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Modern Monetary Theory: Umstritten und gehypt

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Modern Monetary Theory: Umstritten und gehypt

In den letzten Jahren ist die Modern Monetary Theory immer populärer geworden. Bei den Ökonom*innen gehen die Meinungen dazu stark auseinander.

Von Felix Diewald

In der modernen Geldtheorien, so heißt die MMT auf Deutsch, spielen Staatsschulden – vereinfacht gesagt – keine wirkliche Rolle mehr. Der Staat kann einfach Geld drucken bis Vollbeschäftigung herrscht. Gerade jetzt, in Zeiten von Rekordverschuldung durch die Corona-Krise, ein verlockender Gedanke. „MMT ist eine Theorie, die unser Geldsystem neu erklärt und unser Verständnis von Geld und Krediten auf den Kopf stellt“, sagt Oliver Picek, Chefökonom beim linken Thinktank Momentum Institut. In der Vergangenheit, erklärt Picek, habe die Regel gegolten, dass Staaten nicht mehr ausgeben sollten, als sie einnehmen – also ein ausgeglichenes Budget bräuchten. Bei der Modern Monetary Theory gelte dies nicht mehr. Denn die Staaten würden jenes Geld, das sie später ausgeben, zunächst ja selbst erzeugen. „Die ‚Wir können uns etwas nicht leisten‘-Ausrede gilt nicht mehr, etwa bei der Bekämpfung der Klimakrise oder von Arbeitslosigkeit“, sagt Picek. „Wenn man wie in der MMT weiß, dass der Staat eigentlich genug Geld zur Verfügung hat, und es sich sozusagen aus dem ‚Nichts‘, per Knopfdruck, selbst schaffen kann.“

money printer go brrr

Einfach mehr Geld drucken? Das würde zu einer Hyperinflation führen, bei der die Preise rasend schnell steigen – sagen Kritiker*innen von MMT. Wenn die Wirtschaft intakt sei, bestünde diese Gefahr aber nicht, so Ökonom Picek. „Immer dann, wenn es Unternehmen gibt, die auch mehr produzieren können, wenn mehr Nachfrage da ist, kommt es im Allgemeinen zu keiner Inflation. Wir haben vielmehr eine Ausweitung unserer Produktion und schaffen mehr Arbeitsplätze.“ Als historisches Beispiel nennt Picek den „New Deal“, von 1933 bis 1938 unter US-Präsident Roosevelt. Damals wurden mittels massiver staatlicher Investitionen innerhalb weniger Jahre eine Volkswirtschaft, die in einer tiefen Krise steckte, größtenteils aus dieser herausgebracht – mit Maßnahmen, die denen ähnlich sind, die MMT heute vorschlägt, so Picek. Auch linke Abgeordnete in den USA wie Alexandria Ocasio-Cortez berufen sich auf MMT, wenn sie einen „Green New Deal“ vorschlagen, der eine ökologische Wende bringen soll.

Modern Monetary Theory: Umstritten und gehypt

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Anhänger*innen der Modern Monetary Theory vertreten die Ansicht, dass es - bei einer intakten Wirtschaft - durch vermehrtes Gelddrucken nicht zu einer Hyperinflation kommen würde.

Kritik: MMT sei utopisch und ohne wissenschaftliche Basis

Für Stefan Pichler, Professor für Bank- und Finanzwirtschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien, ist MMT ein politisches Schlagwort, das im US-Wahlkampf einen Hype erlebt hat. „Es ist auf jeden Fall keine ökonomische Theorie im wissenschaftlichen Sinn, von der empirisch überprüfbare Thesen abgeleitet werden können.“ Pichler findet die Forderungen der MMT unrealistisch und utopisch. „Wenn hier gesagt wird, es wäre möglich, Armut, Ungleichheit auf der Welt und den Klimawandel gleichzeitig zu beseitigen und man muss Schulden dafür nie zurückzahlen, weil sich das irgendwie durch ‚Magie‘ ausgeht – wenn mir das jemand erklären kann, dann wäre ich sofort ein glühender Anhänger.“ Die Wahrheit sei allerdings eine andere. Laut dem Wirtschaftsprofessor sei es nämlich keine theoretische Überlegung, wie viel Schulden ein Land machen könne. Sondern eine sehr praktische: „Wenn jene, die einen Überschuss machen und Geld und Güter borgen, dies nicht mehr tun, weil man selbst nicht mehr kreditwürdig ist, dann ist es vorbei mit dem Schulden machen.“ Viele Länder, die in der Vergangenheit zu hohe Schulden anhäuften, hätten bitter erfahren müssen, was es bedeute, kein neues Geld am Finanzmarkt mehr aufnehmen zu können, da die Kreditwürdigkeit irgendwann fehlte.

Oliver Picek vom Momentum Institut sieht das anders. Das Geldsystem würde bereits so funktionieren, wie es die moderne Geldtheorie beschreibt, sagt er. Zentralbanken und in der Folge auch die Banken könnten das Geld schon jetzt aus dem „Nichts“ erschaffen. Picek: „Das muss nicht vorfinanziert werden, die Banken brauchen nicht unbedingt Einlagen bevor sie einen Kredit vergeben können, genauso wenig die Zentralbank.“

WU-Professor Stefan Pichler hält nichts davon, dass sich Staaten gemäß dem zentralen Gedanken der MMT ohne Limit verschulden: „Dass man unendlich Schulden macht, Staatsaugaben damit refinanziert und das keine negativen Auswirkungen in der Zukunft hat – das funktioniert ganz sicher nicht.“

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