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Bildschirmfoto aus dem Game "Cyber Shadow

Aarne "MekaSkull" Hunziker / Yacht Club Games

„Cyber Shadow“ ist ein perfektes Game im Retrostil - genügt das?

In den letzten Jahren sind wir mit einigen tollen Geschicklichkeitsspielen im 8-Bit-Stil verwöhnt worden. Wie es dazu kam, und was das für das aktuell erschienene „Cyber Shadow“ bedeutet.

Von Robert Glashüttner

Retrogaming, also das Spielen alter Computerspiele, kann oft wehtun. In der Theorie ist es toll: Man ruft schöne Kindheitserinnerungen ab, setzt sich deshalb als Erwachsener mal wieder vor ein Spiel, das man damals geliebt hat. 20 Minuten später folgt die Ernüchterung: Die persönliche Nostalgie hat uns einen Streich gespielt und ist mit der harten Realität nicht vereinbar. Digitale Spiele altern oft schlecht und sind dann - im Vergleich zu modernen Games - wahlweise zu herausfordernd, unfair, unlogisch, langweilig oder alles in einem.

Eine gute Möglichkeit, diese Enttäuschung zu umgehen, ist es, neue Spiele zu gestalten, die sich in Gamedesign und Präsentation an den Retrospielen orientieren, aber besser sind. Dann fühlt es sich beim Spielen im besten Fall so an, als wären die guten (verklärten) Spieleerinnerungen aus der Kindheit wieder manifest und gegenwärtig.

Besser als die Originale

Anfang der 2010er Jahre ist das frisch begründete, kalifornische Gamesentwicklerteam Yacht Club Games angetreten, die frühen Spieleerlebnisse ihrer Mitglieder in eine eigene Produktion zu gießen. Man sollte sich damit wieder wie in den 1980ern fühlen, aber natürlich in Wahrheit ein besseres Spiel spielen als jene der Vergangenheit. Der Titel: „Shovel Knight“. Ein pixeliger Ritter tritt dabei - nicht ganz unironisch - mit Helm und Schaufel stolz gegen einen Haufen Unholde an und versucht gleichzeitig, in keine Abgründe zu fallen. „Shovel Knight“ ist Mitte 2014 erschienen und hat den Beginn einer Reihe an 2D-Jump’n’Runs markiert, die fortan eine durchaus lukrative Nische in der Gameskultur besetzt. Diese Games waren gut genug, um nicht nur von älteren Nostalgiker*innen gespielt zu werden, sondern für unterschiedliche Zielgruppen - etwa Speedrunner*innen - interessant zu sein.

Bildschirmfoto aus der Computerspielreihe "Shovel Knight"

Yacht Club Games

„Shovel Knight“

In den letzten paar Jahren haben Games wie „Axiom Verge“, „The Messenger“, „Celeste“, „Gato Roboto“ oder „Kunai“ den Erfolg von „Shovel Knight“ fortgesetzt und das neue Genre der modernen 8-Bit-Jump’n’Runs weiter etabliert. Wer genau hinsieht und auf kleine Gamedesign-Details achtet, merkt, dass diese Spiele ihre Vorbilder von vor 35 bis 40 Jahren nur als Ausgangspunkt genommen haben. Ihre Pixelwelten sind hübscher, ihre Chiptunes-Soundtracks kraftvoller und der Spielfluss ist wesentlich geschmeidiger als bei den Originalen.

Wenig Platz für den guten Durchschnitt

Mehr als sechs Jahre nach dem ersten „Shovel Knight“-Teil gibt es in dieser Spielegattung heute also viel Auswahl. Das bedeutet allerdings auch hohe Anforderungen und Erwartungen für ähnliche Titel, die neu hinzustoßen. Von einem Jump’n’Run im Retrostil erwartet man technische Perfektion, abwechslungsreiches Leveldesign (das sich an den Klassikern orientiert, aber gleichzeitig neue bzw. moderne Elemente einbringt) und einen Schwierigkeitsgrad bietet, der fordert, aber nicht unfair oder frustrierend ist.

