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Diana Köhle beim Tagebuch-Slam

Anna Konrath

Buch

„Verliebt (später nicht mehr)“: Das zweite Tagebuch-Slam-Buch

Die Tagebuch-Slam Organisatorin Diana Köhle legt den zweiten Band ihrer erfolgreichen Veranstaltungsreihe vor. Große Geheimnisse von einst unterhalten sehr gut.

Von Zita Bereuter

19.03.1991
Liebes Tagebuch!
Ich hatte dich total vergessen. Entschuldige. Heute ist mir Molly (Hamster) hinuntergefallen und sie hat so gequietscht. Bitte drück mir die Daumen, dass sie nicht tot ist. BITTE! Ich habe nur die eine Bitte. Erfülle sie mir.

Irene R. (11 Jahre, Niederösterreich)

Cover von "Verliebt", hrsg. v. Diana Köhle

Holzbaum Verlag

Diana Köhle (Hg): Verliebt (später nicht mehr) - Das beste aus 7 Jahren Tagebuch Slam. Holzbaum Verlag.

Diana Köhle über Tagebücher und Tagebuch-Slams

Die meisten Inhalte von Tagebüchern sollen explizit geheim sein. Jahre später aber werden manche laut auf Bühnen vorgelesen - und sind extrem lustig. In Österreich hat man diese Tagebuch-Slams Diana Köhle zu verdanken. Was als private Vorleserei in ihrem Freundeskreis begonnen hat, ist seit 2013 zu einem landesweiten Bühnenerfolg geworden. 471 Teilnehmer*innen haben mittlerweile bei 208 Tagebuch-Slams aus ihren Tagebüchern vorgelesen.

Vor drei Jahren erschien das erste Best-Of-Buch: „Wir haben nämlich beide eine Zahnspange, aber er nur oben“. Jetzt hat Diana Köhle nachgelegt: „Verliebt (später nicht mehr) - Das Beste aus 7 Jahren Tagebuch Slam“. Der Titel ist wie schon im ersten Band ein Tagebucheintrag von Diana Köhle: „Am 03.03.1991 mit 11 Jahren habe ich meinen 1. Liebesbrief in mein Tagebuch Minnie Maus eingeklebt und eben besagten Satz drauf geschrieben.“

13 Autor*innen waren bereits im 1. Buch vertreten, 70 sind neu, erzählt Diana Köhle: „Das ist ein guter Schnitt“. Thematisch zeichnen sich wenige Schwerpunkte ab: Verliebt sein. Das erste Mal. Liebeskummer.

14.02.1985
Jetzt ist alles aus! Ich weiß nicht, wer Schluss gemacht hat. Entweder er oder ich.
Brigitte (13 Jahre, Tirol)

Hinzu kommt die nervige Schule, fiese Geschwister und Eltern, die einem das Leben versauen.

28.06.2004
Hallo Tagebuch!
Morgen fahren wir auf Landschultage nach Bad Ischl. Alle sind schon sehr aufgeregt. Aber ich freue mich schon sehr auf den Urlaub von der Mama. Sie hat mir dich gekauft. Das reicht schon als Beweis, wie peinlich sie ist.
Außerdem hat sie meinen Koffer gepackt und mir eine schirche optische Sonnenbrille gekauft. Nur, weil ich 4 1/2 Dioptrien habe, heißt das nicht, dass ich blind bin, Mama. Werd erwachsen. Die ist so schirch.

David (10 Jahre, Oberösterreich)

Besonders schön ist es, wenn Entwicklungen mitverfolgt werden können, wie etwa die vier Tage auf der Landschulwoche in Bad Ischl mit David.

29.06.2004
Hallo Tagebuch!
Gestern hab ich übrigens die Sonnenbrille gemeint, nicht die Mama mit dem schirch sein. Aber egal. Habe die Sonnenbrille eh zu Hause vergessen … Upps =)
Wir sind heute mit dem Zug in der Früh nach Bad Ischl gefahren. Eigentlich hätten wir heute um 8 Uhr Turnen gehabt. Aber wir sitzen im Zug.
Das Leben ist schön.

David (10 Jahre, Oberösterreich)

30.06.2004
OH MEIN GOTT!!!!!!!!! MAMA HAT MIR DIE OPTISCHE SONNENBRILLE
NACHGEBRACHT!!!!!!!

David (10 Jahre, Oberösterreich)

01.07.2004
Hallo Tagebuch! Guten Morgen!
Entschuldige für meine Wut gestern. Ich weiß einfach nicht, was ich machen soll. Mama hat in der Nacht da geschlafen und heute geht sie mit Wandern und ins Freibad. Es macht mir mit ihr einfach mindestens 72% weniger Spaß und ich will eigentlich heim. Zum Papa.

