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Moritz Lanegger, Camilla Neumann und das 3x3 World Tour Team Graz

FIBA

Kann Österreich über 3x3 zur Basketballnation werden?

Die Basketballgroßmächte sind Österreich weit voraus, doch der österreichische Basketballverband ist bereit aufzuholen. Mit einer klaren Strategie will er das Basketballfieber im Land entfachen und mit einer Mannschaft zu den Olympischen Spielen nach Tokyo - und zwar nicht in der traditionellen Disziplin, sondern im 3x3. Einen ersten Ausblick dazu gibt’s dieses Wochenende in Graz.

Von Simon Welebil

Basketball ist eine der traditionsreichsten Sportarten und seit 1936 auch fix als Bewerb bei Olympischen Spielen vertreten. 55 Nationen haben seither bei Olympischen Spielen um Medaillen gekämpft, Österreich noch nie. Die Qualifikation für die großen Turniere war stets eine zu hohe Hürde für das kleine Land, und das betrifft nicht nur Olympische Spiele, in den letzten Jahrzehnten hat die österreichische Basketballnationalmannschaft auch die Qualifikation für die Europameisterschaft regelmäßig verfehlt.

„Basketball ist eine Weltsportart“, sagt Johannes Wiesmann vom Österreichischen Basketballverband, und verweist auf Milliardenumsätze der stärksten Basketballligen, allen voran die US-amerikanische Profiliga NBA. Österreich habe nicht die finanziellen Mittel oder die breite Verankerung in der Gesellschaft - wie etwa in Litauen -, um da vorne mitzuspielen.

Doch in den letzten Jahren hat sich im Basketballsport eine Tür geöffnet, durch die auch kleinere Nationen auf die große Bühne finden sollen, und diese Tür nennt sich 3x3.

3x3: Streetball mit genau definierten Regeln

3x3-Basketball ist im Prinzip nichts Neues. Man kennt es seit Jahren als Streetball, wo zwei Mannschaften aus je drei Spieler*innen gegeneinander spielen, auf einen Korb, mit wechselndem Ballbesitz. Der Weltbasketballverband FIBA hat Anfang der 2000er Jahre einheitliche Regeln für 3x3-Basketball, 2012 dann die erste Weltmeisterschaft abgehalten und im selben Jahr die 3x3 World Tour ins Leben gerufen.

Jetzt wird 3x3-Basketball bei den Olympischen Spielen in Tokyo sogar eine eigene olympische Disziplin, ganz im Sinne des Internationalen Olympischen Komitees, die Spiele attraktiver für ein jüngeres Publikum zu machen.

„Man kann im 3x3 leichter eine Basketballnation werden als im 5 gegen 5. Im 3x3 kann man sich sicher neu etablieren und sich neu finden“, sagt Moritz Lanegger, der gerade so eine Neufindung durchmacht. Lanegger hat fast fünfzehn Jahre im 5-gegen-5- Basketball Höchstleistungen gezeigt, mit Profistationen im In- und Ausland und etlichen Nationalteameinsätzen. Seit Sommer 2020 nimmt er eine Pionierrolle im 3x3-Basketball ein und ist Teil des ersten professionellen 3x3-Basketballteams in Österreich. Angestellt ist er beim Basketballverband.

2019 hat Lanegger neben seiner „normalen“ Basketballkarriere erste Auftritte mit dem neu formierten österreichischen 3x3-Nationalteam absolviert, wo sie sich gleich für die Europameisterschaften qualifizieren und dabei sensationell den sechsten Platz erreichen konnten. Diese Platzierung hat den Grundstein gelegt, um 3x3-Basketball in Österreich groß - und möglichst nachhaltig - aufzuziehen.

Moritz Lanegger mit FFP2-Maske

Simon Welebil / Radio FM4

Moritz Lanegger beim Interview auf der Wiener Schmelz

Mit großen Turnieren zu nachhaltigen Strukturen

Durch die gute Platzierung bei der Europameisterschaft hat der Basketballverband höhere Sportförderung vom Bund bekommen, und gleichzeitig die Zuschläge für die größten 3x3-Basketballturniere, die es in nächster Zeit geben wird.

