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Screenshot von Donald Trumps Twitter-Account

APA/AFP/Olivier DOULIERY

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Wie geht’s Trump jetzt ohne Twitter?

Ist das Sperren eines Social Media Accounts ein ritueller Mord? Existiert Trump noch, wo man ihm jetzt seinen Twitter-Account weggenommen hat? Oder Heinz-Christian Strache ohne Facebook?

Eine Kolumne von Todor Ovtcharov

Cogito ergo sum. Ich denke, also bin ich, schrieb der französische Philosoph und Mathematiker René Descartes im 17. Jahrhundert. Diese Aussage markiert das Ende der Renaissance und den Beginn der Neuzeit. Das Zeitalter des blinden Glaubens an Gott war vorbei, und die Menschheit begann, zu zweifeln und sich Fragen über den Sinn unseres Daseins zu stellen. Der Mensch selbst stand seither im Zentrum des Universums. Für manche war das gut, für andere hingegen vernichtend. Wie könnte man ohne eine höhere Autorität überhaupt funktionieren? Die Menschheit suchte die Antworten in sich selbst. Das menschliche Ego wurde erkannt. Langsam aber wurde dieses Ego so wichtig, dass das Denken, das die Menschen zum Zweifeln brachte, überschattet wurde. Wir wurden zu unserem Ego.

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Der zeitgenössische Mensch ist sicher, dass er im Zentrum des Universums steht. Die sozialen Netzwerke haben diese Annahme deutlich verstärkt. Die Möglichkeit, der ganzen Welt ständig mitzuteilen, was man gerade macht und denkt, machte uns göttergleich. Wer konnte sich vor zwanzig Jahren wohl vorstellen, dass man nur mit einem Mausklick mit der ganzen Menschheit so essentielle Infos teilen kann, wie, dass man Spiegeleier mit Käse gefrühstückt habe? Früher interessierte man sich dafür, was Stars zum Frühstück essen. Jetzt sind wir alle Stars. Wenn man uns die Möglichkeit wegnimmt, unser Ego anderen zu präsentieren, dann ist das so katastrophal wie damals, als man den Menschen der Renaissance ihren Glauben an Gott weggenommen hatte. Je stärker unser Ego ist, desto größer ist der Schmerz, wenn man nicht mehr die Möglichkeiten hat, “Wahrheiten von letzter Instanz” mit der Welt zu teilen.

Deshalb tut mir Trump leid, der vorwiegend in den sozialen Netzwerken existiert hat. Wenn man ihm Twitter wegnimmt, kann er nicht mehr “sein”. Viel weniger Leute haben sich dafür interessiert, was Trump tatsächlich macht, als was er twittert. Für viele kommt das Löschen seines Accounts bei Twitter einem rituellen Mord gleich. Was ist mit H.C. Strache passiert, als man ihm seine Facebookseite weggenommen hatte? Er hat sich in Luft aufgelöst, als ob er nie existiert hätte. Und vorher war er so aktiv in den sozialen Netzwerken.

Screenshot von Donald Trumps suspendiertem Twitter Account

APA/AFP/TWITTER/Eric BARADAT

Diese Aktivität in der virtuellen Welt scheint mir ein Zeichen dafür zu sein, dass man niemandem, außer sich selbst, traut. Dein Ego ist Anfang und Ende. Der bulgarische Premier Borissov streamt seine Runden durch das Land live auf Facebook. So kreiert er eine parallele Realität. Neulich zum Beispiel “eröffnete” er eine neue Straße. Einige Monate danach brach eine Schutzmauer und die Straße wurde mit Steinen überschüttet. Das wurde aber nicht gestreamt, was so viel heißt, dass es nicht passiert ist. Die Welt dreht sich um unser Ego. Das Problem ist, dass sie es nicht aushalten kann, sich um so viele verschiedene Zentren zu drehen.

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