Bildschirmfoto aus dem Game "Cyber Shadow

Aarne "MekaSkull" Hunziker / Yacht Club Games

„Cyber Shadow“

All diese Tugenden werden von einem ganz aktuellen Game namens „Cyber Shadow“ perfekt vorgeführt, und doch fühlt es sich so an, als ob das 2021 nicht mehr genug wäre. Das Spiel orientiert sich einer Serie namens „Ninja Gaiden“ für das NES (Nintendo Entertainment System), bei der nicht nur gelaufen und gesprungen wird, sondern man als Ninja auch ständig das Katana schwingt. In „Cyber Shadow“ macht man das selbstverständlich wesentlich eleganter, und wir verbessern im Laufe des Spiels auch unsere Ausrüstung und unser Schwert. Es kann dann etwa Feuerbälle schießen oder - wie beim Schaufelritter - vertikal Mauern zerschlagen und Monster aufspießen.

Elementare, Essenz und Energie

Leider ist die Hintergrundstory von „Cyber Shadow“ zu vernachlässigen - es ist eine schablonenhafte Sci-Fi-Dystopie im Stil von „Terminator“, nur, dass sich hier ein Clan von spirituellen, fernöstlichen Krieger*innen den Maschinen in den Weg stellt. Hanebüchene Geschichten sieht man pixeligen Geschicklichkeitsspielen aber üblicherweise nach. Es geht dabei ja nicht um eine epische Erzählung, sondern ein stimmiges Spielerlebnis.

„Cyber Shadow“, entwickelt von Aarne „MekaSkull“ Hunziker, ist im Vertrieb von Yacht Club Games für Windows, MacOS, Linux, PS4, Xbox One und Switch erschienen.

Abseits der Story trifft „Cyber Shadow“ alle Noten: Die Steuerung der Figur ist präzise, die Levels sind herausfordernd, aber nicht frustrierend. Es gilt, gezielte Sprünge und präzise Schläge zu machen und sich auch mal Zeit zu lassen, um erfolgreich durch eine schwierige Passage zu kommen. Die Bosskämpfe verlangen uns manchmal einiges ab, sind aber (visuell) nie überfordernd oder unübersichtlich: Nach ein paar Versuchen versteht man das jeweilige Angriffsmuster und weiß zumindest mal, was zu tun ist. Der einzige Wermutstropfen ist eine ziemlich geradlinige Levelstruktur.

Guter Lückenfüller

Trotz der hohen Produktionsqualität und obwohl das Spiel Spaß macht, ist „Cyber Shadow“ nichts Besonderes. Zwar ist die Reduktion aufs Wesentliche etwas, das Geschicklichkeits-Games im 80er-Retrostil im Vergleich zu vielen vergleichbaren Games auszeichnet, dennoch hätte es hier das eine oder andere spezielle Feature gebraucht, das man bei der Konkurrenz so noch nicht gesehen hat.

Bildschirmfoto aus dem Game "Cyber Shadow

Aarne "MekaSkull" Hunziker / Yacht Club Games

„Cyber Shadow“: Der Protagonist stellt sich einem Bosskampf.

Wer von modernen 8-Bit-Geschicklichkeitsspielen nicht genug bekommt, wird „Cyber Shadow“ dennoch sehr schätzen. Unter anderem deshalb, weil die zuständige Vertriebsfirma Yacht Club Games für Qualität bürgt - es sind immerhin die Entwickler*innen der „Shovel Knight“-Serie. Das Spiel ist auch eine gute Beschäftigung, um sich die Wartezeit zum nächsten großen 2D-Jump’n’Run zu verkürzen, das in Sachen Qualität und Umfang - so, wie sein Vorgänger - eindringlich begeistern wird: „Hollow Knight: Silksong“.

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