Im Minigame „Schlenderman“ flüchten wir vor dem Bundeskanzler
Der dritte Lockdown steht vor der Tür, Weihnachten und Neujahr werden sozial sehr eingeschränkt stattfinden und mittlerweile macht sich bei uns allen Erschöpfung breit, was die medizinisch notwendigen Maßnahmen betrifft.
Da kommt es gerade recht, wenn wir zwischendurch über unsere aktuelle Situation auch ein bisschen lachen können, und das kann man aktuell mit einem kleinen Comedy-Game. Es heißt „Schlenderman“ – in Anspielung auf die bekannte Horrorfigur - und man läuft dabei am Abend und in der Nacht durch eine Stadt und sammelt Klopapierrollen. Aber Vorsicht, dass einen der Bundeskanzler nicht dabei erwischt!
Quick and dirty
„Schlenderman“ ist ein klug gestaltetes Projekt: Inhaltlich ist es minimal, die abgegrenzte Spielewelt besteht aus simplen Copypaste-Häusern und -Bäumen. Musik und Sound sind ebenfalls einfach gehalten und erfüllen ihren Zweck. Der Comedy-Faktor steht und fällt mit den Voicelines des jungen Stimmenimitators Daniel Sattler, der aktuell mit Gernot Kulis auf Ö3 sehr lustige Regierungsparodien umsetzt.
Der Kopf hinter „Schlenderman“ ist der 28-jährige Filmakademiestudent, Cutter und Comedy-Autor Moritz Stieber. Im Interview mit FM4 outet er sich als jemand, der sich mit Gameskultur so gut wie gar nicht auskennt - was sich zwei Sätze später aber zumindest teilweise als Koketterie entpuppt, wenn von ihm zwei andere österreichische Politsatire-Games als Referenzen genannt werden: „1700“ und „Sowjet-Unterzögersdorf“.
Mascha Peleshko
Horrorkanzler mit freundlich-bestimmten Floskeln
Ursprünglich, erzählt Moritz, hätte er „seinen“ Kanzler wesentlich abstrusere, aggressivere Sätze sprechen lassen wollen, die prinzipiell zum Horrorsetting gepasst hätten. Der Schwenk auf eine weitgehend normale Wortwahl, die der tatsächliche Bundeskanzler Kurz so oder so ähnlich wirklich in den Mund nehmen könnte, war aber bald getan: Es wurde klar, dass dieser Kontrast gut zum Unterhaltungsfaktor beitragen würde.
Erschienen ist „Schlenderman“ unter dem Label Team Turbo - ein österreichisches Comedy-Trio, bei dem Moritz Stieber beteiligt ist. Das Projekt hat als trashige „Tom Turbo“-Parodie begonnen und sich im Laufe der Jahre in einen vielseitigen Youtube-Unterhaltungskanal gewandelt, bei dem sich Holzhammer-Humor, Pippikaka-Witze und legale Drogen mit scharfer Beobachtungsgabe, popkulturellen Assoziationsfeuerwerken und jeder Menge Medienkompetenz paaren. Das erinnert nicht zufällig an die umstrittene und oft missverstandene Wohlstandsverwahrlosungsserie „DAVE“ (Kollege Jan Hestmann hat berichtet), für die Moritz Stiebl passenderweise der Cutter ist. Übrigens sehen er und einer seiner Team Turbo-Kollegen „DAVE“-Darsteller David Scheid sich auch etwas ähnlich.
Team Turbo
Lockdown auf lustig
„Schlenderman“ ist frei für Windows und MacOS auf Itch verfügbar.
Obwohl „Schlenderman“ nicht mehr als ein gelungenes Gimmick ist, das man nach zwei, drei Runden wieder weglegt, wird man in dieser kurzen Zeit gut unterhalten. Moritz würde es nicht zugeben, doch der dritte Lockdown kommt seinem Spiel in Sachen öffentlicher Aufmerksamkeit jetzt natürlich entgegen: Nun wird das sehr zeitsensitive Spiel zumindest noch bis zum Beginn des neuen Jahres relevant bleiben; danach dann - in unserer aller Sinne - aber hoffentlich nicht mehr.
FM4 Schlenderkammerl-Show
Heute (Mittwoch, 23. Dezember) besucht uns Moritz Stieber um circa 18 Uhr in der FM4 Spielekammerl-Show und plaudert mit Chris Stipkovits und Robert Glashüttner über sein Game. Gestreamt wird live von 17 bis 21 Uhr auf twitch.tv/radio_fm4.
Publiziert am 04.01.2021