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„Ich hasse Männer“: Pauline Harmange schreibt sich zum feministischen Superstar

In Frankreich wird das Buch quasi über Nacht berühmt und Pauline Harmange zum feministischen Superstar. Es sei in Ordnung Männer zu hassen steht darin. Ja, es ist sogar notwendig. Denn nur so können Frauen zu sich selbst und wahrer Schwesternschaft finden.

Von Diana Köhler

Kennt ihr eigentlich den Streisand-Effekt? Er beschreibt das Phänomen, dass wenn etwas nicht an die Öffentlichkeit geraten soll, oft nur noch mehr Aufmerksamkeit bekommt. Benannt nach Barbara Streisand, die nicht wollte, dass ein Foto ihres riesigen Anwesens in Malibu Beach abgedruckt wird und gerichtlich dagegen vorgehen wollte - was das Foto erst populär gemacht hat.

Ein anderes gutes Beispiel: Die Französin Pauline Harmange schreibt einen kurzen Essay, der bei dem kleinen Verlag Monstograph erscheint. Der Verlag wurde durch einen Post auf Paulines Blog Un invincible été darauf aufmerksam und hat eine überarbeitete Version mit einer Auflage von 400 Stück veröffentlicht. Der Titel: „Ich hasse Männer“. Soweit nichts Ungewöhnliches: Ein feministisches Buch mit einem reißerischen Titel.

Darin argumentiert Harmange, warum es besser für Frauen wäre, sich einfach nicht mehr weiter um Männer und das was sie tun zu kümmern. Und, warum sie ein gutes Recht dazu haben, Männer zu hassen: Gewalt und Unterdrückung prägen das Leben aller Frauen in irgendeiner Art. Die logische Folge für Harmange: Misandrie.

Skandal in Frankreich

Dann aber geht es so richtig ab: Ein Mitarbeiter des französischen Ministeriums für Gleichstellung schreibt den Verlag an und verlangt, dass der Essay sofort zurückgezogen wird. Ohne das mit seinen Vorgesetzten abzusprechen. Er hat den Essay zwar nicht gelesen, aber der Beamte ist sich sicher: Er ruft zu Hassverbrechen gegen Männer auf. Zuerst glaubt Pauline noch an einen Troll – aber die Nachricht kommt von der offiziellen Arbeits-Mailadresse des Beamten. Die französischen Medien werden darauf aufmerksam und landesweit wird über den Zensurversuch berichtet.

Cover

Rowohlt-Verlag

"Ich hasse Männer von Pauline Harmange ist in deutscher Übersetzung von Nicola Denis im Rowohlt Verlag erschienen.

Und jetzt kommt der Streisand-Effekt ins Spiel: Ein richtig großer französischer Verlag bringt den Essay nochmal heraus. Dieses Mal aber mit einer Auflage von 200.000. Und jetzt gibt es ihn auch schon auf Deutsch und bald auch in den USA auf Englisch. Pauline Harmange wird mit „Ich hasse Männer“ plötzlich zum feministischen Superstar, der Guardian berichtet und die New York Times nennt sie sogar das Vorbild einer neuen Generation von Feministinnen.

Die Autorin nimmt heterosexuelle Beziehungen auseinander, beleuchtet die Art, wie viele Mädchen auch heute noch erzogen werden, nicht ohne auf ihr eigenes Leben zurückzublicken. Pauline Harmange kommt immer wieder zu dem Schluss: „Hysterische“ Männerfeindinnen tun sich im Leben eigentlich leichter.

Das Ausmaß der Rape-culture

Pauline Harmange ist nicht plötzlich mit flammendem Männerhass aufgewacht. Schließlich ist sie selbst glücklich mit einem Mann verheiratet. Seit 10 Jahren bloggt und denkt sie über feministische Themen nach. Seit einigen Jahren arbeitet sie ehrenamtlich bei einem Verein, der sich um die Opfer sexueller Gewalt kümmert. Dort wurde ihr erst das ganze Ausmaß dieser „rape-culture“ bewusst. Das erzählt sie im Interview mit FM4:

“It was eye-opening, because at the end of the training, you can’t help but notice, that nothing works to help victims of abuse. That society is against them, that the justice system is against them. The general feeling after that is: We don’t do enough to prevent our work from being necessary.”

