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Christoph Berger-Schauer am Mountainbike

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interview

2020 war ein gutes Jahr für Mountainbiken in Österreich

Corona treibt noch mehr Menschen zum Mountainbiken, die dafür immer mehr legale Angebote vorfinden. Damit das noch schneller geht, sind endlich die ersten Schritte zu einer Interessensvertretung der Mountainbiker*innen gesetzt worden. Lines-Chefredakteur Christoph Berger-Schauer über ein ereignisreiches Mountainbikejahr 2020.

Von Simon Welebil

Während viele Betriebe in diesem Jahr aufgrund der Corona-Maßnahmen in große Schwierigkeiten gekommen sind, sind Radhändler*innen immer leiser geworden, wenn es um ihre Umsatzzahlen gegangen ist, weil sie nicht als Corona-Profiteure dastehen wollten. Der Radhandel ist 2020 eine der wenigen Branchen gewesen, die große Gewinne geschrieben haben. Und dabei hätte es auch noch mehr sein können, doch bereits im Frühjahr waren viele Radgeschäfte ausverkauft, sodass sie ihre Kund*innen auf die nächste Saison vertrösten mussten.

Die Maßnahmen zur Bekämpfung des Corona-Virus, vor allem der erste Lockdown, haben die Menschen in die Natur getrieben, einen Teil von ihnen aufs Mountainbike. Diese neuen Mountainbiker*innen haben den Nutzungsdruck, der auf den wenigen legalen Mountainbikestrecken schon herrscht, einerseits noch verstärkt, andererseits haben sie aber auch von den Möglichkeiten profitieren können, die in den letzten Jahren entstanden sind, etwa die Trailarea Göttweig oder die Wexl Trails. Dass in Bezug auf Infrastruktur aber noch einiges zu tun ist, ist klar. Um das zu erleichtern sind die ersten Schritte zu einer echten Interessensvertretung der Mountainbiker*innen gesetzt worden, der Mountainbike Initiative Austria (MIA).

Christoph Berger-Schauer ist Chefredakteur des österreichischen Mountainbikemagazins Lines, das er vor sechs Jahren mitgegründet hat, und das sich zum Sprachrohr der Szene entwickelt hat. Er hat all die Entwicklungen des Mountainbikesports in diesem Jahr beobachtet und begleitet.

Christoph Berger-Schauer am Mountainbike

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Christoph Berger-Schauer

Simon Welebil: Christoph, wenn du es generell bewerten müsstest – Was war 2020 für ein Jahr für das Mountainbiken?

Christoph Berger-Schauer: So paradox es klingt, aber fürs Mountainbiken und fürs Radfahren im Generellen war 2020 einfach ein Wahnsinnsjahr. Es hat schon in den letzten Jahren ziemlich einen Radboom gegeben, wie man auch an den Verkaufszahlen sehen konnte und an Leuten, die das ausüben. Mountainbiken ist immer breiter geworden. Aber 2020 war der absolute Boom.

Ich glaube bei vielen Outdoor-Sportarten hat man gemerkt, dass vor allem während des ersten Lockdowns die Leute ihre Zeit draußen in der Natur verbracht haben. Beim Mountainbiken war das nichts anders, auch extrem verstärkt. Bei manchen hat man gesehen, okay das Material stammt aus den 90er-Jahren. Dann hat es extrem viele Leute gegeben, die zum ersten Mal zum Mountainbiken gekommen sind, die sich neues Material gekauft haben.

Ich würde sagen, Corona hat Mountainbiken eher weniger eingeschränkt, weil der erste Lockdown vor allem für die Tourismusdestinationen nicht so tragisch war, und eher nur die Skisaison betroffen hat als die Bikesaison.

Und als der zweite Lockdown gekommen ist, war eigentlich die Radlsaison vor allem im Westen schon wieder vorbei. Also die Bikesaison ist quasi ziemlich coronafrei oder mit kleinen Einschränkungen über die Bühne gegangen.

