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Demonstration gegen die UG-Novelle

Melissa Erhardt

UG-Novelle: Studierende und Lehrende in der Defensive

Noch bis zum 15. Jänner läuft die Begutachtung der Universitätsgesetz-Novelle 2021. Neben Kritik der Studierenden wird nun auch die Kritik vonseiten der Lektor*innen und Projektmitarbeiter*innen an den Unis lauter.

Von Melissa Erhardt

Stefan Ossmann ist Vorstandsmitglied der IG LektorInnen und WissensarbeiterInnen und forscht an der Universität Wien zu Polyamorie. Es ist ein Forschungsprojekt, das am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte angesiedelt ist. Würde die neue UG-Novelle in Kraft treten, könnte er die Ergebnisse seiner Forschung nicht mehr an Studierende weitergeben. Denn er müsste sich zwischen Forschung und Lehre entscheiden – und würde sich womöglich für Ersteres entscheiden. Geht es nach der UG-Novelle, könnten Lektor*innen nämlich nur noch sechs Jahre an der Uni lehren, Forschende könnten acht Jahre bleiben. Dann ist Schluss - außer sie werden „entfristet“.

Das ewige Drama der Lektor*innen

Denn Projektmitarbeiter*innen und Lektor*innen haben an den Universitäten in Österreich vorwiegend befristete Verträge. An der Uni Wien sind beispielweise nur 60 Lektor*innen unbefristet angestellt – von insgesamt 1800 Lektor*innen. Sie stemmen aber oft die Hälfte des Lehrbetriebs - am Institut für Theater-, Film und Medienwissenschaft an der Uni Wien werden gar 67 Prozent der Lehre durch Lektor*innen bestritten. Ursprünglich sollten Lektor*innen nur an Universitäten geholt werden, um von deren außeruniversitären Berufspraxis zu profitieren. Daraus wurde aber ein prekäres Organisationsmodell.

Angestellt wird man als Lektor*in für Lehraufträge für jeweils ein Semester, insgesamt kann man bis zu sechs Jahre (bei Vollzeit-Anstellung) bzw. acht Jahre (bei Teilzeit-Anstellung) an derselben Uni bleiben. Dann setzt man ein Jahr aus, um schließlich wieder sechs oder acht Jahre an der Uni zu bleiben. Das geht immer so weiter. Diese Regelung war nie optimal, ist aber längst zur Praxis geworden.

Regelverschärfung? So what!

Mit der neuen Regelung soll sich das nun eben ändern. Nach einer einmaligen Befristung folgt ein lebenslängliches Berufsverbot an der Universität. Das Bildungsministerium erhofft sich dadurch, dass die Universitäten ihre Lektor*innen „entfristen“, also mehr unbefristete Verträge ausstellen. Thomas König, Experte für Hochschul-Governance am Institut für Höhere Studien in Wien, sieht darin aber, wie viele andere, eine Wunschvorstellung: „Der Gesetzgeber spielt ein Spiel: Ich verschärf’ die Bedingungen für dich, liebe Uni. Du verlierst diese eine Fachkraft für immer, wenn du ihr nicht eine unbefristete Stelle gibst. Das Problem wird sein, dass die Unis möglicherweise sagen werden: So what. Es gibt eh genügend andere, die bereit sind, einzuspringen.“

Politische Eingriffe oder notwendige Reformen?

Aber auch andere brisante Änderungen sollen laut der Universitätsgesetz-Novelle vorgenommen werden. So fürchten viele, darunter Studierende, Professor*innen und wissenschaftliches Personal, einen Demokratieabbau an den Universitäten. Für die erste Wiederwahl eines Rektors / einer Rektorin, soll künftig die Zustimmung des Unirats genügen, der Senat soll demnach nur mehr angehört werden. Zur Erklärung: Der Senat besteht aus Studierenden, Professor*innen und dem sogenannten „Mittelbau“, also wissenschaftlichem Personal der Unis. Die Mitglieder des Universitätsrates werden zur Hälfte von der Bundesregierung vorgeschlagen, die andere Hälfte kommt vom Unisenat.