Mit „Ich hasse Männer“ hat sie einen Nerv getroffen und ausgesprochen, was sich viele Frauen schon seit langem Denken würden: Misandrie ist das Mittel zu einem glücklicheren Leben. Nach der Veröffentlichung bekommt sie viele Mails und Nachrichten von Frauen, die sich für das Buch bedanken:

„Women are discovering that what they feel is anger towards men. And they are happy with this discovery and they want to talk about it more! For many it is really a discovery. They say: Ah, I feel this anger, this hate, but it is okay to feel it.”

Ein Hoch auf die Misandrie?

Trotzdem sei es für viele dieser Frauen immer noch schwer zu ihrem Männerhass zu stehen. Und wenn, dann muss es meistens ins Lächerliche gezogen werden, schreibt Pauline Harmange im Buch: „Frauen haben Schwierigkeiten, sich selbst als männerfeindlich zu bezeichnen, und wenn sie es doch tun, dann meist eher indirekt, mit einem ironischen Unterton.“

Doch für Pauline Harmange ist damit jetzt Schluss. Mit „Ich hasse Männer“ haut sie auf den Tisch und hört endgültig damit auf, versöhnlich und diplomatisch zu sein. Kontraproduktiv sieht sie diese harte Haltung nicht. Die von „rape-culture“ geprägte Gesellschaft und vor allem Männer müssen diese Wut aushalten.

„Es gibt Momente, in denen Verallgemeinerungen keine billigen Vereinfachungen darstellen, sondern schlicht die Realität abbilden. Und auch hier zeugt es von der ausgesprochenen Egozentrik seitens der Männer, wenn sofort ‚Aber es sind doch nicht alle Männer Vergewaltiger‘ reagiert wird, nur weil eine Frau verlauten lässt, dass sie von Männern ein für alle Mal genug hat. Männer sind vielleicht nicht alle Vergewaltiger, aber praktisch alle Vergewaltiger sind Männer – und praktisch alle Frauen haben oder werden eines Tages Gewalt durch Männer erfahren.“

Die Beleidigungen werden langweilig

Die Ideen, die sie im Buch bringt, sind im feministischen Diskurs nicht neu: Care-Arbeit, der Mental-load, Mansplaining, Privilegien und Macht werden darin erwähnt und auseinandergenommen. Doch die Reaktionen auf das Buch zeigen, wie wichtig es anscheinend ist, sie noch 100 Mal zu wiederholen. Seit das Buch auch auf Deutsch und Englisch erschienen ist, bekommt Pauline Harmange am Tag zahlreiche Vergewaltigungs- und Todesdrohungen. In drei verschiedenen Sprachen, aus mehreren Ländern. Dank der neuen Features auf Social Media, kann sie die meisten einfach ausblenden lassen. Leicht sei das aber nicht, sagt sie. Trotzdem versucht sie es mit Humor zu nehmen: „It was a lot, I really had to shut down from Social media for a while. But now I am better at managing these comments. But they are also so boring! Always the same insults, come on guys, get creative!”

„Ich hasse Männer“ ist aber kein Aufruf zu Gewalt gegen Männer, sondern ein Aufruf zum Zulassen von Wut, dem Unperfekt-Sein und vor allem zu Solidarität unter Frauen.

„Wenn wir alle männerfeindlich würden, könnten wir einen großen, schönen Reigen bilden. Wir würden merken (vielleicht anfangs nicht ohne einen kleinen Wermutstropfen), dass wir die Männer tatsächlich nicht brauchen. Ich glaube, wir können eine ungeahnte Macht freisetzen, uns weit über den Blick der Männer und die männlichen Ansprüche aufschwingen – und endlich zu uns selbst finden.“

Für Fans von Solnit oder Despentes

Dieses postkartengroße, 80 Seiten lange Büchlein kommt so klein und unscheinbar daher, entfaltet aber unglaubliche Wucht und Witz mit jeder Seite. Wenn ihr Fans seid von Virginie Despentes oder Rebecca Solnit, dann wird euch auch „Ich hasse Männer“ gefallen. Und wenn ihr euch jetzt denkt „Was für eine fürchterliche Frechheit“ – überlegt euch doch, das Buch nicht doch zu lesen. Es hält vielleicht die eine oder andere Überraschung bereit. Übrigens: Auch Männer dürfen Männer hassen.

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