Die 3x3 Weltmeisterschaften wurden als Erstes nach Österreich geholt und sollten ursprünglich dieses Jahr in Wien ausgetragen werden. Durch die Pandemie ist der Zeitplan allerdings ziemlich durcheinander gekommen. Die 3x3-Weltmeisterschaften sollen nun 2023 in Wien stattfinden, 2022 dafür die 3x3-Europameisterschaften in Salzburg, und der ganz große Coup ist kurzfristig gekommen. Im Mai soll das Qualifikationsturnier für die Olympischen Spiele in Tokyo auch noch nach Österreich, und zwar nach Graz.

Die Zuschläge für diese Großveranstaltungen haben die Entwicklung des 3x3-Basketballs in Österreich extrem beschleunigt, denn für diese Turniere soll eine möglichst wettbewerbsfähige österreichische Mannschaft bereitstehen. So hat sich Lanegger gemeinsam mit dem österreichischen 3x3-Nationalteamcoach und dem Verband auf die Suche nach einem kompetitiven Team gemacht:

„Im 3x3 ist es wichtig, dass man physisch spielen kann, dass man irgendwie ein Allrounder ist und alles kann, und so haben wir unsere Spielertypen ausgesucht.“ (Moritz Lanegger)

Vom Team, das 2019 den Überraschungserfolg bei der Europameisterschaft eingefahren hat, sind nur Lanegger und Matthias Linortner übrig geblieben. Toni Blazan und Renato Poljak haben es vorgezogen, noch weiter ihre 5-gegen-5-Karrieren zu verfolgen. Dazugekommen zum Kader sind dafür Filip Krämer, Nico Kaltenbrunner, Martin Trmal und Fabricio Vay.

Auf der 3x3 World Tour, bei der die Teams unter Städtenamen antreten, firmieren die sechs seit letztem Sommer als „Team Graz“, weil die Graz-Holding einer der prominentesten Sponsoren des Teams ist. Trainiert wird aber regelmäßig auf der Wiener Schmelz.

Moritz Lanegger, Camilla Neumann und das 3x3 World Tour Team Graz

FIBA

„Team Graz“ beim 3x3 World Tour Stopp in Debrecen, noch ohne Fabricio Vay

Die ersten Erfolge des ersten professionellen 3x3-Teams aus Österreich stellen sich schnell ein, ein siebter Platz auf der World Tour in Debrecen und ein Platz unter den Top 15 der Weltrangliste am Ende des Jahres.

„Dass es wirklich so gut funktioniert, hat sich von uns keiner gedacht, und auch von unseren Gegnern niemand.“ (Moritz Lanegger)

Als Team auf dem Court funktionieren sie vor allem über ihre Intensität. „Wir trainieren sehr hart, sodass wir sehr physisch spielen können“, sagt Lanegger und vermutet, dass sie für ihre Gegner ein sehr unangenehmes Team sind, weil sie verglichen mit etablierteren 3x3-Mannschaften etwas unorthodox spielen würden und viele Möglichkeiten hätten, um zu gewinnen.

Bedingungen für Frauen schwieriger

Das 3x3-Programm des Basketballverbands beschränkt sich nicht nur auf eine professionelle Herren-Mannschaft. Auch bei den Damen und im Nachwuchs wird mit viel Engagement gearbeitet, wenngleich hier die Voraussetzungen um einiges schwieriger sind, was vor allem mit den finanziellen Möglichkeiten zu tun hat.

Basketballspielerinnen in Österreich können von ihrem Sport allein nicht leben, sie bekommen höchstens „Aufwandsentschädigungen“. Die wenigen professionellen Basketballspielerinnen aus Österreich verdienen ihr Geld im Ausland. Wenn das schon im „normalen“ Basketball nicht funktioniert, geht es im 3x3 erst recht nicht, vor allem, weil die FIBA noch kein Äquivalent zur 3x3 World Tour für die Frauen etabliert hat. Es gibt währende der „normalen“ Basketballsaison deshalb kaum 3x3-Turniere. Die kommen erst danach.

