jahr 2020, die sich nichts mehr sagen lässt. „Girls in the Hood“ wird damit quasi zum woken Äquivalent zu „Boyz-n-the-Hood“, einem Klassiker von Eazy-E. Während er 1987 noch davon rappt, wie er eine „dumme Hoe“ schlägt, weil sie etwas gesagt hat, dass ihm nicht gefällt, rappt Megan in ihrer Version, dass sie sich von niemanden mehr sagen lässt, wie sie zu leben hat.

Dabei ändert sie an manchen Stellen die Lyrics nur leicht ab. Wenn etwa Eazy-E in seiner Version sagt: “Cause the boys in the hood are always hard You come talking that trash, we’ll put your card Knowing nothing in life but to be legit Don’t quote me boy, ‘cause I ain’t said shit”, rappt Megan: “Cause the girls in the hood are always hard Ever since sixteen, I been havin’ a job Knowin’ nothing in life, but I gotta get rich You could check the throwback pics, I been that bitch”

Das Gleiche passiert bei „Sugar Baby“, bei dem sie über ein Sample von Webbie aus dem Jahr 2005 flowt oder bei „Work That“. Hier flippen die Produzenten Juicy J und Z3N den 2006er Hit „Rodeo“ von Juvenile. Megan gibt diesen Songs eine zeitgemäße Neuinterpretation, spielt mit ihnen, indem sie auf die Hooks der alten Songs antwortet und den Spieß umdreht.

Diese authentische Self-Assurance, ihr unverwechselbarer Stil und ihre Skills, über Beats mühelos drüber zu flowen machen klar, dass Megan Thee Stallion nicht nur ein vorübergehendes Phänomen im Rap-Kosmos ist. She is here to stay – und „Good News“ war nur der Anfang.

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