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„Kreuzzug gegen LGBTQI-Personen“

Ähnlich wie in vielen Gebieten Polens, gibt es jetzt auch in Ungarn eine Kleinstadt, die „LGBTQI-Propaganda“ verboten hat, obwohl niemand genau weiß was „LGBTQI-Propaganda“ ist. Gleichzeitig arbeitet die ungarische Regierung auch auf Verfassungsebene an neuen anti-LGBTQI Gesetzen. Der Aktivist Tamás Dombos spricht von einem „Kreuzzug gegen LGBTQI Personen“.

Von David Riegler

Die ungarische Kleinstadt „Nagykáta“ hat als erste Region im Land ein Verbot von „LGBTQI-Propaganda“ beschlossen, wie es die Regionalpolitiker*innen nennen. Ein ähnliches Gesetz gibt es schon in über 50 Gemeinden in Polen, die sich die Selbstbezeichnung „LGBTQI-freie Zone“ gegeben haben.

Ein Märchenbuch mit queeren Charakteren

Auslöser für die Diskussion um die sogenannte „LGBT-Propaganda“ war das Märchenbuch „Meseország mindenkié“ („Das Wunderland gehört allen“), das von der ungarischen Organisation „Labrisz Lesbian Association“ veröffentlicht wurde. Es enthält mehrere queere Hauptfiguren, was vielen konservativen Politiker*innen sauer aufgestoßen ist. Sie bezeichnen das Buch als Bedrohung für Kinder. Konservative Aktivist*innen haben eine Online-Petition gestartet, die unter anderem fordert, die Verwendung des Buches in Kindergärten zu verbieten, teilweise mit Erfolg.

Einige Gemeinden und Städte sind dieser Aufforderung gefolgt und haben das Buch in den Kindergärten verboten. Die Kleinstadt „Nagykáta“, nur 50 Kilometer östlich von Budapest, ging noch einen Schritt weiter und hat ein generelles Verbot von „LGBTQI-Propaganda“ beschlossen. Doch was genau dieser Begriff umfasst, ist unklar, sagt der Aktivist Tamás Dombos von der LGBTQI-Organisation „Háttér Society“: “ A same-sex couple holding hands on the street could be considered homosexual propaganda, so of course the fear is that this will completely silence anyone from engaging in a positive or even neutral discussion of issues of sexuality.”

LGBTQI-feindliche Verfassung

LGBTQI-Aktivist*innen und NGOs befürchten, dass sich diese Verordnung auf viele Gebiete Ungarns ausbreiten könnte und damit jede Form von LGBTQI-Aktivismus oder Aktionen gegen Diskriminierung unmöglich machen könnte. Organisationen wie „Háttér Society“ haben angekündigt, rechtlich dagegen vorzugehen, doch dieser Prozess könnte durch mehrere LGBTQI-feindliche Verfassungsänderungen, die derzeit von der ungarischen Regierung vorbereitet werden, erschwert werden.

„Die Mutter eine Frau ist und der Vater ein Mann“, soll es bald im ungarischen Grundgesetz heißen, wenn es nach der Justizministerin Judit Varga geht. Das soll homosexuellen Paaren das Recht auf Familie und Adoption auf Verfassungsebene verbieten. Bisher war es zumindest möglich, als Einzelperson zu adoptieren. Außerdem soll festgelegt werden, dass das Geschlecht eines Menschen bei der Geburt bestimmt wird und nicht mehr geändert werden kann, was sich gezielt gegen Transgender- und Intersex-Personen richtet. „A difficulty is that now the plan is to amend the constitution. That might serve as a constitutional basis for the ban of LGBT-Propaganda on a local level”, sagt Tamás Dombos.

Schließung der Gleichstellungsbehörde

Eine wichtige Institution im Kampf gegen Diskriminierung war bisher die ungarische Gleichstellungsbehörde, die es seit 2005 gibt. Die Behörde hat mehrere Fälle von Diskriminierung festgestellt und im April offen die Regierung kritisiert, aufgrund der Pläne, nur mehr das Geburtsgeschlecht anzuerkennen. Die ungarische Regierung will diese Behörde nun schließen und ihre Aufgaben an den „Commissioner for Fundamental Rights“ Ákos Kozma übergeben, der früher an einer Katholischen Universität unterrichtet hat und als regierungstreu gilt.

Viele der Ungarischen LGBTQI-feindlichen Gesetze wurden auch von József Szájer mitverfasst, der seit 2004 für Viktor Orbáns Partei Fidesz im EU-Parlament sitzt und Ende November bei einer Sex-Party in den Räumlichkeiten über einer Brüsseler Schwulenbar teilgenommen hat, während Belgien im Lockdown war. Szájer ist zurückgetreten,die Regierung schweigt zu dem Vorfall und die LGBTQI-feindlichen Gesetzesvorschläge werden mit hoher Wahrscheinlichkeit umgesetzt.

Kaum Sanktionen aber scharfe Kritik aus der EU

Kritik an den Vorhaben und den Gesetzen gegen die „LGBTQI-Propaganda“ kommt vor allem aus westlichen Staaten und aus der EU. Mit Sanktionen war die EU bisher zurückhalten, auch im Fall Polen, wo es schon seit mehreren Monaten LGBTQI-feindliche Regionalgesetze gibt. Doch die Entwicklung wird scharf kritisiert, zum Beispiel von der Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen: „LGBTQI-freie Zonen haben keinen Platz in unserer Union.“

Der Aktivist Tamás Dombos bezeichnet die Geschehnisse als „Crusade against LGBTQI-people“. Dass die ungarische Regierung mitten in der Coronavirus-Pandemie gleich an mehreren LGBTQI-feindlichen Gesetzen arbeitet, ist für ihn ein Ablenkungsmanöver auf Kosten queerer Menschen: „The country is in huge economic and health difficulties and it is easy to draw away the attention by saying, we are saving your children from LGBTQI-people.”

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