Die digitale Ausgabe des Eurosonic Festival 2021
Von Susi Ondrušová
Das Eurosonic Festival ist ein Fixpunkt im Kalender von Musikfans und Musikarbeiter*innen. Im ersten Monat des Jahres trifft man sich in Groningen im Norden der Niederlande, um sich die neuesten Bands anzuhören, die das Jahr musikalisch prägen und bestimmen werden. Bands und Manager*innen treffen auf Agenten, Verleger*innen, Veranstalter*innen, Labels suchen nach neuen Acts, präsentieren ihre Künstler*innen, die auf Journalist*innen treffen, um der Welt davon zu erzählen.
Seit 1986 findet das Eurosonic Festival statt. In seiner Grundidee geht es darum, Musik über die eigenen Landesgrenzen hinaustragen. Es geht um Aufmerksamkeit. Austausch. Vielfalt.
Vor Ort hat man als Festival-Besucher*in immer gewusst: Dort wo die längste Schlange ist, steckt ein Hype. Dort wo man nicht reinkommt, da reden die Leute darüber. Letztes Jahr war das zum Beispiel die unendliche Schlange vor dem Club, in dem My Ugly Clementine gespielt haben. Nachhaltigen Erfolg bei einem Showcase-Festival misst man an Konzertanfragen einer Band nach einem Eurosonic-Auftritt für das kommende Live-Jahr.
Ein Auftritt am Eurosonic Festival kann ein gutes Sprungbrett sein, mit dem man sich im Idealfall an neue Orte begibt, um für neue Menschen zu spielen. Bands wie Aurora, Roosevelt, Elektro Guzzi oder My Ugly Clementine eben können davon ein Lied singen.
Das Eurosonic Festival findet vom Mittwoch 13.1. bis Samstag 16.1. statt. Streaming-Konzerte von 189 Bands aus 36 Ländern. Timetable gibt es hier.
2021 ist natürlich alles anders. Die Live-Industrie wartet, bis die Pandemie ein Tour-Leben überhaupt möglich macht. Die 39 Venues, die das letzte Jahr am Eurosonic Festival von über 300 Acts aus 50 Ländern bespielt wurden, sind geschlossen und das Land ist im Lockdown.
Also wandert das Festival ins Internet. Vom Mittwoch bis Samstag wird das Festival sage und schreibe 189 Konzerte von Bands aus 36 Ländern streamen. Wie es für ein Showcase-Festival üblich ist, werden das keine Konzerte in voller Länge, sondern 15-minütige Sets. Die perfekte Länge, um die neuen Lieblingsbands zu entdecken. Venue-Hopping bedeutet am Eurosonic heuer, dass man sich durch vier virtuelle Räume durchklicken wird, die parallel bespielt werden. Die Konzerte dauern hier jeweils von 20 bis 23 Uhr.
Österreichische Bands am Eurosonic Festival
Bei der digitalen Ausgabe des Eurosonic Festival könnt ihr am Donnerstag 14. Jänner gleich drei österreichische Acts anschauen: Alicia Edelweiss, OSKA und Lou Asril werden auftreten.
My Ugly Clementine sind ebenfalls dabei und werden am Freitag, 15. Jänner spielen. Sie dürfen sich vielleicht auch über einen Preis freuen, denn sie sind für den Music Moves Europe Talent Award nominiert. Im Rahmen einer Streaming-Zeremonie am Freitag werden von den 16 Nominees gleich 8 Gewinner-Acts gekürt. Durch den Abend führt Melanie C. Man darf hoffen, dass es bei der digitalen Award-Verleihung zu einem Mel C und Vitamin C Wortspiel kommen wird!
European Music Week: Im Radio stellen wir euch in allen Sendungen von FM4 Morning Show bis FM4 Homebase ausgewählte Bands vom diesjährigen Eurosonic-Festival vor.
Folk aus England, Elektronica aus Lettland
Was begeistert bei einem Konzert? Der Abend als soziales Ereignis mit Überraschungsmomenten. Sehen, wie Menschen auf der Bühne und vor der Bühne reagieren. Berührt werden. Man kann vieles an Streaming-Konzerten schlecht finden, zum Beispiel dass es sie überhaupt gibt, aber gar keine Menschen sehen, wie sie ihre Lieder performen, ist auch keine Option. Herz und Hirn steckt da drin. So wie zum Beispiel bei der Litauischen Musikerin Sign Libra. Als klassisch ausgebildete Musikerin hat sie sich der elektronischen Musik verschrieben. „All of my work goes through the same process, which consists of my interest in a particular theme, its informative research, my own exploration and imaginary vision of this theme”, so beschreibt Sign Libra ihren konzeptuellen Zugang beim Musikmachen. Für ihr Debüt “Closer To The Equator” hat sie unzählige Naturdokus geschaut und Youtube nach Regenwaldvideos durchforstet. Auf ihrem zweiten Album „Sea of Sea“ geht sie von der Erde weg und widmet sich der Mondoberfläche. Es ist abgehoben und wunderbarst.
