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Marienambulanz

Radio FM4 / Pauline Binder

„Die Epidemie betrifft jeden“

Menschen, die nicht Deutsch sprechen, scheitern an der Gesundheitshotline 1450. Menschen ohne gültige Aufenthaltsgenehmigung fürchten sich vor dem Krankenhaus. Die Marienambulanz in Graz leistet seit dem Frühjahr Vorsorge gegen die Ausbreitung des Corona-Virus.

Von Maria Motter

Die Ärztin Eva Czermak eilt den Gang entlang und klebt ein Hinweisschild auf die WC-Türe. Das WC darf jetzt nicht benutzt werden, zuvor war ein Patient Corona-positiv getestet worden. In der Marienambulanz in der Grazer Kleistgasse finden Menschen ohne Krankenversicherung und jene, die es einfach schwerer haben als andere im Leben und auch kaum Zugang zum regulären öffentlichen Gesundheitssystem finden, medizinische Erst- und Grundversorgung.

„Wir haben immer offen gehabt, während des ersten Lockdowns und des zweiten. Oft sprechen unsere Patient*innen nicht Deutsch, deshalb funktioniert es nicht mit telefonischer Abklärung“, sagt Czermak, die über die Newsletter internationaler Fachportale über neueste Covid-19-Erkenntnisse informiert ist.

Patient*innen, die fürchten, mit dem Coronavirus infiziert zu sein, müssen separat von anderen Patient*innen warten. Schon im März kamen die Menschen alleine, wagten nicht einmal, eine Begleitperson für die Übersetzungen mitzubringen wie sie das zuvor bei Arztterminen machten.

Seit dem Frühling können Patient*innen PCR-Tests in der Marienambulanz machen. Denn die Ambulanz gehört zum Sentinel-Netzwerk der Universität Wien und ist damit eine von rund 200 Praxen und Ambulatorien in Österreich, die statistisch das Infektionsgeschehen erfassen. „Wir können auch jemanden testen, der nur ein bisschen Halskratzen hat“, sagt Eva Czermak, die Leiterin der Marienambulanz. „Nur die Postwege ins und vom Labor in Wien sind ein Nachteil, die Wege können Verzögerungen mit sich bringen. Darum machen wir gleich auch einen Schnelltest.“

Marienambulanz Graz

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Die Tests sind ein Kostenpunkt im Budget, der klarerweise im Vorjahr noch nicht vorherzusehen war. Während niedergelassene Allgemeinmediziner*innen die Tests über die Kassen abrechnen können, darf die Marienambulanz das nicht, weil sie als Ambulatorium gilt. Sie muss mit einer Finanzierung auskommen, die seit einem knappen Jahrzehnt seitens der öffentlichen Fördergeber nicht erhöht worden ist, während die Ausgaben für das Haus und das Personal allein durch Anpassungen jährlich steigen. Die meisten arbeiten ehrenamtlich mit.

Lücken des österreichischen Gesundheitssystems

Licht ins Dunkel für die Marienambulanz:

  • Weitere Informationen über die Arbeit der Marienambulanz gibt es hier
  • Zur Spendenmöglichkeit für FM4 Licht ins Dunkel für die Marienambulanz geht es hier
  • Ähnliche Initiativen wie Medcare in Innsbruck oder das Neunerhaus in Wien stellen wir hier vor

Dabei leistet die Marienambulanz mit ihrer raschen und unbürokratischen medizinischen Versorgung für Menschen ohne Versicherung sowie für Versicherte, die die Schwelle in das bestehende Gesundheitssystem nicht überwinden können, für die Bevölkerung allgemein so viel. Das wird gerade angesichts der Gefahr des Coronavirus so deutlich: In aller Bürger*innen Interesse ist ein Zugang zu Aufklärung und Schutzmöglichkeiten wichtig.

Aber bei der offiziellen Gesundheitshotline 1450 wird nur Deutsch gesprochen. In der Marienambulanz gibt es ein Team ehrenamtlicher Übersetzer*innen, im Grunde sind alle außer einer Übersetzerin ehrenamtlich dabei, und sie haben die Informationsblätter des Roten Kreuz zu Quarantäne aus dem Deutschen in mehrere Sprachen übersetzt.