2020 ist eine große Anzahl neuer Strecke und Bike-Möglichkeiten entstanden. Was hat sich da im Vergleich zu den Jahren davor getan?

Infrastuktur ist ja immer ein bisschen was Längerfristigeres. Also ich glaub die Initialzündung für die Bikestrecken und -projekte, die man jetzt 2020 fertiggestellt hat, die ist schon davor gefallen. Aber nichtsdestotrotz ist einfach extrem viel passiert, weil die Regionen, die Kommunen usw. gemerkt haben, dass sie was tun müssen.

Das Lines Mag fasst regelmäßig die Streckenupdates in Österreich zusammen.

Sie müssen dem Ansturm jetzt auch gerecht werden. Es ist gar nicht so leicht, dass man da mittlerweile noch den Überblick behält, weil es passiert einfach in jedem Fleckerl von Österreich was und das ist extrem schön zu sehen. Als Highlight täte ich aber herausheben, dass etliche neue Pumptracks entstanden sind, die vor allem für die Jugend der wichtigste Einstieg sind zum Radfahren sind, weil dort können sie sich ziemlich kreativ und ziemlich gefahrlos austoben und da sind neue Projekt entstanden, unter anderem in Wien und ein riesengroßes Projekt in Lebring in der Südsteiermark.

Wen siehst du da als Treiber für die Infrastruktur in Österreich, bei der es ja ein West/Ost-Gefälle gibt?

Treiber sind entweder touristische Institutionen, also Tourismusverbände, Bergbahnen etc., das ist vor allem im Westen, wo die klassischen Skigebiete gerade umrüsten. Sölden z.B. ist der Vorreiter in dem Bereich oder Saalbach-Hinterglemm bzw. Leogang. Die rüsten quasi neben Wintersport den Sommersport auf und treiben da die ganze Mountainbike-Infrastuktur voran.

Im Osten sind es meistens Gemeinden, Kommunen bzw. engagierte Privatpersonen, die dort die Entwicklung anstoßen. Ich weiß jetzt z.B. vom Pumptrack in Lebring, dass es da einen sehr Motivierten gegeben hat, mit genug Weitblick, dass man in Lebring so ein großes Pumptrack Projekt machen kann. Der hat dann eben alle Vertreter der Kommunalpolitik überzeugt und dann ist so ein Projekt wirklich ins Rollen gekommen.

Mittlerweile gibt’s aber auch im Osten - vor allem Niederösterreich steht da schwer am Gas - auch touristische Projekte, die jetzt nicht nur „Goodwill“ und nicht nur für die „Comunity“ sind, aber auch eben gute Projekte. Da sind die Wexl Trails natürlich auch Vorreiter, die einfach so ein allumfassendes Angebot für die ganze Familie geschaffen haben. Also ich würde es nicht streng in West und Ost teilen, sondern es gibt sowohl kommerzielle, touristische Projekte und es gibt einfach auch ehrenamtliche Infrastrukturprojekte für die Leute vor Ort.

The flowtrail at St Corona

Andreas Putz

Wexl Trails

Damit es noch mehr Projekte werden, hat 2020 auch die Mountainbike Initiative Austria zusammengefunden. Was genau ist da am Entstehen?

Die Mountainbikeinitiative Austria, die MIA, ist eine Interessensvertretung, und wie du richtig gesagt hast, sie ist noch im Entstehen. Eine Interessensvertretung für Mountainbiker in Österreich, weil wir vor allem im ersten Lockdown gemerkt haben, dass Mountainbiken in Österreich überhaupt keine Stimme, überhaupt keine Sprache, überhaupt keine Lobby hat. Und als Lines-Magazin haben wir gemeinsam mit Der Standard Tretlager-Live-Talks gemacht, mehrere Runden im Online-Format. Und in den Runden hat sich immer mehr herauskristallisiert, dass sich die Mountainbiker in Österreich einfach viel besser organisieren müssen.

