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David Bowie

Katja Lenz / DPA / AFP

Die Großen Zehn: 10 ewige Songs von David Bowie

Vor fünf Jahren verlor die Welt einen ihrer größten Popkünstler überhaupt. Die FM4 Musikredaktion hat zu diesem Anlass zehn absolute Song-Favourites des britischen Popchamäleons ausgewählt.

Von David Pfister und Katharina Seidler

Am 8. Jänner 2016 wurde David Bowie 69 Jahre alt, zwei Tage später verstarb er an den Folgen einer Krebserkrankung. Aus seinem unermesslichen künstlerischen Erbe hat sich die FM4 Musikredaktion intern in hitzigen Diskussionen auf zehn bedeutende Lieblingssongs geeinigt, die stellvertretend für die unzähligen Ideen, Stile und Epochen aus diesem nicht hoch genug einzuschätzenden Künstlerleben stehen.

10. Blackstar

„David Bowie ist nicht gestorben, er ist nur heimgekehrt“, so lautete ein tröstlicher Gedanke, der sich im Jänner 2016 nach der Nachricht vom Tod des möglicherweise größten Pop-Visionärs der Gegenwart im Internet verbreitete. The Man Who Fell To Earth sei zu seinem Stern zurückgeflogen, da war es nur allzu passend, dass Bowie nur zwei Tage vor seinem Ableben, an seinem 69. Geburtstag, nach nur kurzfristiger Vorankündigung sein finales Album „Blackstar“ veröffentlichte. Der Text des Titel- und gleichzeitigen Eröffnungstracks könnte kaum symbolträchtiger sein. In mäandernden Melodien, über stark verschachtelte, vertrackte Ryhthmuskonstruktionen, singt David Bowie im nicht weniger als zehn Minuten langen „★“ von Tod und Erlösung:

Something happened on the day he died
Spirit rose a metre, then stepped aside
Somebody else took his place, and bravely cried
I’m a blackstar

Wer diesen Zeilen nicht gar so viel prophetische Schwere und Bedeutung beimessen will, kann aus „Blackstar“ auch einfach den Tod von Bowies Astronauten Major Tom heraushören, wie es auch die Weltraumbilder im Videoclip suggerieren. Selbst wenn David Bowie nach einer längeren, vor der Welt geheimgehaltenen Krebserkrankung wohl über das Ende nachgedacht haben mag, muss sein letztes Album nicht zwingend als Requiem an sich selbst interpretiert werden, sondern darf sich auch einfach als hochartifizielles, kühles Art-Pop-Album und hermetisches Alterswerk eines bis zuletzt offenen und neugierigen Künstlers in Bowies lange Diskographie einreihen.

9. David Bowie & Queen: „Under Pressure“

Vor allem in den Achtzigern liebte es David Bowie, Duette mit anderen gigantischen Popstars zu singen, Mick Jagger oder Tina Turner etwa. Sicher, weil es auch eine Möglichkeit war, ohne allzu viel Mühe viel Staub aufzuwirbeln.

Seine erfolgreichste Kooperation ist der Song „Under Pressure“ gemeinsam mit der britischen Band Queen. Der Song erschien auf dem Album „Hot Space“ von Queen und wurde im Oktober 1981 als Single ausgekoppelt. Vor allem retrospektiv wurde das Lied einer der größten Erfolge von David Bowie. Das Lied zieht seinen großen Reiz aus der von John Deacon improvisierten Bassline und der stimmlichen Hochzeit von David Bowie und Freddie Mercury.

Wir hören hier zwei satte, eitle und gestresste Vertreter des Achtziger Jet-Set zwischen Kokain-Kater, verpassten Überseeflügen und Sex in Schweizer Villen. Eine perfekte Abbildung eines dekadenten, hedonistischen Zeitgeists, den emotional damals auch das nicht ganz so reiche Fan-Volk mit ihren Stars teilte.