„Wir betreuen auch Menschen, die nicht ordentlich Deutsch können. Wenn jetzt so jemand Corona-positiv ist und in Quarantäne muss, bekommt er das zwar von uns ordentlich erklärt, aber die Sache mit dem Contact Tracing und mit dem Nachanrufen wird dann schon schwierig, weil sie können keine Antworten geben, weil sie ja den Amtsarzt nicht verstehen. Wie soll das gehen?“, fragt die Ärztin Karin Fuchs. Sie ist seit der Gründung der Marienambulanz vor 21 Jahren im Team. Sie weiß, dass viele Patient*innen in schlechten Wohnverhältnissen leben müssen. „Wenn sie jetzt zuhause bleiben müssen und nicht raus können, die Wohnung unter Umständen nicht ordentlich geheizt ist, wird das Leben für sie noch schwieriger.“

Marienambulanz Graz

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Ohne Versicherung ist die Krankenhausrechnung zu bezahlen

Testet jemand positiv auf Corona, bedeutet das auch bei einem milden Krankheitsverlauf viel Leid und Schwierigkeiten.

Es gibt Patient*innen, die nicht wahrhaben wollen, dass sie positiv sind, weil sie Behörden als Bedrohung erleben und damit auch einen Krankenhausaufenthalt unbedingt vermeiden wollen. Covid-19 ist eine meldepflichtige Krankheit. Ein positiver Corona-Test bringt Personen, die sich ohne gültige Aufenthaltsberechtigung in Österreich befinden, in arge Bedrängnis. Der Stress ist hoch.

Als Eva Czermak kürzlich einem Menschen mitteilen musste, dass auch der PCR-Test - wie der Schnelltest - positiv ist, war die Person schon im Spital. Die Rechnung wird diesem kranken Menschen zugestellt. Denn im Fall einer Covid-19-Erkrankung wird die Spitalsleistung - anders, als bei anderen meldepflichtigen Krankheiten - nicht vom Staat übernommen.

Der US-amerikanische Gesundheitspfleger Derrick Smith hörte einen Patienten unmittelbar vor dessen Tod noch fragen: „Who’s going to pay for it?“.

Marienambulanz Graz

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In Graz, im Team der Marienambulanz, ist Christa Ortner, eine der ehrenamtlichen Ärzt*innen im Rückblick auf das Frühjahr erstaunt, welche Ausmaß die Pandemie hierzulande annahm. Bis zu ihrer Pensionierung hat die Allgemeinmedizinerin in einem Spital gearbeitet und war auch für die Krankenhaus-Hygiene zuständig. Das medizinische Personal der Marienambulanz arbeitet seit Monaten mit Schutzausrüstung und mit FFP2-Masken.

Denn die Firma Saubermacher hat der Marienambulanz zu Beginn der Pandemie in Österreich 500 Stück FFP2-Masken gespendet. Das Team der Marienambulanz geht sorgsam um und spart, indem die Masken sterilisiert und mehrfach verwendet werden - auch jetzt noch. Jetzt bezieht die Marienambulanz die Masken von der Caritas, zu der sie gehört.

Dringend gesucht: Psychiater, Psychiaterin

FFP2-Masken sind eine Schutzmöglichkeit, um einer Infektion mit Covid-19 vorzubeugen. Doch hoch gehen auch die Fälle häuslicher Gewalt, bemerkte die Hebamme und Psychotherapeutin Nomawethu Kelbitsch in den letzten Lockdown-Wochen fest. Besonders Frauen brauchen Unterstützung und die Marienambulanz sucht dringend nach einer Psychiaterin oder einem Psychiater, der die Sprechstunden übernehmen kann. Der Bedarf ist groß und Nomawethu Kelbitsch kommt mit ihren dienstäglichen Stunden mit einer Gynäkologin bei allem Bemühen einfach nicht dazu, auch nur längere Gespräche führen zu können.

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