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© Dave Kulesza. Aus: ›Accidentally Wes Anderson‹ / 2020 DuMont Buchverlag

Buch

Ein schöner Zufall: „Accidentally Wes Anderson“

Besondere Orte - wie aus einem Wes-Anderson-Film. Ein fantastisches Buch für fantastische Reisen.

Von Zita Bereuter

Es gibt diese Bilder, die unmittelbar ein besonderes Gefühl auslösen: irgendwo im Bereich zwischen Nostalgie, Melancholie, Sentimentalität, Romantik, Verträumtheit und Kitsch mit einem besonderen Humor und Zauber und einem Fuß im Verschrobenen, im Schrulligen, im Nerdtum. Sie zeigen kindliche Natürlichkeit, Neugierde und Offenheit. Sie strotzen vor Freude und vermitteln doch auch Einsamkeit und Verletzlichkeit. Im Deutschen fehlt die richtige Bezeichnung für diesen besonderen Gefühlmix.

Wer einen Film von Wes Anderson gesehen hat, findet den optimalen Überbegriff oder gar Inbegriff dafür: „Wes Anderson“. Der Drehbuchautor, Regisseur und Produzent vermittelt diese Gefühle in allen seinen fantastischen Filmen. Seine Formen, Farben und Muster erkennt man sofort. Sein Hang zu einer perfekten Symmetrie, seine Vorliebe für Sammlungen, sein bevorzugter Blick von oben. Und seine unbedingte Liebe zur Mittelachse.

Ob „Grand Budapest Hotel“, „Moonrise Kingdom“ oder „Die Royal Tenenbaums“. Ob “Isle Of Dogs”, „Die Tiefseetaucher“ oder „Der fantastische Mr. Fox“, um nur ein paar zu nennen, Wes Anderson liefert diese speziellen Bilder in einer Dichte und einem Reichtum, dass man mit Filmbeginn eintaucht in dieses Gefühl und nach dem Auftauchen nur mehr eines will: sich mit dem süßen Wasser taufen lassen und Mitglied in der Church of Wes Anderson werden.

Accidentally Wes Anderson. Herbst 2020
Wally Koval fotografiert eine Buehne. Man sieht ihn von hinten

accidentallywesanderson

Wally Koval.
Accidentally Wes Anderson. Herbst 2020

Wes Anderson hat eine eigene visuelle Sprache oder Sichtweise geprägt, die man weltweit finden kann. Das ist dem Wes-Anderson-Fan Wally Koval und seiner Frau Amanda auf ihren Reisen aufgefallen. Wieder und wieder haben sie Bilder fotografiert, die aus einem Wes-Anderson-Film stammen könnten. 2017 haben sie in ihrer Wohnung in Brooklyn das Projekt „Accidentally Wes Anderson (AWA)“ gestartet. Ein simpler Insta-Hashtag. Mittlerweile haben über eine Million Menschen Fotos eingeschickt. Wally Koval kuratiert und veröffentlicht mit Hilfe seiner Frau die Einsendungen.

Das Ganze ist zu einem Reiseprojekt geworden mit Magazinen, T-Shirts, Prints und diversem Merch. Und zu einem Buch, das es nun auch in deutscher Übersetzung gibt: „Accidentally Wes Anderson - Orte wie aus ‚Grand Budapest Hotel‘ und anderen Filmen des Regisseurs“.

Ein Buch wie eine Wundertüte

Von einem gelben Aussichtsfernrohr am Meer in Italien bis zur U-Bahn-Station Coventgarden in London führt diese fantastische Reise. Österreich ist gleich vier Mal vertreten, mit dem AKW Zwentendorf, der Albertina, dem Hotel Sacher und dem Amalienbad. Jedes Bild ist erfreulich gut recherchiert und beschrieben. Oder weiß jeder, woher der Name Amalienbad* kommt? Eben.

Hotel Belvedere, Furkapass, Buchcover

›Accidentally Wes Anderson‹ / 2020 DuMont Buchverlag

Wally Koval: Accidentally Wes Anderson (Deutsche Ausgabe). Orte wie aus „Grand Budapest Hotel“ und anderen Filmen des Regisseurs. übersetzt von Mia Pfahl, erschienen bei Dumont 2020.

Vorzugsweise sieht man Leuchttürme, Seilbahnen, Hotels, Schwimmbäder, Aussichtsfernrohre, Bahnhöfe oder komplexe Schalttafeln. Das schaut dann immer etwas arrangiert aus, als hätte eben noch ein Bühnenbildner was gerichtet oder eben Wes Anderson noch eine Regieanweisung gegeben.

Keines dieser Bilder kennt man aus Wes-Anderson-Filmen, aber alle hätten das Zeug dazu. Alle könnten in künftigen Filmen vorkommen. Wes Anderson schreibt in dem zugegeben sehr knappen Vorwort, dass er die Orte alle gerne mal besuchen würde. So geht’s einem auch beim Betrachten der über 200 Fotos. Derzeit können Reisen fast nur im Kopf stattfinden. Für diese eignet sich dieses Buch aber bestens.

* Nach Amalie Pölzer, der ersten Frau im Wiener Gemeinderat.

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