8. „Sound & Vision“

„Sound & Vision“ ist das perfekte Beispiel für David Bowies große Kunst, das Beste aus allen musikalischen Welten zu erkennen, zu klauen und zu einer völlig autarken Vollkommenheit zusammenzukleben. Wir haben hier eine wahrlich erhebende Gitarre wie aus einer Hochglanz-Country-Produktion, die sich mit wohlig warmen Synthesizern vermählt. Klar, reduziert und bedacht. Ein deutlicher Gruß von deutschen Krautrockbands wie Kraftwerk oder La Düsseldorf. Diesem musikalischen Mantra begegnet Bowie noch mit seiner artifiziellen Deutung von Soul. Das Lied atmet eine anmutige, leicht erschöpfte Souveränität.

„Sound & Vision“ erscheint auf dem Album „Low“ im Jahr 1977 und ist Teil der sogenannten „Berlin Trilogie“. Die Berliner Trilogie besteht aus den nacheinander veröffentlichten Studioalben „Low,“ „Heroes“ und „Lodger“, die Bowie mit Brian Eno und Tony Visconti zu einem großen Teil in Berlin erarbeitete. Die Phase ist die absolute kreative Hochzeit von David Bowie.

Das fast instrumentale „Sound & Vision“ wurde von der BBC gerne als Trailer verwendet und erreichte dadurch eine außerordentliche Bekanntheit. In Österreich erreichte es Platz 15 der Hitparade.

7. „Ashes To Ashes“

„Ashes to ashes, funk to funky. We know Major Tom’s a junkie. Strung out in heaven’s high. Hitting an all-time low“.

In dem Lied „Ashes To Ashes“ aus dem Jahr 1980 vom Album „Scary Monsters (And Super Creeps)“ beginnt Bowie erstmals, offensiv seine eigene Kunst selbstreferenziell aufzuarbeiten und weiterzuspinnen. Das Lied ist wohl als Fortsetzung von „Space Oddity“ zu verstehen, seinem ersten Hit aus dem Jahr 1969. Der im Weltraum verschollene Major Tom wird nun zur Metapher für einen Junkie in der Verlorenheit eines Heroinrausches. Eine andere Deutungsmöglichkeit wäre ein zurückgekehrter Astronaut, der vor der weltlichen Unvollkommenheit in das Rauschgift flüchtet. Das würde zum damaligen Phänomen des aufgeriebenen, psychisch missbrauchten Vietnam-Veteranen passen. Wie auch immer, „Ashes To Ashes“ zeigt sehr schön die literarischen Fähigkeiten von David Bowie.

„Ashes To Ashes“ wurde nach „Space Oddity“ Bowie’s zweite Single Nummer Eins im Vereinigten Königreich. Die melancholische, ätherische, aber doch recht flotte Musik nimmt die pastellene Traurigkeit und Exaltiertheit der New Romantics-Bewegung vorweg. Ebenso wie das überbelichtete Musikvideo. Ein Klassiker der Videokunst.

6. „Starman“

1972 verwandelte sich David Bowie nach jahrelangem Bemühen mit dem Album „The Rise And Fall of Ziggy Stardust and the Spiders from Mars“ von einem durchschnittlich erfolgreichen Popmusiker zum Gottkönig des Glam Rock. Das lose Konzept des bisexuellen, ausschweifenden, außerirdischen Rockstars taucht zeitgleich auch im Musical „Rocky Horror Show“ des Engländers Richard O’Brien auf. Ziggy Stardust und die „Rocky Horror Show“ verbindet über das inhaltliche Thema hinaus der grelle Glam Rock-Sound und der Umstand, dass Rock’n’Roll erstmals als nostalgisches Zitat verwendet wird. Bowie spricht für Rollen in der Rocky Horror Show vor, wird abgelehnt und hat deshalb noch mehr Zeit, sich um seine eigene Horror Show in Gestalt von Ziggy Stardust zu kümmern.

Das Lied „Starman“ porträtiert Ziggy Stardust als außerirdischen Propheten, der den Jugendlichen der vom Untergang bedrohten Erde die Prophezeiung bringt, dass ein Außerirdischen der Welt die Rettung bringen wird. „Starman“ wurde sein größter Hit seit „Space Oddity“ und darf als vollkommene Pop-Komposition betrachtet werden, obgleich Teile des Songs identisch mit „Over The Rainbow“ aus dem Film „Der Zauberer von Oz“ sind.

