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Genshin Impact

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„Genshin Impact“ ist Anime-Fantasykitsch mit Glücksrad

Das Free-to-Play-Spiel „Genshin Impact“ ist ein solides Open-World-Action-Rollenspiel, das mich irgendwann dann doch noch zum Geldausgeben bringen will.

Von Rainer Sigl

Der Himmel strahlt in sattem Hellblau, zarte Wölkchen hängen wie Zuckerwatte darin und die Sonne knallt auf kitschig grasgrüne Wiesen. Die Welt ist schön im Action-Rollenspiel „Genshin Impact“ - so schön, wie man es sonst nur aus japanischen Anime-Zeichentrickfilmen kennt. Oder aber aus dem Nintendo-Klassiker „Legend of Zelda: Breath of the Wild“. Auf den ersten Blick sieht dieses Open-World-Rollenspiel nämlich dem vorletzten Zelda-Game ziemlich ähnlich. Das chinesische Free-to-Play-Spiel ist aber trotzdem völlig anders, und das hat natürlich mit seinem Geschäftsmodell zu tun.

In „Genshin Impact“ bin ich im zuckerlsüßen Anime-Stil als Held oder Heldin in einer hübschen, aber ziemlich generischen Fantasy-Welt unterwegs - begleitet von einem penetrant piepsigen, fliegenden Schutzgeisterchen. Sobald ich in der ersten Stadt Mitglied der Abenteurergilde geworden bin, darf ich überall in dem riesigen Königreich Aufträge annehmen, neue Regionen erforschen und mich mit den vielen Monstern und Gegnern prügeln, die hier hausen. Die Welt steht mir offen - zum Glück werde ich beim Betreten von Gebieten oder Dungeons mit noch übermächtigen Gegnern aber gewarnt.

Gratis, aber nicht umsonst

Das zentrale Spielelement und sozusagen die Karotte, die dauernd vor meiner Nase baumelt, ist wie in vielen Free-to-Play-Spielen aber das ständige Sammeln und Aufrüsten der verschiedenen Charaktere. Um neue Helden freizuschalten, muss ich hier ein Gebetsritual vollziehen, das entweder erspielbare, oder aber im In-Game-Shop gegen echtes Geld käufliche Ressourcen verbraucht.

Und außerdem, das ist der Knackpunkt, braucht es auch Glück: Nach dem japanischen Wort für Spielautomaten, bei denen man in kleine Kapseln verpacktes Spielzeug gewinnen kann, spricht man vom Gacha-System. Das von analogen und digitalen Sammelkartenspielen bekannte Prinzip bedeutet, dass man, auch nachdem man das Geld eingeworfen hat, noch nicht weiß, was einem der Zufallsgenerator beschert. Das kann eine völlig banale Allerweltsenttäuschung oder aber die ultraseltene und heiß ersehnte Megabelohnung sein.

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Irgendwann wird’s mühsam

Die Wahrscheinlichkeit, beim Drehen dieses Glücksrads einen der späteren, ultrararen Charaktere oder eine solche Waffe zugelost zu bekommen, ist aber in „Genshin Impact“ selbst für Gacha-Genrestandards lächerlich niedrig, und der Grind nach neuen Ressourcen, um es wieder zu versuchen, wird mit zunehmender Spieldauer mühsam. Umso verlockender wird da der schnelle Besuch im In-Game-Shop, um sich mit echtem Geld in Sekundenschnelle ein paar neue Chancen aufs große Glück zu kaufen. Das System funktioniert: Der Sammeltrieb, gepaart mit dem Endorphinkick beim Freispielen einer neuen Figur oder einer tollen Waffe, hat dem kostenlosen Spiel schon in seinem ersten Monat Einnahmen von über 250 Millionen US-Dollar beschert.

Dass „Genshin Impact“ so viel Geld einspielt, heißt aber nicht unbedingt, dass es seine Spielerinnen und Spieler übers Ohr haut oder gar reines „Pay-to-Win“ wäre, also ein Spiel, in dem man nur gegen Bezahlung vorankommt. Im Gegenteil: Das Ausgeben von echtem Geld im Spiel ist wirklich rein optional. Wer mag, kann sich so gut wie alles auch ohne zu bezahlen erspielen, das dauert dann vor allem im späteren Spiel nur bedeutend länger.

Vom Start an kann man in diesem chinesischen Megaseller etwa 30, 40 Stunden lang fast vergessen, dass man eben nicht in einem „normalen“ Spiel unterwegs ist. Das ist auch Teil des Erfolgskonzepts: Wer erst so spät auf Granit beißt, ist gewillt, für die erlebten schönen Stunden doch noch Geld hinzulegen, damit das Abenteuer nicht aufhört.

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Dann lieber doch ein echtes Zelda

Trotzdem: Vor allem für jüngere Spielerinnen und Spieler ist die Verknüpfung eines sehr soliden Action-Rollenspiels mit Free-to-Play-Mechaniken nicht unproblematisch, denn diese sind letztlich doch ziemlich eng mit den psychologischen Mechanismen des echten Glücksspiels verwandt. Nicht umsonst ist das Thema Lootboxen und Glücksspielmechaniken in Videospielen weltweit im Fokus der Gesetzgebung.

„Genshin Impact“, entwickelt und vertrieben von miHoyo, ist für Windows, PS4, iOS und Android erschienen.

Gerade Kinder und Jugendliche, die vom Style des Games besonders angetan sind, wären zum Beispiel mit einem „echten“ Zelda besser beraten. Das kostet zwar etwas, ist aber nicht von Grund auf dafür designt, über psychologische Suchtmechanismen und absichtliche Frustration Geld zu machen.

Erwachsene Spielerinnen und Spieler, die mit der Herausforderung eines Gacha-Games umgehen können und/oder auch nichts dagegen haben, irgendwann doch Geld ausgeben zu wollen, werden von „Genshin Impact“ verhältnismäßig lange gut unterhalten. Mit der Klasse eines „Breath of the Wild“ kann es aber auch abseits seines Geschäftsmodells nirgends mithalten.

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