David (10 Jahre, Oberösterreich)

01.07.2004
Guten Abend!
So schlimm war es dann gar nicht. Hab immer mindestens 10 Meter Abstand zur Mama gehalten und im Freibad hat sie uns ein Eis gekauft.
Jetzt bin ich aber schon froh, dass sie wieder weg ist. Einmal noch schlafen, dann fahren wir auch wieder nach Hause.
Jetzt gibt es aber noch einen bunten Abend und wir spielen Starmania. Berichte morgen.

David (10 Jahre, Oberösterreich)

Tagebucheinträge von 1952-2017

Während das 1. Tagebuch-Slam Buch nach verschiedenen Kategorien gegliedert war, hat Diana Köhle den zweiten Band chronologisch geordnet. „Wie ein Tagebuch eben ist. Außerdem finde ich es cool, dass der 1. Eintrag von 1952 ist und wir dann eine Zeitreise bis 2017 machen.“ Im ersten Eintrag wid im Wohnzimmer ein Photoatelier aufgebaut – „größten Stils“ - und mit Blitzlichtpulver hantiert, im Letzten kämpft man mit der schwülen Luft in Surinam und heuchelt Desinteresse.

Vor jedem neuen Jahrzehnt wird die damalige Stimmung umrissen: von typischen Eissorten, Accessoires und Spielsachen zu den Hits, historischen Ereignissen oder Promis in dem Jahrzehnt. Nur die 2000er-Jahre werden nicht mehr weiter unterteilt.

Diese Tagebucheinträge können durchaus als Zeitdokument gelesen werden. Vom Verschlafen der Mondlandung zur Sonnenfinsternis.

10.08.1999
Morgen ist Sonnenfinsternis. Ich hoffe, dass die Sonne scheint.
Irene (7 Jahre, Steiermark)

Das Tagebuch rächt sich

Im Vorwort schreibt Diana Köhle: „Handlungen und Personen auf den folgenden Seiten sind NICHT erfunden. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlich existierenden Personen ist beabsichtigt und KEIN Zufall. Ich traue mich sogar zu behaupten, dass einige mit ihren Beiträgen in diesem Buch eine noch offene Rechnung beglichen haben.“ Sie selbst hat definitiv im Tagebuch abgerechnet. Und ist damit wohl nicht allein „Einige Teilnehmer*innen erzählen mir nach ihrem Auftritt ihre Geschichten und da war schon einiges dabei. Es kam auch schon vor, dass der ‚Verflossene‘ im Publikum war, bewusst eingeladen wurde, das würde ich auch als Abrechnung bezeichnen.“

Diana Köhle beim Tagebuch-Slam

Anna Konrath

Das Tagebuch lügt

Diana Köhles Lieblingseintrag ist ein Fake-Eintrag. 1979 beschreibt die 15-jährige Ursula ziemlich genau ihr „Erstes Mal“. „Dabei war sie zu diesem Zeitpunkt noch ungeküsst und hat alles nur für ihren kleinen, neugierigen Bruder Peter erfunden. Großartige Idee und bisher in dieser Form einzigartig.“ Tagebücher werden also nicht zwingend für sich selbst geschrieben. Diana Köhle aber schreibt seit sieben Jahren täglich und empfiehlt die Fünf-Jahrestagebücher. „Berufskrankheit sozusagen. Längere Einträge habe ich aber nicht geschrieben, weil so viel ist ja nicht passiert im Lockdown. Aber in ein paar Jahren ist es bestimmt interessant, weil man vergisst ja immer viel zu schnell, was war und vor allem, wie es einem mit dieser Ausnahmesituation erging.“

Das Tagebuch lebt weiter

Man kann also selbst Tagebuch schreiben. Oder diese Tagebuchsammlung lesen. Oder irgendwann das eigene Tagebuch bei einem der Tagebuch-Slams vortragen. Termine finden sich auf liebestagebuch.at. Oder auch die Beziehung zum Tagebuch beenden.

11.05.2012
Ich mache heute Schluss mit dir. Jede Beziehung beruht auf Geben und Nehmen und du nimmst nur. Du redest nie zurück, gibst mir nie Rat.
Deshalb liebes Tagebuch. Es ist aus. Wir haben uns voneinander entfernt, unsere Leben entwickeln sich unterschiedlich weiter. Du bist und bleibst Papier und ich bin und bleibe Mensch. Unvereinbar diese Liebesbeziehung.
Wie hört sich das an?
Kann ich mit Vali so Schluss machen?

Tanja (19 Jahre, Oberösterreich)

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