5. „Let’s Dance“

Mit der Single „Let’s Dance“ vom gleichnamigen Album aus dem Jahr 1983 verwandelte sich der Popstar David Bowie zu einem absoluten Weltstar. In Folge wird ihn die breite Öffentlichkeit eben primär als Star und nicht mehr als Musiker wahrnehmen und dadurch verändern sich seine Arbeiten in den Achtzigern zu gefälligen, obgleich noch immer nicht schlechten Verkaufsprodukten. Aber davon ist bei Veröffentlichung von „Let’s Dance“ noch keine Rede.

Das Lied arbeitet mit Trademark-Sounds und klassischen Farben der Achtziger, seine Geheimwaffe bezieht der Song aber aus einem Trick, den Bowie eigentlich seit dem Album „The Rise And Fall of Ziggy Stardust and the Spiders from Mars“ regelmäßig anwendet; dem Zitieren von klassischen Rock’n’Roll aus den Fünfzigern. Nur kaschiert er es bei „Let’s Dance“ nicht mehr, sondern rückt die Verbeugung vor seiner Kindheit und Jugend und der Kindheit und Jugend seines Publikums klar erkennbar in den Vordergrund. Da zu dieser Zeit gerade eine Renaissance der Fünfziger in Film, Musik und Mode gefeiert wird, geht der Song „Let’s Dance“ besonders gut auf. Verantwortlich dafür ist auch das Video. Ein pastellener, travestierter Rockabilly-Traum, der aber auch Stellung gegen Rassismus bezieht.

Im Lied spielt dann auch der Bluesrocker Stevie Ray Vaughan die Leadgitarre. Aber da wir es mit David Bowie zu tun haben, wird natürlich mit mehreren Farben gemalt. Für die funkige Anmutung des Tracks ist der Musikproduzent und Musiker Nile Rodgers verantwortlich, der mit seiner Band Chic Disco-Geschichte geschrieben hat.

Auf den ersten Blick wirkt „Let’s Dance“ fast schon naiv eingängig und simpel, bei näherer Betrachtung merkt man die große Komplexität und Klugheit, mit der hier gewoben wurde.

4. „Space Oddity“

Entstanden ist „Space Oddity“ im Jahr 1968, nachdem der damals 22-jährige David Bowie Stanley Kubricks’ Film „A Space Odyssey“ gesehen hatte, dessen Titel er auch aufgreift. Dass die Veröffentlichung des Songs im Sommer 1969 nur wenige Tage vor der Mondlandung von Neil Armstrong stattfinden würde, veranlasste Bowies kongenialen Mitstreiter Tony Visconti dazu, die Produktionsarbeit für den Song abzulehnen, weil er nicht als PR-Trittbrettfahrer der vielbeachteten Apollo 11-Mission gelten wollte.

Die tragische Geschichte des Raumfahrers Major Tom, die später von David Bowie in Songs wie „Ashes to Ashes“ oder „Hello Spaceboy“ wieder aufgegriffen wurde, wäre aber wohl auch ohne den Weltraum-Stunt der NASA zu seinem ersten größeren Hit geworden. Vom folky Rock-Beginn steigt „Space Oddity“ über einen buchstäblichen Countdown in psychedelische Space-Rock-Höhen auf, die von manchen Menschen auch als Referenz an einen Drogentrip verstanden wurden („I’m floating in a most peculiar way“). Bis zuletzt, bis hin zu den Singles „Lazarus“ oder „Blackstar“, sollte der Weltraum David Bowie magisch anziehen, obgleich seine Geschichten über Isolation und Leere im All auch als Metaphern für Entfremdung und Einsamkeit auf der Erde gelesen werden können.

