Maya Angelou: „Was für immer mir gehört“
Von Sophie Liebhart
Mit „Ich weiß, dass der gefangene Vogel singt“ ist Maya Angelou 1980 als Autorin berühmt geworden. Darin erzählt die Schwarze Autorin und Ikone der Bürgerrechtsbewegung von ihrer Kindheit im amerikanischen Süden. In „Was für immer mir gehört“ setzt sie ihre Geschichte quasi fort.
NICHOLAS KAMM / AFP
Bewegtes Leben in der Nachkriegszeit
Es ist das Jahr 1945, der Zweite Weltkrieg ist gerade zu Ende gegangen. Maya Angelou 17 Jahre alt und hat einen unehelichen Sohn. Sie fühlt sich für ihn verantwortlich und schon sehr erwachsen. Also bricht sie die Schule ab und wird Köchin für kreolische Küche, obwohl sie nicht wirklich kochen kann. Aber sie überzeugt durch ihr Engagement und ihren starken Glauben an sich selbst. In dem kreolischen Lokal lernt sie auch einen jungen Mann kennen.
„Obwohl ich mir viel auf meine Feinfühligkeit einbildete, habe ich nie gemerkt, wann eine große Liebesgeschichte ihren Anfang nahm. Irgendwelche Barrikaden verstopfen meinen Verstand, und für gewöhnlich liege ich auf dem Rücken und betrachte die Zimmerdecke, bevor mir dämmert, dass dies der Mann ist, von dem ich bei meinem spätnächtlichen Fummeln geträumt hatte.“
Die vermeintliche Stabilität hält aber nicht lange an. Die Liebesbeziehung geht in die Brüche und Maya Angelou zieht nach San Diego. Dort arbeitet sie in einem Nachtclub und wird über Umwege zur „Madam“ - zur Leiterin eines Bordells mit zwei lesbischen Frauen. Man ahnt es schon fast: Auch diesen Job macht sie nicht allzu lange.
Suhrkamp Verlag
„Ich war wieder in einer Lage, die mir so vertraut war wie mein eigener Stammbaum. Ich war in der Klemme, hatte mich zu weit aus dem Fenster gelehnt, saß in der Patsche, wusste nicht ein noch aus. (...) Den Kopf hielt ich aus Gewohnheit aufrecht, aber die letzte Hoffnung war erledigt. Jeder Ausweg aus dem Labyrinth hatte sich als trügerisch erwiesen. Meine früher so lebhafte Vorstellungskraft konnte ich nicht mehr aufbieten. Mein Mut sank. Leider war mir die Standhaftigkeit nicht wie die Hautfarbe von Natur aus gegeben, sondern musste jeden Morgen wiederbelebt und mühsam eingeübt werden. (...) Zum ersten Mal in meinem Leben saß ich hilflos da und wartete auf die nächste Attacke des Lebens.“
Humor, Ironie und Distanz
Es sind nur zwei Jahre aus Maya Angelous Leben, die sie in „Was wirklich mir gehört“ schildert. Aber es sind zwei sehr turbulente Jahre mit vielen Aufs und Abs.
Maya Angelou beschreibt diese Achterbahnfahrt mit einem scharfen Blick für die Situation der afroamerikanen Bevölkerung in der Nachkriegszeit. Ihre Sprache ist lebendig und bildreich und an vielen Stellen durchaus drastisch. Sie verliert aber nie ihren trockenen Humor und hat oft eine ironische Distanz zu sich selbst. Scheinbar naiv träumt sie von einem liebevollen Mann und behüteten Leben, nur um dann wieder die volle Härte ihrer Lebenswirklichkeit zu zeigen. Genau diese Mischung macht „Was wirklich mir gehört“ zu einem berührenden Dokument über zwei Jahre aus dem Leben von Maya Angelou. In so kurzer Zeit passiert so viel, dass es sich eher wie zehn Lebensjahre anfühlt. Das perfekte Buch für dieses Jahr also.
Publiziert am 30.12.2020