So muss sich Camilla Neumann, eine der dominierenden Spielerinnen der österreichischen Liga, regelmäßig umstellen, vom 5 gegen 5 auf 3x3. „Das ist gar nicht so leicht, wie man sich das vielleicht vorstellt“, sagt sie, „es ist viel schneller und um einiges physischer.“ Vor allem das Umschaltspiel gelte es immer wieder zu trainieren, den schnellen Wechsel vom Angriff in die Defensive, und auch an den anderen Ball müsse man sich immer wieder gewöhnen.

Moritz Lanegger, Camilla Neumann und das 3x3 World Tour Team Graz

FIBA

Camilla Neumann bei einem Turnier in der Ukraine 2019

Dafür hält der Verband regelmäßig 3x3-Camps ab, mit einem erweiterten Kader von zwölf Spielerinnen. Ob Neumann schließlich Österreich auch bei der Olympiaqualifikation vertreten darf, ist noch offen. Zumindest in einer Angelegenheit hat Neumann ihren Teamkolleginnen aber schon etwas voraus. Sie hat schon Erfahrungen in einem großen, internationalen 3x3-Turnier gesammelt und hat bei der Universiade 2019 mit dem österreichischen Team die Silbermedaille erobern können.

„‚Fighten‘ ist das Wort für 3x3. Es ist ein Kampf vom Anfang bis zum Ende, ein zehnminütiger Sprint.“ (Camilla Neumann)

Von Graz nach Graz

Sowohl die Männer als auch die Frauen wollen im Mai die große Chance nutzen, sich in Graz für die Olympischen Spiele zu qualifizieren, auch wenn andere Nationen im Vorfeld noch stärker eingestuft sind.

„Das ist das Tolle am 3x3, es sind zehn Minuten und in zehn Minuten kann alles passieren. Wenn du einen guten Wurftag hast und viel triffst, kannst du theoretisch jedes Team schlagen, kannst aber auch gegen jedes Team verlieren“, sagt Neumann und schlägt damit ins gleiche Horn wie Lanegger: „20 Mannschaften spielen mit, drei davon bekommen ein Olympiaticket. Wir haben eine Chance und müssen versuchen, die zu nutzen.“

Davor stehen allerdings noch ein paar Standortbestimmungen an, die erste dieses Wochenende und auch in Graz. Der Dom im Berg wird zum Schauplatz für ein stark besetztes, internationales Einladungsturnier. Mit Russland ist sogar die aktuelle Nummer eins der 3x3-Welt dabei, daneben die Basketballgroßmächte Frankreich und Deutschland, und mit den Niederlanden auch ein kommender Gegner aus der Qualifikationsgruppe im vorolympischen Turnier.

TV-Hinweis:

ORF Sport + überträgt den 3x3 International Supercup am Freitag, 29.1.2021, ab 15.10 Uhr und am Samstag, 30.1.2021, ab 18.20 Uhr live. Eine Zusammenfassung des 3x3 Austrian Club-Championship der Damen folgt dann am Sonntag, 31.1.2021, ab 20.15 Uhr.

Auch wenn keine Fans in den Dom im Berg kommen können, hoffen die Spieler*innen dennoch, ein Basketballfeuer anfachen zu können, denn die Spiele werden alle im Fernsehen auf ORF Sport+ und im FIBA-Livestream übertragen.

Wenn es nach Moritz Laegger geht, hat 3x3-Basketball in Österreich ein riesiges Potenzial: „5-gegen-5-Basketball hat es nie geschafft, die Leute vom Streetball-Platz in die Halle zu bekommen. Mit 3x3 hat man vielleicht geschafft, dass man diese Leute anspricht. Man kann in Österreich vielleicht was schaffen, was man im 5 gegen 5 nicht geschafft hat: Das es interessant ist, weil man zu den Weltbesten gehört. Da kann sich eine interessante Dynamik entwickeln.“

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