FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Suzerain

Torpor Games

Politik als persönliche Angelegenheit: Im Game „Suzerain“ bist du der Präsident

Die Polit-Simulation „Suzerain“ spielt in einem fiktiven Parallel-Universum und ist trotzdem knapp dran an der Realität.

Von Rainer Sigl

Die Wirtschaft ächzt unter einer Rezession, in der Bevölkerung brodeln Konflikte zwischen Rechtsextremen und Kommunisten, eine jahrelang unterdrückte Minderheit geht für ihre Rechte zuerst auf die Straße und dann in den Untergrund, die korrupte Justiz stemmt sich gegen längst fällige Reformen und im Nachbarland wird laut mit den Säbeln gerasselt: Der fiktive Staat Sordland hat eine ganze Menge Probleme.

Als frisch gewählter Präsident dieses Landes, das sich trotz seiner erfundenen Geografie, Kultur und Geschichte sehr mitteleuropäisch anfühlt, habe ich im Videospiel „Suzerain“ kaum eine ruhige Minute. Eigentlich wurde ich für das Versprechen gewählt, für Frieden und Ausgleich in meinem Heimatland zu sorgen, und zumindest theoretisch habe ich alle Mittel dafür in der Hand: Als politisches Oberhaupt des Staates kann ich entscheiden, wo’s langgeht. Ob ich auf dem Weg dorthin mit strenger Hand und Hilfe des Geheimdiensts einen Polizeistaat errichten möchte oder als liberaler Reformer anstrebe, die Zivilgesellschaft zu stärken, bleibt ganz mir überlassen.

Doch das, so viel wissen wir als eifrige Polit-TV-Serienseher*innen seit „Borgen“, „House of Cards“ und „West Wing“ nur zu gut, ist nicht einmal die halbe Miete. Denn um irgendwas von diesen Plänen in die Tat umzusetzen, ist Überzeugungsarbeit gefragt - bei meinen Beratern, bei meiner Partei, im Parlament und in der Öffentlichkeit. Und ganz egal, welchen Weg ich einschlage: Irgendwer hat sicher etwas dagegen.

Unter Feinden

„Suzerain“ ist eine Polit-Simulation der etwas anderen Art. In den meisten anderen Strategiespielen, die sich mit dem Thema Politik beschäftigen, ist unsere Interaktion mit den virtuellen Gesellschaften meist ziemlich abstrakt und mechanisch. Denn eigentlich drehe ich in denen nur an den Stellschrauben eigentlich simpler Modelle, kann meist recht diktatorisch entscheiden und wie in der Sandkiste selbstverständlich meinen Willen durchsetzen. Dann kann ich zum Beispiel Steuern anheben oder diplomatische Entscheidungen treffen - und einfach schauen, was passiert.

Das geht in „Suzerain“ nicht, denn hier wird vorerst einmal darüber geredet. Wie in der Realität gehen der Umsetzung politischer Entscheidungen lange Prozesse voraus, in denen auch ich als Präsident nicht unbedingt das letzte Wort habe. In Gesprächen und Sitzungen mit dutzenden Figuren mit sehr unterschiedlichen Vorgeschichten und Charakterzügen werden Gesetzesentwürfe und Initiativen vorgestellt, sorgfältig abgewogen und dann verwirklicht oder auch nicht. Die Wirtschaftslobby, Militärs und Bürgerrechtler haben naturgemäß unterschiedliche Prioritäten, und auf die eine oder andere Art mache ich mir garantiert mit jeder Entscheidung Feinde und muss allzu oft Kompromisse schließen. Die Figuren dieses Polit-Dramas sind keine leeren Abziehbilder, sondern Menschen mit Geschichte und Eigenheiten; und auch ich als Präsident muss auf mein Privatleben Rücksicht nehmen und irgendwie auch meine Familie nicht ganz aus den Augen verlieren.

Suzerain

Torpor Games

Lesen und Entscheiden

„Suzerain“, entwickelt vom Berliner Studio Torpor Games, ist für Windows und Mac erschienen.

Spielmechanisch ist „Suzerain“ eine Art Visual Novel mit strategischem Kern: Die Ereignisse, von weltpolitischen bis zu den privaten, werden in gut geschriebenen (englischen) Texten geschildert, Gespräche laufen als Skripte mit verschiedenen Auswahl-Optionen ab. Meine Entscheidungen beeinflussen den weiteren Spielverlauf und auch, wie die Rahmenbedingungen meiner Präsidentschaft aussehen. Peinliche Faux-pas, katastrophale Fehlentscheidungen und politische Katastrophen lassen sich übrigens hier nicht ungeschehen machen - ein automatisches Speichersystem sorgt dafür, dass ich wohl oder übel mit meiner eigenen Politik leben muss. Im Lauf der Jahre spitzt sich die Situation in Sordland durch verschiedene Krisen dramatisch zu, und von den anfangs hehren Zielen und Idealen bleibt manchmal in der Praxis, zwischen Kompromissen, Enttäuschungen und Verrat, nicht viel übrig.

Durch seine Konzentration auf die Individuen zeigt „Suzerain“ eines ganz deutlich: Politik ist nichts Abstraktes - sondern im Gegenteil eine sehr persönliche Angelegenheit. Ein beeindruckendes Spiel, das auch den Blick auf die reale Politik bereichert.

mehr Game:

Aktuell: