Europas Kraftprobe mit den Internetkonzernen
Von Erich Moechel
Die Eröffnung des Kartellverfahrens gegen Facebook am Mittwoch in den USA kam nicht ganz unerwartet. Politiker beider Parteien im US-Kongress hatten seit Monaten darauf gedrängt, die wachsende Marktmacht des Internetkonzerns zu beschränken. Dass die Klageschrift jedoch die Zerschlagung des Konzerns fordern würde, kam überraschend, ebenso wie der große Konsens in der gespaltenen Politiklandschaft der USA. 46 Bundestaaten schlossen sich der Kartellklage des Justizministeriums an.
Am Dienstag könnte es weitere Überraschungen geben, denn da werden EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager und Digitalkommissar Thierry Breton voraussichtlich die Regulative „Digital Services Act“ und „Digital Markets Act“ präsentieren. Letzterer zielt direkt auf die Quasimonopole der großen Fünf, nämlich auf Google, Amazon, Facebook, Apple und Microsoft ab. Seit Freitag sind einige der geplanten Maßnahmen bereits durchgesickert.
APA/AFP/POOL/Kenzo TRIBOUILLARD
Wie gegen die Konzerne vorgegangen wird
Die nonchalante Reaktion Facebooks - a la „bezahlen wir aus der Portokasse“ - auf die Strafe von fünf Milliarden Dollar für die Ermöglichung von Wahlmanіpulation hatte 2019 den Bogen offenbar überspannt.
Die neuen Auflagen sollen ab einer Schwelle von 45 Millionen Benutzern in Europa greifen, offenbar orientiert sich dieser Schwellwert an 10 Prozent der EU-Gesamtbevölkerung. Von den Benutzerzahlen kommt außer den großen Fünf wohl nur - und eher theoretisch - der schwedische Streaminganbieter Spotify in Betracht. Durch die schiere Größe ihrer Benutzerzahlen hätten diese US-Konzerne überprortionalen, nämlich systemischen Einfluss erlangt, zitiert die „Financial Times“ aus einem internen Dokument der Kommission. Die Höchststrafen für wiederholte und systematische Verstöße werden von vier - wie in der Datenschutzgrundverordnung - nun auf sechs Prozent des Jahresumsatzes angehoben. Welche Auflagen genau geplant sind und wie sie im Detail aussehen werden ist zwar noch nicht bekannt, wohin sie zielen werden, ist jedoch an einer Hand abzuzählen.
Bei Facebook wird in erster Linie das Vorgehen gegen Desinformationskampagnen, verdeckte politische Einflussnahmen bzw. Mobbing auf dem Prüfstand stehen. Dass Amazon zu seinen Partnerfirmen auf der eigenen Plattform mit eigenen Produktlinien in Konkurrenz tritt, sollte ebenfalls im Zentrum der Regulation stehen, wie das Duopol Google/Apple bei Smartphone-Plattformen und den zugehörigen App-Stores. Den europäischen Markt für Cloud-Computing teilen sich wiederum Amazon und Microsoft, ebenso wie Facebook, das 90% Prozent des Messaging-Markts kontrolliert.
Public Domain/Facebook
Nach flotten Sprüchen nun Defensive
Ende 2018 waren die Kurse der erfolgsverwöhnten Großen Fünf erstmals signifikant eingebrochen
In den USA holen Mark Zuckerberg nun seine flotten Sprüche von früher ein. Sein Sager „Aufkaufen ist besser als Wettbewerb“ aus dem Jahr 2008 findet sich bereits auf Seite zwei der Anklageschrift und taucht mehrfach im Kontext wieder auf. In Folge werden in der Anklageschrift die Übernahmen von Instagram und WhatsApp geschildert, jeweils garniert mit Zitaten von Mark Zuckerberg, in denen diese Start-Ups als Bedrohung für die Monopolstellung von Facebook dargestellt werden. „Wir können wahrscheinlich jedes Start-Up, das in Wettbewerb mit uns steht kaufen“, wird Zuckerberg nach dem Kauf von Instagram 2012 in der Klageschrift zitiert.
Bei Facebook hat man mittlerweile voll auf Defensive umgestellt, die unter dem Slogan „Building to Compete“ läuft. Hier stellt sich der Konzern als nur ein Wettbewerber unter vielen dar, die Rückabwicklung der Übernahmen von Instagram und WhatsApp wird wörtlich als „Geschichtsrevisionismus“ abgetan. Im Übrigen sei eine solche „Revision“ auch technisch kaum mehr möglich, denn beide Netzwerke seien tief іn die Facebook-Infrastruktur integriert. Das trifft nach Ansicht des ehemaligen Sicherheitschefs von Faceboook allenfalls auf Instagram zu, sagte Alex Stamos zur „FT“. Mehrere andere Nachrichtenprotale wie The Verge berichten, dass diese Tiefenintegration vor allem aus dem Jahr 2019 datiert, als sich ein hartes Vorgehen der FTC gegen Facebook bereits abgezeichnet hatte.
Public Domain/Facebook
Wie es jetzt weitergeht
Facebook hatte erst lange nach der Wahl Trumps zum Präsidenten damit begonnen, gegen Desinformationskampagnen vorzugehen
Whatsapp ist allein schon wegen seiner durchgehenden Ende-zu-Ende-Verschlüsselung (E2E) strukturell weitaus weniger integriert, anders als bei Instagram würde eine Abspaltung auch nicht in den Quartalsbilanzen sichtbar werden, denn WhatsApp trägt - in Ermangelung solcher - noch so gut wie keine Umsätze zu den Facebook-Bilanzen bei. In Europa ist man deutlicher zurückhaltender als die FTC, die sich mit dieser Klage weit aus dem digitalen Fenster lehnt. EU-Kommissar Breton und seine Kollegin Vestager hatten lediglich nicht ausgeschlossen, dass auch am Ende der EU-Maßnahmen eine Anordnung zur Zerschlagung des Konzerns stehen könnte.
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Publiziert am 13.12.2020