Sign Libras Konzert wird diesen Mittwoch um 20:45 gestreamt. Zur gleichen Zeit kann man sich auch das Konzert von Holly Humberstone ansehen. Die britische Musikerin gilt als „Rising Star am Singer-Songwriter-Himmel“ Wer gerne Folk-Musik nicht nur mit Gitarre, sondern auch Streichern, Klavier, mehrstimmigem Gesang und der Wunderwaffe „klatschende Hände“ mag: Die polnische Band Lor macht genau das! Auf ihrer aktuellen EP „Sunlight“ beschäftigen sie sich mit der Sonne. Ein Stimmungsaufheller von einem Titel, das Debütalbum hat nämlich „Lowlight“ geheißen. Das Konzert von Lor findet am Donnerstag 14. Jänner um 20:15 statt.
Heißer Tipp für Gitarren-Fans ist auch das spanische Duo mit dem besten Namen im gesamten Festivalprogramm: Pinpilinpussies. Sie nennen Sleater-Kinney, Bikini Kill und Courtney Barnett als ihre Vorbilder. Die Welt braucht die Pinpilinpussies. Live zu sehen am Mittwoch um 20:25.
Rap aus Irland, Shoegaze aus Spanien
Noch einmal Spanien: Uniforms heißt die vierköpfige Formation, die sehr viel My Bloody Valentine und Cocteau Twins gehört hat und sowohl auf Englisch als auch auf Spanisch singt. „Fantasia Moral“ heißt das Album für den perfekten Spaziergang im Nebel. Am Donnerstag um 20:40 werden Uniforms ihre Eurosonic Performance streamen.
Denise Chaila wird oft gefragt, wo sie herkommt. Ihren simplen Namen kann auch niemand aussprechen. (Like chai tea but with a “la” at the end) Als sie letztes Jahr einen TV-Auftritt bei einer Musikshow im irischen Fernsehen absolviert, erntet sie Morddrohungen. In den Augen einiger Zuseher*innen mit Internetanschluss war Denise Chaila nämlich nicht „irisch“ genug. „At the bedrock of all of my work is a question about identity that I keep on asking people” sagt die Rapperin. “Your black Bond” rappt sie in “Anseo” (was so viel wie “anwesend“ bedeutet). Im Opener-Track zu ihrem Album „Go Bravely“ singt sie darüber, wie ihr Name (nicht) ausgesprochen wird und das Video zu „Duel Citizenship“ erklärt auch alles. Denise Chailas Set wird ebenfalls am Donnerstag, 14. Jänner um 22 Uhr gestreamt.
Isländischer Garage-Punk, Dance aus der Schweiz
Der schweizer Producer FlexFab lebt in Neuchâtel und hat erst 2019 bei einer Tour in Kenya den Rapper Ziller Bas kennengelernt. Aus einer Impromptu-Jam Session ist eine Freundschaft entstanden, die FlexFab Anfang 2020 nochmal nach Kilifi, Kenya geführt hat. Dort haben sie an „Mugogo“, ihrer ersten gemeinsamen EP gearbeitet. Ziller Bas rappt in „Swengflow“, so bezeichnet er seinen eigenen sprachlichen Mix aus Swahili, English und Bantu. In einem Kurzfilm dokumentieren sie diese Zusammenarbeit. Am Freitag 15.1. kann man sich FlexFab & Ziller Bas um 20:10 live anschauen.
Das isländische Duo Bsí ist nach einem Busbahnhof in Reykjavik benannt, der Islandreisenden vom Flughafen-Shuttle bekannt sein dürfte. Für ihr Video „Ekki á leið“ haben sie einfach mal versucht, Autoverkehr zu stoppen. Musikalisch bewegen sie sich in Richtung Lofi-Garage-Punk, was ihnen schon Support-Gigs mit den Beatsteaks verschafft hat. Bsí spielen am Mittwoch, 13. Jänner um 21:25.
Das Eurosonic Festival findet vom Mittwoch 13.1. bis Samstag 16.1. statt. Von 20 bis 23 Uhr werden 189 Konzerte von Bands aus 36 Ländern gestreamt. Den kompletten Timetable gibt es hier.
Publiziert am 12.01.2021