Man muss leider sagen, dass Mountainbiker ein bisschen Chaoten sind und wenig organisiert. Da ist selten wer in Vereinen und das gehört einfach geändert, wenn wir als Mountainbiker irgendwo mitbedacht werden wollen, wenn man irgendwo mitreden will. Seien es jetzt Projekte, seien es Gesetze, seien es Regeln, wie man den Wald benützt und so weiter.

Einfach, dass man Standpunkte von Mountenbikern vertreten kann, braucht man irgendwie eine Interessensvertretung. Und das soll eben dann die Mountainbike Initiative Austria sein.

Mountainbiken ist ja kein sehr neuer Sport, warum hat es so lange gedauert, bis eine Interessensvertretung entsteht?

Ich kann ehrlich gesagt nicht genau sagen, warum das so lange gedauert hat. Ich glaub in Österreich, wo wir ja ein restriktives Gesetz haben, wo Mountainbiken ja quasi überall verboten ist, außer man hat explizit eine freigegebene Strecke, stecken viele den Kopf schon in den Sand, bevor man überhaupt irgendwas anpackt. Viele sagen dann lieber, bevor ich mir das antue, dass ich mich da für eine Verbesserung einsetze, gehe ich lieber radlfahren.

Was versprichst du dir von der MIA?

Ich versuche für mich persönlich, die Erwartungen nicht zu hoch zu setzen. Wir haben als Allererstes eigentlich das Ziel, dass wir das Wissen rund ums Mountainbiken in Österreich bündeln, weil es gibt mittlerweile schon einige Studien und Arbeiten dazu. Wenn man sagt, man will jetzt wissen ob legale Mountainbike-Angebote funktionieren? Also ob ich z.B. Mountainbiker kanalisieren kann, dass ich Mountainbiker quasi von mehreren illegalen Strecken wegbringen und zu einer attraktiven legalen Strecken hinbringen kann? Die allerwenigsten Mountainbiker in Österreich wissen, dass es dazu schon eine Studie gibt und diese Studie würde aber denen Mountainbikern, die jetzt in ihrer Region ein neues Angebot anfangen möchten, extrem helfen. Aber die wissen halt nichts davon.

Wir bündeln jetzt einmal das ganze Wissen, das es schon zum zum Mountainbiken in Österreich gibt und werden so eine Art Wiki machen, auf das dann jeder zugreifen kann: Vereine, regionale Initiativen, etc. Die müssen dann nicht mehr bei Null anfangen, sondern die können in das Wiki reinschauen und sehen: Aha, das und das und das muss ich erledigen, damit ich z.B. einen Trail freigegeben kriegen kann.

Wir erhoffen uns einfach davon, dass man damit viel mehr Projekten flächendeckend in Österreich zum Start verhelfen kann. Weil ich glaube, viele kommen gar nicht vom Fleck, weil sie einfach gar nicht wissen, wo sie anfangen sollen.

Das heißt die MIA bereitet eher Wissen für Community-Projekte auf?

Also wir wollen natürlich mit den großen touristischen Projekten auch zusammenarbeiten, das ist ganz klar, weil die sind irgendwie eine Speerspitze, die zeigen auch auf, was gehen kann und liefern oft gutes Datenmaterial. Wenn wissen will, wieviele Leute sind z.B. an einem Wochenende irgendwo unterwegs, dann haben die großen Gebiete meistens Zählstellen und da kriegt man recht gute Daten. Aber primär ist es halt doch für die Community, dass in der Community mehr weitergehen kann.

2020 hat es wegen den Corona-Einschränkungen fast keine Bike-Events und Wettkämpfe in Österreich gegeben. Siehst du darin Auswirkungen auf die Szene?

Also uns (das Lines Mag., Anm.) hat es schon wehgetan, dass Events und Festivals nicht stattgefunden haben. Einfach weil man dort den direkten Kontakt zu den Leuten und zur Community hat, etwa am Glemmride-Festival, wo wir immer lustige Side-Events machen oder am Argus Bike Festival am Wiener Rathausplatz.

