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Deals, Dividenden und Drogen in der Finanzserie „Industry“

Die britisch-amerikanische Serie „Industry“ folgt dem Leben einer Gruppe junger Erwachsener auf ihrem beruflichen Weg in die klassistische Hochfinanz. Das Finanzdrama taucht ein in eine Welt voller Partys, Druck und Exzess.

Von Philipp Emberger

Tagsüber blinken die Monitore im Großraumbüro, nachts flackern die Discolichter. In diesen beiden Welten zu Hause ist eine Gruppe junger Hochschulabsolvent*innen, die einen der begehrten Arbeitsplätze in der fiktiven Londoner Investmentbank „Pierpoint & Co“ ergattern wollen. Dazu müssen sie sich gegen einen Haufen Konkurrent*innen durchsetzen, denn am Ende ihrer Probezeit bleibt nur die Hälfe aller Kandidat*innen über. Der Druck ist da und so beginnt das Spiel um Macht und Geld.

Die Gruppe der Absolvent*innen besteht aus Harper (Myha’la Herrold), die ihren Lebensmittelpunkt von New York nach London verlagert, rich kid Yasmin (Marisa Abela), den beiden Mitbewohnern und früheren Studienkollegen Gus (David Jonsson) und Robert (Harry Lawtey). Ebenfalls zu sehen ist Hari (Nabhaan Rizwan), der sich bereits in der ersten Folge im Büro die Nächte um die Ohren schlägt, sich nur kurze Schlafpausen auf der firmeneigenen Toilette gönnt und die eigene Leistungsfähigkeit mit Tabletten ans Maximum und darüber hinaus pusht. Ein Teufelskreis, der nicht lange gut gehen kann.

Industry

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V.l.n.r. Harry Lawtey, Myha’la Herrold, Marisa Abela, David Jonsson & Nabhaan Rizwan

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Die Aktienkurse sinken und steigen im Sekundentakt, Telefone klingeln, hektisch werden Deals abgewickelt und gutverdienende Männer rufen entweder Befehle oder sexistische Beleidigungen durchs Großraumbüro. Kurz: „Industry“ reproduziert in konzentrierter Form Stereotypen und bietet dabei wenig neue filmische Perspektiven auf die Finanzwelt. Zwar zeigt „Industry“ den knallharten Arbeitsalltag und dabei vor allem den Druck, der auf den Mitarbeiter*innen lastet, vieles davon wurde aber bereits in anderen Filmen und Serien gezeigt.

Industry, Plakat

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„Industry“ ist auf Sky Atlantic sowie auf Sky X und Sky Q auf Abruf zu sehen.

Das stört allerdings nur bedingt, dient das Setting doch sowieso mehr als handlungstechnischer Ausgangspunkt. Die vielen Dialoge über Deals, Aktienkurse oder Immobilienpakete sind für fachfremde Zuseher*innen ohnehin nur bedingt nachvollziehbar und aufgrund der hektischen Kulisse auch nicht immer einfach zu verstehen. Der authentische Einblick in die Brokerwelt geht auf das Konto der beiden Drehbuchautoren Konrad Kay und Mickey Down, beides ehemalige Banker. Entstanden ist die Serie in einer Koproduktion von HBO und BBC. Für die erste Folge hat Girls-Erschafferin Lena Dunham auf dem Regiestuhl Platz genommen.

Viel mehr konzentriert sich „Industry“ seifenopernmäßig auf die Dramen am Arbeitsplatz, die zuvor bereits in „Grey’s Anatomy“ Thema gewesen sind, und zeigt ein von Mobbing verseuchtes Arbeitsumfeld und misogyne Männer. Ein Beispiel ist, wie die junge Berufsanfängerin Yasmin von ihren Kollegen behandelt wird. Ihre Hauptaufgabe ist es, jeden Tag das Mittagessen für sie zu besorgen und sich dabei demütigen zu lassen.

Ästhetisch inszeniert, fehlende Charakterisierung

Das große Manko von „Industry“ ist, dass die Serie es verpasst, die Privilegien der jungen Hochschulabsolvent*innen kritisch zu thematisieren. Robert und Gus sind Absolventen britischer Eliteuniversitäten, Yasmin wohnt mietfrei im großzügig ausgestatteten Keller ihrer Mutter. Als Einzige sticht Harper aus dieser Gruppe heraus. Ihren Weg in die Londoner Finanzwelt hat sie sich mit gefälschten Hochschulzertifikaten (Suits hallo!) gebahnt und als Women of Colour ist sie mit rassistischen Angriffen ihrer Kolleg*innen konfrontiert. Gleichzeitig wird nur bedingt thematisiert, was ihre Motivation ist, sich einen Platz in dieser grausamen Welt, zu der sie sich nie so recht zugehörig fühlt, zu erkämpfen. Die Performance von Myha‘la Herrold als Harper ist auch eine der überzeugendsten in der Serie und lässt die übrigen Charaktere im Vergleich dazu oberflächlich und undifferenziert wirken. Das passt aber vielleicht ganz gut zu der Welt, in der die Figuren angesiedelt sind.

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Yasmin & Robert treffen sich regelmäßig, zufällig, beim Sport.

„Industry“ ist unterhaltsam inszeniert, gibt einen Einblick in eine Welt junger Menschen, die von Macht und dem Streben nach persönlichem Einfluss und Anerkennung getrieben sind. Gleichzeitig braucht die Serie aber auch ihre Zeit, bis die Charaktere Ecken und Kanten bekommen und lässt dabei einiges an Potenzial liegen, bis sie insgesamt an Fahrt aufnimmt. Dazwischen gibt es vor allem eine herausragende Ästhetik und viele Sex- und Drogenszenen zu bestaunen. Aber das gehört ja wohl irgendwie dazu.

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