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Stills aus der Serie "WandaVision"

© Marvel Studios / Disney+

SERIE

„WandaVision“ bringt das Marvelfeeling im Sitcom-Format zurück

Der Superhelden-Kinokonzern setzt auf den Bildschirm und überrascht mit einer ungewöhnlichen Serie.

Von Christian Fuchs

Die Pandemie war dann letztlich stärker als Thanos: 2020 ist tatsächlich kein einziger Film aus dem Marvel Cinematic Universe ins Kino gekommen. Ob man diesen Einschnitt als ohnehin überfällige Pause betrachtet oder die diversen Superheld*innen schmerzlich vermisst, muss jede*r für sich selbst entscheiden. Seit 2008 und dem Erfolg von „Iron Man“ hat es das jedenfalls nicht mehr gegeben.

Wann und in welcher Form man heuer längst fertiggestellte Blockbuster wie „Black Widow“ oder „The Eternals“ sehen wird, lässt sich trotz geplanter Kinostarts nicht abschätzen. Nicht nur zur Überbrückung setzt Marvel massiv auf den Disney+ Kanal und eine ganze Reihe von Serien, die erstmals massiv ins Kinouniversum eingebunden sind.

Zwar gab es bereits „Marvel’s Agents of S.H.I.E.L.D.“ oder auch beliebte Netflix-(Anti-)Helden wie Daredevil und Jessica Jones. Aber deren Abenteuer verliefen weitgehenden abgekoppelt von den sorgfältig vernetzten Ereignissen der Kinofilme. Nun zieht MCU-Guru Kevin Feige aber höchstpersönlich die Fäden bei den Bildschirm-Geschichten. Alles soll in naher Zukunft in einem gigantischen inhaltlichen (und kommerziellen) Crossover aus Blockbustern und Serien münden, bei dem der Kanal des Geldgebers Disney eine zentrale Rolle spielt.

Stills aus der Serie "WandaVision"

© Marvel Studios / Disney+

Nachhilfeunterricht in Fernsehgeschichte

Zu diesem Masterplan gehört es auch, diversen Nebenfiguren aus dem MCU via Miniserien einen zentralen Platz im Rampenlicht einzuräumen. „The Falcon and the Winter Soldier“, das von Fans heiß erwartete Captain-America-Spinoff, hätte den Reigen eröffnen sollen, aber Covid kam dazwischen.

Statt bewährter Superhero-Dynamiken macht nun mit „WandaVision“ eine Serie den Anfang, die junge Zielgruppen wohl ziemlich herausfordert. Weiß nämlich irgendjemand überhaupt noch, wie amerikanische Sitcoms aus den 50er und 60er Jahren ausgesehen haben? Kennt ein aktuelles Blockbuster-Publikum schwarzweiße Shows wie „Bewitched“ oder „I Dream of Jeannie“ mit ihren kitschigen Trautes-Heim-Kulissen?

Wohl eher nicht. Dass etwa im deutschen Sprachraum, wo „Verliebt in eine Hexe“ und „Bezaubernde Jeannie“ riesige Vorabend-Hits waren, die dazugehörigen Konservenlacher entfernt wurden, wissen auch nur mehr Zeitzeugen mit blendender Erinnerung. Marvel gibt nun aber Nachhilfeunterricht in Fernsehgeschichte.

Stills aus der Serie "WandaVision"

© Marvel Studios / Disney+

Kleinstadtidylle statt Avengers-Apokalypse

Wir erinnern uns: Am Ende von „Avengers: Endgame“ gehörte der Androide Vision (Paul Bettany) zu den Opfern der kosmischen Auseinandersetzung mit Thanos, nicht nur seine Partnerin Wanda Maximoff alias Scarlet Witch (Elisabeth Olson) trauerte um ihn. In „WandaVision“ finden sich die beiden vereint wieder, als Traumpaar in einer idyllischen Kleinstadt namens Westview.

Das Leben dreht sich dort um banale Alltagsereignisse. Wenn etwa Visions Bürochef mit seiner Frau zum Abendessen eingeladen wird, scheint die Avengers-Apokalypse etliche Lichtjahre entfernt.

Ja genau, „WandaVision“, die erste Serie, die direkt von den Marvel Studios produziert wurde, ist eine Sitcom-Parodie. Jeder Folge spielt in einer anderen Ära. In den ersten drei Episoden, die für diese Rezension vorab gesichtet werden durften, weicht der schwarzweiße Uralt-Look den knallbunten Farben der 70er. Kevin Feige erzählt in Interviews, dass der Bogen bis in die Gegenwart und zu satirischen Sitcoms wie „The Office“ gespannt wird.

Stills aus der Serie "WandaVision"

© Marvel Studios / Disney+

Die „Truman Show“ des Marvel-Universums

Das ist alles schön und gut und vor allem durchaus mutig. In den besten Momenten irritiert „WandaVision“ mit surrealen Ideen, die fast von David Lynch stammen könnten. Sitcom-Parodie heißt aber auch: Man muss den Humor dieser Serie mögen. Elisabeth Olson, Paul Bettany und Gaststars wie Kathryn Hahn schwelgen in cheesy Dialogen und kindischen Pointen.

Jede der ersten drei Folgen ist nach dem selben Schema gebaut: Immer, wenn die Smalltalk-Gags zu nerven beginnen, gibt es düstere Einbrüche in die heile Sitcom-Welt. Es gibt ein Außerhalb von Westview, unbekannte Kräfte scheinen das Geschehen zu steuern. „WandaVision“ ist wohl die „Truman Show“ des Marvel Universums, so viel darf man vermuten.

Stills aus der Serie "WandaVision"

© Marvel Studios / Disney+

225 Millionen Dollar haben die 9 halbstündigen Episoden gekostet, „WandaVision“ ist damit die teuerste Serie aller Zeiten. Nachdem man in den ersten Folgen von all dem Aufwand nichts sieht, darf man auf ein bombastisches Finale im Avengers-Stil hoffen/sich davor fürchten. Wenn man so lange dran bleibt. Denn bei all liebevollen Verbeugung an das antike Fernsehen wird auch überdeutlich: Sitcoms können eine ziemlich zähe Sache sein.

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