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Wie Plagiatsjäger*innen arbeiten

Joachim Bergauer

Wie Plagiatsjäger*innen arbeiten

Plagiatsjäger Stefan Weber über seine Arbeit, anonyme Auftraggeber*innen und sein langfristiges Ziel.

Von Felix Diewald

Seit 14 Jahren hat es sich der Salzburger Wissenschaftler Stefan Weber zur Aufgabe gemacht, Abschlussarbeiten auf ihre akademische Redlichkeit zu checken. Christine Aschbacher (ÖVP) ist letzte Woche als Arbeitsministerin zurückgetreten, nachdem Stefan Weber ihre Diplomarbeit und Dissertation zerpflückt hatte, aber auch für die Arbeiten anderer prominenter Personen hatte Weber viel Kritik übrig, zu den bekanntesten gehören die Dissertationen des heutigen EU-Kommissar Johannes Hahn oder die Arbeit des Direktors der Wiener Staatsoper, Bogdan Roščić, wobei die Plagiatsverfahren gegen Hahn und Roščić aber beide eingestellt wurden.

Beruf für „Masochisten“

„Plagiatsjäger“, erklärt Weber, „ist ein Beruf für Masochisten.“ Denn der Plagiator mache vor allem Plagiatsjägern wie ihm das Leben schwer. „Er zwingt mich, sein hundsverdammtes Plagiat auch noch genau zu dokumentieren.“ Wie man sich Webers Arbeit vorstellen kann? Er gehe nicht in die Bibliothek und prüfe Arbeiten wahllos auf Plagiate. „Man kommt gottseidank auf mich zu.“

Begonnen hat Weber aber tatsächlich mit zufälligen Stichproben in Bibliotheken - damals noch als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Zuge von Forschungsprojekten. Seit der Plagiatsaffäre um den ehemaligen deutschen Minister Karl Theodor zu Gutenberg 2011 und der verstärkten medialen Aufmerksamkeit für das Thema hat Weber seine Arbeit professionalisiert und zu seinem Job gemacht.

Die grobe Pauschale für eine Plagiatsprüfung bei ihm liegt in etwa bei 4 Euro pro Prüfseite, braucht es anschließend noch ein Gutachten, ist das Verhandlungssache je nach Aufwand. Mittels Plagiatssoftware überprüft Weber zunächst das Werk. Die eigentliche Knochenarbeit sei aber eine andere. Der Prüfer muss jede kopierte Stelle genau dokumentieren – und das kann mitunter sehr aufwändig sein.

„Die Motive meiner Auftraggeber interessieren mich nicht.“

In der Regel beauftragen Anwaltskanzleien Weber mit der Prüfung von Arbeiten. Wer wirklich dahintersteht, weiß Weber in der Regel gar nicht. „Es ist mir auch powidl, es ist mir völlig egal. Die Motive meines Auftraggebers interessieren mich nicht, die gehen mich nichts an – das hat ja auch nichts damit zu tun, ob ein Plagiat zu finden ist oder nicht. Und was ist mit Aufträgen aus der Politik? Politische Unabhängigkeit ist Weber wichtig. Aufträge aus diesem Bereich gab es laut ihm nur ein einziges Mal: Als der damalige Grünen-Politiker Peter Pilz ihn damit beauftragte, die Doktorarbeit des damaligen Wissenschaftsministers Johannes Hahn zu prüfen. In der Folge wies Weber aber auch seinem Auftraggeber Pilz selbst ein Plagiat nach. „Weil ich das gewagt habe, hat man in der heimischen Politik gelernt, mich nicht mehr zu engagieren.“ Immer wieder wird der Plagiatsjäger aber auch eigeninitiativ tätig: Etwa im aktuellen Plagiats-Fall um die ehemalige Arbeitsministerin Christine Aschbacher. „Diese Arbeit habe ich in reinem Eigeninteresse bestellt, es gab keinen politischen Auftrag, das zu tun."

Wie Plagiatsjäger*innen arbeiten

Joachim Bergauer

„Über die bekannten Fälle mehr Aufträge zu bekommen - das ist ja nicht mein Lebensziel, das wäre ja trivial“, so Plagiatsjäger Stefan Weber.

Kleine Branche, große Aufmerksamkeit

Österreichweit steht Weber mit seiner Dienstleistung, fremde Arbeiten zu überprüfen, allein da. Zwar bieten unzählige Lektor*innen Plagiatschecks an – diese Angebote richten sich allerdings vorrangig an Studierende, die ihre eigenen Arbeiten checken lassen wollen. Eine Mitbewerberin gab es, erzählt Weber, die habe sich mittlerweile aber aus dem Geschäft zurückgezogen. In Deutschland hat sich der Plagiatsjäger Martin Heidingsfelder etabliert. Dass die Branche nicht größer ist, liege daran, dass die tatsächliche Nachfrage deutlich kleiner ist als die mediale Aufmerksamkeit für das Thema, vermutet Weber.

Wunsch nach eigenem Institut für Plagiats-Forschung

Weber ist selbstständig, die publikumswirksame Medienberichterstattung über seine Arbeit helfe ihm bei der Auftragslage, gibt er offen zu. Zudem findet er als ehemaliger Journalist die mediale Dynamik bei Plagiats-Affären von Personen im öffentlichen Interesse spannend. „Über die bekannten Fälle mehr Aufträge zu bekommen – das ist nicht mein Lebensziel, das wäre ja trivial.“ Langfristig will der Plagiatsjäger ein Institut für Autorschafts-, Plagiats- und Zitats-Forschung an einer Universität etablieren. Für dieses Vorhaben lobbyiert der Wissenschaftler schon seit 2007, ein Budget dafür zu bekommen erweise sich als schwierig. „Ich warte schon seit Jahren auf ein Signal aus der Politik.“

Und was treibt Weber selbst als Plagiatsjäger an? „Ich kann eine gesellschaftliche Änderung - und um die geht es mir – an der Universität, also weg von der Masse hin zur Klasse, nur erreichen, indem ich beharrlich aufzeige, was sehr viele andere unter den Tisch kehren.“

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