Außerdem soll das Rektorat „Kompetenzen zur Erlassung von Richtlinien für die einheitliche, strukturelle Ausgestaltung von Curricula“ bekommen. Bisher konnten nur die Unisenate Curricula erlassen und verändern, das Rektorat hatte lediglich die Möglichkeit einer Stellungnahme. Nun bekommt das Rektorat Kompetenzen, das auf „formale Änderungen“ beschränkt ist. Die inhaltliche Kompetenzen bleiben aber beim Senat.

Während Thomas König vermutet, dass es sich dabei um Eingriffe zur Entlastung von Studienplänen handelt, sehen Kritiker*innen, wie Vertreter*innen der Studierenden-Bewegungen Uns Reicht’s und Bildung Brennt hier eine stärkere Einflussnahme durch Politik und Wirtschaft: „Das ist sehr kritisch zu sehen. Die Universität muss eine politisch unabhängige Institution bleiben und die Freiheit der Lehre bewahrt werden, insofern, dass die Ausgestaltung von Curricula und die Ernennung eines Rektors / einer Rektorin der Universität obliegt und nicht der Regierung oder dem Ministerium“.

Die Frage ist aber: Warum das Ganze?

The Entrepreneurial University

Mit dem Unigesetz 2002 hat eine Umstrukturierung an den österreichischen Universitäten stattgefunden. „Unter den Schlagwörtern ‚New Public Management, und ‚Entrepreneurial University‘ hat sich die Universität zu einer Institution entwickelt, in der ein starkes Rektorat Management-Fähigkeiten ausüben soll“, erklärt Thomas König. Seitdem wurde dieses Gesetz immer wieder nachjustiert, große Änderungen gab es aber nicht mehr. Größere Reformen scheitern laut König oft auch an einem heterogenen Senat: „Aus Sicht des Gesetzgebers hat man sich wahrscheinlich gedacht: Wir müssen das potenzielle Veto vom Senat etwas aufweichen, weil sonst die Reformbestrebungen der Rektoren zu schnell zunichte gemacht werden.“

Auf diese unternehmerische Logik bzw. Wettbewerbslogik könnte man auch die ECTS-Pflicht zurückführen. Denn schaut man sich die Studierenden Sozialerhebung 2019 an, liegt Österreich im europäischen Vergleich bei der Zeit, die Studierende für ihr Studium aufwenden, im hinteren Bereich. Dafür arbeiten Studierende in Österreich neben dem Studium überdurchschnittlich viel. Studierende, die sehr wenig Zeit für ihr Studium aufwenden (durchschnittlich 4,4 Stunden pro Woche) und sich demnach mit der 24 ECTS Hürde schwertun würden, machen rund elf Prozent der österreichischen Studierenden aus. Die Gründe, warum sie so wenig arbeiten, liegen aber klar auf dem Tisch: Sie sind meist älter und haben später zu studieren begonnen, haben oft Betreuungspflichten und arbeiten im Schnitt 20 Stunden in der Woche. Die ECTS-Pflicht würde vielen von ihnen die Chance auf ein, wenn auch langsames, Studium verbauen. Zwar könnte man 6 ECTS pro Semester vielleicht auch neben dem Job schaffen, umgerechnet sind das, je nach Studium, zwischen ein und drei Vorlesungen oder ein bis zwei Seminare.

Aber darum geht es den Kritiker*innen gar nicht so sehr, wie eine Sprecherin von Uns Reichts im FM4-Interview erklärt: „Es geht vor allem auch darum, dass solche Beschlüsse die Tür dafür öffnen, dass diese ECTS Zahl in Zukunft erhöht werden kann. Der Fuß ist in der Tür und bei einer neuen Novelle werden die 24 ECTS dann in drei, und später in zwei Semester verlangt werden. Das erhöht den Druck auf die Studierenden immer weiter. Die Schwelle zur universitären Bildung sollte erniedrigt werden, nicht erhöht“.

Redebereitschaft

Was die Personalfragen und Kettenvertragsregelungen an den Unis angeht, gibt sich die grüne Nationalratsabgeordnete und Mitverfasserin der Novelle Eva Blimlinger in einem Kommentar für den Standard gesprächsbereit: „Ja, vielleicht ist der Vorschlag noch nicht fertig entwickelt– dazu gibt es das parlamentarische Begutachtungsverfahren, und ich bitte um Vorschläge in den Stellungnahmen bis 15. Jänner.“

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