Man hat auch gemerkt dass bei den Rennfahrern ein bisschen die Luft oder die Motivation draußen war, weil man einfach nie gewusst hat, wann die Rennsaison so wirklich startet. Da fehlt dann beim Trainieren ein Ziel. Abgesehen von dem muss ich aber sagen, dass Österreich extrem glücklich durch die Pandemie gegangen ist, was jetzt die Bike-Events betrifft: Als eines der wenigen Länder haben wir eine nationale Rennserie gehabt mit drei Rennen. Wir hatten das Crankworx in Innsbruck als internationalen Event, das „Not a Race“ in Schladming, quasi zu Saisonbeginn, das war überhaupt das erste internationale Kräftemessen. Und im Oktober den krönenden Abschluss, die Mountainbike-Triple-WM in Leogang. Ich glaube, Österreich ist wirklich extrem glücklich ausgestiegen, was die beiden Events angeht.

Maxi Mayer fährt Pumptrack beim Crankworx 2020

Simon Welebil

Maxi Mayer im Pumptrack beim Crankworx Festival in Innsbruck.

Und auch extrem erfolgreich bei den Rennen. Vali Höll und David Trummer haben den Crankworx-Downhill gewonnen, David sich danach auch noch WM-Silber geholt. Was können diese Erfolge in der Zukunft bewirken?

Also ich glaube, dass sie schon ein brutaler Motivator und solche Vorbilder im Sport heute extrem wichtig sind. Es ist schwer, wenn eine Nation keine Fahrer hat, die vorne mit dabei sind. Umso leichter tu ich mir, wenn ich Leute habe, zu denen ich auf aufschauen kann, von denen ich vielleicht lernen kann.

Und das Gute in dem Bike-Bereich, das gilt für die Cross-Country-Fahrer genauso wie für die Downhill-Fahrer: Auch wenn die ganz vorne mitfahren sind sie noch extrem nahbare Personen geblieben. Also auch wenn ich jetzt ein junger Nachwuchssportler bin und Vali Höll um ein paar Tipps frage, dann wird mir die Tipps geben. Also die ist weder abgehoben oder verschlossen, sondern die möchte, glaube ich, auch jeden Nachwuchssportler noch absolut helfen und das finde ich ganz wichtig und ganz cool.

Traust dir du schon einen Ausblick auf das nächste Jahr zu? In welche Richtung geht’s für’s Mountainbiken?

Ich sehe die Entwicklung nach wie vor positiv. Ich glaube, das war jetzt keine einmalige Geschichte, weil eben die Entwicklung vor dem Coronajahr ja schon recht gut war.

Was jetzt Events und so anbelangt, sind sag’ ich mal ab Mai alle sehr motiviert. Da erwartet man sich halbwegs eine Entspannung von der Corona-Situation, so wie es heuer ab dem Frühjahr auch war.

Für alle, die sich ein neues Mountainbike kaufen möchten, glaube ich, wird es ein richtig zaches Jahr. Weil mit den Verfügbarkeiten - es waren heuer so ziemlich alle Bikeshops ausverkauft, egal was man für ein Rad haben wollte - schaut es nächstes Jahr leider, glaube ich, nicht wirklich besser aus.

Mein heißer Tipp, wenn man sich noch ein Rad zulegen will: Entweder jetzt gleich zum Händler schauen oder schon mal anfangen, dass man so ein bisschen den Gebrauchtmarkt durchforstet, dass was Passendes kommt.

Und was sind persönlichen Highlights für das nächste Jahr

Bei den Events, bei denen wir heuer Mitveranstalter waren, also z.B. bei der Austrian Gravity Series, war immer so leicht Bauchweh dabei, ob alles gut geht, ob sich alle auch brav an die Regeln halten und so weiter. Auch bei unseren Community-Ausfahrten. Also ich hoffe, dass man das nächstes Jahr ein bisschen entspannter angehen kann und ich freue mich schon wieder auf die nächste Radlsaison.

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