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Tori Amos im Tonstudio

Tori Amos

Tori Amos’ „Widerstand“ ist die Geschichte einer Songschreiberin

Die US-amerikanische Musikerin Tori Amos hat ein Buch geschrieben, eine erweiterte Autobiografie. Tori Amos blickt darin zurück auf ein erfülltes Künstlerinnenleben, samt aller Schwierigkeiten. Tori Amos schreibt in „Widerstand: Hoffnung, Wandlung und Mut - Die Geschichte einer Songwriterin“ aber auch viel über die Vereinigten Staaten, über Politik und Gesellschaftspolitisches.

Von Eva Umbauer

„Songs sind lebende und atmende Wesen.“ - Tori Amos

Das erste Album von Tori Amos, „Little Earthquakes“, machte die US-Musikerin praktisch über Nacht zum Star. Außergewöhnlicher Piano-Pop, der auch Themen wie Vergewaltigung nicht scheute („Me And A Gun“), ließ Tori - eigentlich Myra Ellen - Amos neben Björk und PJ Harvey zur wohl bedeutendsten Alternative-Musikerin der 1990er Jahre und darüber hinaus werden.

Tori Amos veröffentlichte seither viele Alben und spielte viele, viele Konzerte an vielen Orten der Welt. Jetzt war es an der Zeit zurückzublicken, aber auch zu sagen, dass sich die Welt wieder in eine bessere wandeln wird. Tori Amos glaubt fest daran. Sie glaubt fest daran, dass auch die Kunst dazu beiträgt.

Tori Amos nennt ihr Buch „Widerstand: Hoffnung, Wandlung und Mut“. Der Widerstand von Tori Amos war nie klassischer Widerstand, so spielte Tori etwa nie in einer Punk-Rock-Band.

Für manche ist es, als ob es gerade erst gestern gewesen wäre: Eine junge Frau sitzt schräg zum Musikinstrument gewandt am Konzertflügel, bewegt sich sitzend wie wild, wirft die roten Haare in den Nacken und singt irgendetwas von cornflake girls und von raisin girls, Cornflake-Mädchen und Rosinen-Mädchen. Ein Song wie „Cornflake Girl“ (vom zweiten Album von Tori Amos) wird auch heute noch gern entdeckt von jungen Musikliebhaber*innen, die Tori Amos bisher nicht kannten.

Tori Amos nimmt Dutzende ihrer Songs für ihr Buch her, um anhand von ihnen aus ihrem Leben zu erzählen. So schreibt sie etwa über den Song „Girl“ (aus dem Album „Little Earthquakes“) Folgendes:

Das Mantra von ‚Girl‘ lautet, ich muss mich alleine besitzen, meine eigene Autorität sein. Ich muss für mich selbst ein Zuhause bieten und einen Weg finden, das zu leben, an was ich glaube.

Die deutsche Übersetzung ist, pardon, nicht immer gelungen, etwa auch, weil sie vielleicht so nah wie möglich am Original sein wollte, was aber nicht wirklich aufgeht, abgesehen von sprachlichen Fehlern. Alles in allem, wem es möglich ist, das englischsprachige Original zu lesen, „Resistance: A Songwriter’s Story Of Hope, Change, And Courage“ bietet das volle, ganz eigene Tori-Amos-Erlebnis, samt Esoterischem, das im Englischen weniger anstrengend rüberkommt als im Deutschen, etwa wenn Tori mit ihrer toten Mutter spricht oder den Musen, die uns helfen sollen, Widerstand zu leisten: „Die Aufgabe besteht darin, die Macht der Musen zu erkennen, die stärksten unserer kreativen Impulse, damit wir vielleicht diese aktuelle Krisensituation in eine hoffnungs-, ja verheißungsvolle Zukunft transformieren können.“

Es ist nicht immer einfach Tori Amos in ihrem Buch zu folgen, etwa auch, weil sie ziemlich hin und her springt. Dennoch sollte man sich einlassen auf „Widerstand“ bzw. „Resistance“, weil dieses Buch, eine Art erweiterte Autobiografie einer der charismatischsten Musikerinnen der letzten Jahrzehnte, viel Interessantes, Intelligentes und Weitblickendes bietet.

Tori Amos schreibt über ihre US-Heimat, auch wenn sie die meiste Zeit im südenglischen Cornwall lebt, und trotz viel Kritik steht eine - manchmal etwas zu große? - Portion Patriotismus dabei nicht im Widerspruch dazu. Tori Amos ist jedenfalls sattelfest, was Politik und Fakten betrifft.

So erzählt Tori Amos unter anderem von der Geiselnahme in der US-Botschaft von Teheran Ende der 1970er Jahre oder von den Terroranschlägen von 9/11 oder auch von all den Regierungen - republikanischen und demokratischen -, die sie während ihrer Zeit, als sie in Washington D.C. spielte, erst in Pianobars und als Hotelpianistin und später auf Parteitagspartys. Es sind Anekdoten wie diese, die man regelrecht verschlingt: „Als ich 13 Jahre alt war, einige Monate vor meinem 14. Geburtstag, brachte mich mein Vater nach Georgetown, um mich für einen professionellen Job zu bewerben, bei dem ich Klavier spielen und singen wollte. Mein Vater offenbarte seinen Glauben durch die steife, weiße Halskrause, unter der ein Kreuz am Kragenaufschlag angesteckt war, und ich trug ein Kleid meiner Schwester sowie Plateaustiefel. Gemeinsam stellten wir uns in jedem Restaurant und jeder Bar an der M. Street vor.“

Buchcover mit Grafik: Klavierflügel in Flammen

Hannibal Verlag

„Resistance: A Songwriter’s Story Of Hope, Change, And Courage“ von Tori Amos ist im Mai 2020 bei Atria Books erschienen. Die deutsche Übersetzung von Alan Tepper für den Hannibal Verlag ist im August erschienen: „Widerstand: Hoffnung, Wandlung und Mut - Die Geschichte einer Songwriterin“.

Die junge Tori Amos und ihr Pastorenvater unterwegs, auf Jobsuche - eine Art Freakshow. Eine Schwulenbar lässt Tori Amos schließlich auftreten. Die Pfarrgemeinde des Vaters ist entsetzt, aber er kontert, dass eine Schwulenbar für ein 13-jähriges Mädchen und ihre Musik wohl der sicherste Ort überhaupt ist. Der Pfarrervater, letztlich ein cooler Typ.

Schon im Alter von elf Jahren erfuhr Tori Amos erstmals, was Scheitern bedeutet. Das renommierte Konservatorium, das das „Wunderkind“ Myra Ellen Amos schon im Alter von fünf Jahren aufgenommen hatte, wirft das renitente Kind hinaus. Tori Amos hat erstmals Widerstand geleistet. Es folgen die jahrelangen Auftritte in Bars als Pianistin und Sängerin und das missglückte Soft-Metal-Album unter dem Namen „Y Kant Tori Read“.

Tori Amos kokettiert keinesfalls mit dem Scheitern, erzählt von all der Mühsal in der Musikindustrie: dem Bevormundet-Werden, dem Sexismus, der Allmacht der Plattenfirmen über ihre Künstler*innen, bevor das Internet kam. Aber, so schreibt Tori Amos auch: „Die Auflehnung kann aktiver Natur sein und die Entstehung von etwas Neuem befördern. Du willst nicht mehr länger die Opferrolle spielen. Du willst eine eigene Überzeugung vertreten.“

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