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Der Roman "Hyäne von Benjamin von Wyl ist eine Erlösungsfantasie

Meinrad Schade

buch

„Hyäne“ - Eine Erlösungsfantasie mit märchenhaftem Ende

Im zweiten Roman des Schweizer Schriftstellers und Journalisten Benjamin von Wyl folgen wir drei Menschen, die eigentlich wenig verbindet. Doch dann bietet ein großer Konzern einen attraktiven Ausweg aus der bedrückenden Gegenwart.

Von Felix Diewald

Der namenlose Erzähler ist ein ziemlicher Unsympathler. Mit Social Media und motivierenden Online-Vorträgen ist er als Unternehmer bekannt geworden. Seitdem jettet er von Stadt zu Stadt, von Unternehmen zu Unternehmen, um dort irgendwas zu pitchen und zu verkaufen. Sein Ego ist dabei ebenso groß wie der Zynismus, mit dem er auf die Welt hinabblickt. Richtig entspannen kann er standesgemäß nur noch im Flugzeug, dabei schaut er sich Videos von sich selbst an.

Du nimmst dein Mobile vom Tisch und streichelst es mit den Butterfingern. Du öffnest die TED-Talks-Homepage. Auf langen Flügen schaust du dir gerne Aufnahmen deiner alten Lectures an. Das gibt dir Sicherheit. Selbstbeobachtung, Selbstvergewisserung, Selbsterinnerung. Es ist fast Therapie, deinem Ich von vergangenem Weihnachten zuzugucken.

Legosteine in der Quinoa-Packung

Konterkariert wird diese Welt durch die der zweiten Erzählerin. Sie hat ihr Studium abgebrochen und jobbt seither prekär im Callcenter oder an der Garderobe. Finanzielle Abhängigkeit und unregelmäßige Arbeitszeiten machen ihr zu schaffen: Jede Nacht sitzt sie einsam am Fenster und beobachtet den Security im Kaufhaus gegenüber ihrer Wohnung. Dazwischen folgen wir immer wieder dem abenteuerlichen Gedankenstrom einer dritten Person: Einer Aktivistin, die nachts in Geschäfte einbricht und auf subtile Weise das Sortiment unterwandert.

Du ertränkst Barbies aus der Spielwarenabteilung in Mammutpackungen mit Hummus. Reis, Couscous, Quinoa. Quinoa hell und Quinoa dunkel, Reis langweilig und Reis nicht langweilig. Du versteckst immer nur einen 2-Elemente-Legostein in jedem Fass im Selbstbedienungsgang. Du hoffst, die schaffen es bis in den Topf. In den Topf irgendeiner bornierten Gymnasiallehrer-Familie!

Der Roman "Hyäne von Benjamin von Wyl ist eine Erlösungsfantasie

Meinrad Schade

„Hyäne - eine Erlösungsfantasie“ von Benjamin von Wyl ist im September bei Lector Books erschienen.

Du du du

Die drei Figuren erzählen abwechselnd, der Autor springt ständig hin und her. Mal sind es Beschreibungen, Beobachtungen, mal Erinnerungen, Träume oder Fantasien. In der Form sind es aber immer Selbstgespräche mit einem „Du“. Diese Erzählweise wird über die knapp 200 Seiten konsequent durchgezogen und ist sehr ungewohnt, weil man als Leser*in ständig direkt angesprochen wird. Du. Du. Du. Das ist aber auch wichtig, denn „Hyäne“ ist ein ziemlich anspruchsvolles Buch mit vielen Wendungen. Ohne den Sog, den das „Du“ und der atemlose Schreibstil auslösen, würde man schnell aussteigen.

So aber kommt man zu einem packenden Finale, in dem die drei unterschiedlichen Welten aufeinanderprallen und all die zuvor beliebig wirkenden Details auf einmal Sinn ergeben. Dass die Story schließlich Richtung Märchen abdriftet, ist okay. Das Buch ist ja nicht umsonst im Untertitel als „Erlösungsfantasie“ ausgewiesen. Benjamin Von Wyl hat mit „Hyäne“ eine fordernde, aber gelungene Gesellschaftsanalyse vorgelegt, und nebenbei wird klar, dass die unterschiedlichsten Menschen doch recht ähnliche Sehnsüchte haben können.

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