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Autorin Eva Reisinger, Buch Was geht Österreich

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Die Autorin Eva Reisinger fragt in ihrem neuen Buch: „Was geht, Österreich?“

In ihrem ersten Buch „Was geht, Österreich? Eine Landjugend mit Wodkabull und dem Herrgott“ seziert die oberösterreichische Autorin Eva Reisinger in 75 Begriffen Land und Leute. Von A wie Amen bis Z wie Zuckerl arbeitet sie sich durch das Alphabet und die österreichische Seele.

Von Philipp Emberger

Österreich ist ein Land mit einem 34-jährigen Bundeskanzler, ein Land, in dem Wahlkonfrontationen für eine Pressekonferenz eines Skistars verschoben werden und Österreich ist ein Land, in dem eine Parlamentspartei sich mehrere Einzelfälle erlauben kann. Selbst, wenn man hier aufgewachsen ist, ist es nicht immer einfach, Österreich zu verstehen und manchmal noch schwieriger zu erklären.

Autorin und Journalistin Eva Reisinger

Lukas Gansterer

Eva Reisinger, geboren 1992, lebt in Wien und arbeitet als freie Journalistin und Autorin. Ihr Buch „Was geht, Österreich? Eine Landjugend zwischen Wodkabull und dem Herrgott“ ist im KiWi-Verlag erschienen.

Das Gespräch mit der Autorin in voller Länge im FM4 Interview Podcast anhören.

Diese Erfahrung hat auch Eva Reisinger als Österreich-Korrespondentin bei ze.tt, dem jungen Medium des deutschen Zeit-Verlages, gemacht. Mit ihrer Serie „Was geht, Österreich?“ hat die gebürtige Oberösterreicherin regelmäßig versucht das Land ihren Leser*innen näher zu bringen. Eine Aufgabe, die sie nun in ihrem ersten Buch fortführt. Wobei im Vorwort schon klar wird, dass es schwierig bis unmöglich ist, ein ganzes Land in einem Buch abzuhandeln. Das ist aber auch gar nicht der Versuch und das betont die Autorin auch an mehreren Stellen. Es handelt sich um ihre persönlichen Eindrücke und Geschichten, die sie unterhaltsam und lehrreich in Buchform gedruckt hat.

Österreichische Wurstigkeit

Der Auslöser für das Buch war die Veröffentlichung der Ibiza-Videos im Mai 2019. Reisinger arbeitete zu diesem Zeitpunkt als Korrespondentin und hatte bereits ein Manuskript in der Schublade. Mit Ibiza kam die Alpenrepublik in die Schlagzeilen und Reisinger wurde einmal mehr zur Cheferklärerin der österreichischen Mentalität.

Um diese aufzuschlüsseln, hat sie alles ins Buch gepackt, wovon sie glaubt, dass man unbedingt über das kleine und manchmal zugegebenermaßen manchmal etwas seltsame Land wissen muss. Die Autorin beschreibt Österreich als Land mit zwei Gesichtern, in dem einerseits eine charmante „Wurstigkeit“ den Ton angibt und die Menschen gelassen an ihr Leben herangehen. Andererseits erzählt sie aber auch von einer problematischen „Wurstigkeit“, etwa wenn es um gesellschaftliche Themen wie Feminismus oder Gender geht. Hier liefert Reisinger mit ihrem Buch einen Appell, sich mit der etwas problematischen Gleichgültigkeit auseinanderzusetzen und diese bequeme Haltung zu hinterfragen.

„Um nicht andauernd von Skandalen und Affären sprechen zu müssen, und damit nicht immer alles so wahnsinnig negativ klingt, erfand man in Österreich den Begriff Causa.“

Die thematische Bandbreite vom Buch ist enorm und so gibt es unterhaltsame Geschichten, zum Beispiel über die Skikurswoche samt Trennung vom damaligen Freund (Kapitel Gspusi) oder über den Wunsch, selbst eine Hexe zu sein (Kapitel Charmed). Dabei zeichnet die Autorin das Bild einer Jugend, die geprägt ist von ländlichen Strukturen und verbindet das mit popkulturellen Referenzen.

„Zwischen alten Holzdielen, Sperrmüll und Gartengeräten erschufen wir eine eigene Welt auf dem Dachboden. Wir verstanden uns gut. Denn sie wollte immer Piper spielen und so blieb mir die sonst heiß umkämpfte Rolle der Phoebe.“

Die kulinarische Seite Österreichs fehlt im Buch natürlich auch nicht. Aus diesem Grund hat Reisinger ihrer Mutter sowie deren Freundin Annemarie gleich mehrere Rezepte abgeknöpft und in das Buch verfrachtet. Quasi als gustatorisches Ausgleichgsprogramm für die anspruchsvolleren Kapitel dazwischen.

Cover Was Geht Österreich Eva Reisinger

KiWi-Verlag

„Was geht, Österreich? Eine Landjugend mit Wodkabull und dem Herrgott“, KiWi-Verlag, 288 Seiten

Schaumparty, Schnitzel und Feminismus

Das Buch geht aber über Popkultur, Dorffestl und Kulinarik hinaus und hat auch einen politischen Ton. In mehreren Kapiteln, wie etwa „Jörg Haider“ oder „Linke“ sucht die oberösterreichische Autorin die Auseinandersetzung mit dem politischen Österreich. Reisinger erzählt anhand von persönlichen Erlebnissen vom Aufstieg rechtsextremer Strömungen und verknüpft diese mit dem Leben in der oberösterreichischen Provinz und der Suche nach Zugehörigkeit in einer Gegend, in der es nicht viel gibt.

In einem weiteren Kapitel setzt sich Reisinger dann auch mit der „Generation Sebastian“ auseinander. Für ze.tt hat sie zuvor schon zwei junge oberösterreichische Bürgermeister samt ihrer Loyalität dem Bundeskanzler gegenüber portraitiert. Dieses Thema greift sie nun wieder auf und versucht sich an einer Zustandsbeschreibung einer Politikgeneration zwischen Geilomobil und erzkonservativer Politik.

„Mit seinem Aufstieg förderte Kurz viele junge Menschen der eigenen Partei und nahm sie mit nach oben. Heute sitzt die Generation Sebastian an den mächtigsten Positionen des Landes. Für sie stehen Kommunikation und Marketing im Vordergrund. Niemand widerspricht dem Chef.“

Wo Eva Reisinger genau aufgewachsen ist, verrät sie im Buch lieber nicht. Das ist aber auch gar nicht notwendig, denn ihre Schilderungen sind lebensnah und funktionieren nicht nur in der oberösterreichischen Provinz, sondern auch überall sonst in Österreich. Sie schreibt vom Auto als Statussymbol, der Ablehnung gegenüber der Hauptstadt Wien und von einer Zeit, als Szene1 der heiße Scheiß war.

„Was geht Österreich?“ ist ein sympathischer Einblick in das Aufwachsen in der oberösterreichischen Provinz. Dort, wo LKWs auf der einzigen Straße durch’s Dorf preschen und die Einfahrt zum heiligen Ort eines jeden Hauses wird.

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