3. „Changes“

Turn and face the strange - There’s gonna have to be a different man - Time may change me but I can’t trace time

Der Text von „Changes“, der Eröffnungsnummer von David Bowies frühem Erfolgsalbum „Honky Dory“ von 1971, ist eine Art Mission Statement zu seiner eigenen, rasend schnellen künstlerischen Entwicklung und ständigen Neuerfindung: „Strange fascination, fascinating me“, dies hatte Bowie schon früh erkannt; er kombiniert in „Changes“ auf dementsprechend „strange“, leicht windschiefe Art Glam Rock und Art Pop mit einem der eingängigsten Refrains der Popgeschichte, der mit seinem gestotterten „Ch-Ch-Ch“ als Referenz an The Who’s „G-G-G-Generation“ aus 1965 verstanden wurde. Als Stimme einer Generation in schnellebigen Zeiten wollte David Bowie den Song aber gar nicht verstanden wissen, vielmehr bezeichnete er ihn als ursprüngliche „Parodie auf eine Nightclub-Nummer“, und ebenso leichtfüßig nimmt „Changes“ es mit den großen Veränderungen des Lebens auf: „How the others must see the faker - I’m much too fast to take that test“. Das Saxophon-Solo am Ende spielt Bowie höchstpersönlich.

2. „Heroes“

Es ist Sommer 1977, und David Bowie nimmt in den Berliner Hansa Studios das Album „Heroes“ auf, das zweite seiner drei Berlin-Alben. Vom Studiofenster aus sieht man auf die Berliner Mauer, und direkt dort, auf einer Bank am Fuße eines Wachturms, will Bowie regelmäßig ein Liebespaar bei seinen heimlichen Treffen beobachtet haben (angeblich Mitproduzent Tony Visconti, der seine Frau während der Aufnahmen in Berlin mit der Sängerin Antonia Maaß betrog). Von ihnen handelt der Song „Heroes“, einer der wenigen bekannten Popsongs über die Mauer, der die Anführungszeichen auch in seinem richtigen Titel trägt.

I, I can remember
Standing, by the wall
And the guns, shot above our heads
And we kissed, as though nothing could fall

In Rhythmus und Synthesizern bemerkt man in „Heroes“ David Bowies Interesse für den deutschen Krautrock; die markante Gitarre spielte der eigens aus London nach Berlin eingeflogene Robert Fripp von der Band King Crimson dazu. Zehn Jahre nach den Aufnahmen, im Sommer 1987, spielt David Bowie „Heroes“ live und Open air vor dem Berliner Reichstag, nur wenige hundert Meter von der Mauer entfernt. Auch auf der Ost-Seite haben sich hunderte Fans versammelt, die seine Musik über West-Radios kennengelernt hatten, und Bowie schickt ihnen auf Deutsch seine besten Wünsche durch den Nachthimmel. Die daraufhin folgenden Unruhen im Osten zwischen Publikum und Polizei künden bereits vom Fall der Mauer zwei Jahre danach.

1. „Life On Mars“

Trivia-Wissen für’s nächste Popquiz: „Life on Mars“ schrieb David Bowie als Antwort auf Frank Sinatras „My Way“, in Akkordfolge und Melodie gleichen sich die Songs über weite Strecken. „My Way“, auch dies eine mögliche 1000-Euro-Frage, ist nämlich eine Coverversion eines Songs des Franzosen Claude François, und für die englische Übersetzung davon war ursprünglich David Bowie angefragt worden. Seinen eigenen Text mit dem Titel „Even a Fool Learns to Love“ bezeichnet er selbst als „absolutely dreadful“ (es gibt faszinierende Demo-Versionen im Netz), und ärgerte sich dennoch, als er damit abgelehnt wurde und Paul Anka und Frank Sinatra kurz darauf mit ihrer Interpretation Welterfolge feierten. „Life on Mars“ bezeichnet Bowie dementsprechend als „My Way on Mars“ und vermerkte in den Linernotes des dazugehörigen Albums „Hunky Dory“ die Worte „Inspired by Frankie“.

Inhaltlich handelt „Life on Mars“ von der Frage nach Transzendenz durch Kunst. Das girl with the mousy hair ist vom Leben enttäuscht und findet auch im Kino keine Zersteuung, sie träumt von Kunst und Leben jenseits all dessen, was wir auf der Erde schon kennen. In Hinblick auf das Songwriting ist „Life on Mars“ geradezu perfekt; ein Lied, das sich trotz aller Eingängigkeit auch nach dem hundertsten Hören noch Geheimnisse bewahrt.

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