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Protest gegen die Abschiebung von Familien in den Kaukasus

APA/CHRISTOPHER GLANZL

Protest gegen umstrittene Abschiebung von Wiener Schülerinnen war vergeblich

In der Nacht von Donnerstag auf Freitag wurden mehrere Familien aus Kaukasus-Staaten abgeschoben, unter ihnen auch gut integrierte Schülerinnen. Freund*innen und Mitschüler*innen haben sich erfolglos für ihren Verbleib eingesetzt.

Von Lukas Lottersberger

Update: Dieser Artikel ist bereits am 27.1. erschienen und wurde nach den Ereignissen am 28.1. überarbeitet

Der Protest von rund 160 Personen gegen die Abschiebung von Familien, unter ihnen bestens integrierte Schülerinnen in Kaukasus-Staaten, hat ihre Abschiebung nicht verhindern können. Die Polizei hat unter Einsatz von Gewalt den Protest, an dem unter anderen auch Nationalratsabgeordnete der Grünen, SPÖ und Neos beteiligt waren, in der Nacht aufgelöst. Mehr dazu auf wien.ORF.at

Journalist*innen und andere Beobachter*innen des Polizeieinsates waren empört über die Schärfe der Maßnahmen.

Der Fall am Gymnasium Stubenbastei

Die 12-jährige Tina ist Schülerin am Gymnasium Schottenbastei in Wien. Am Montag soll die Polizei bei der Familie gewesen sein und sie aufgefordert haben, ihre Koffer zu packen. Die Nachricht wurde in den Sozialen Medien vielfach geteilt. „Mitten in der Pandemie?“ In den Kommentarspalten wundern sich viele darüber, dass unter den aktuellen Umständen Menschen abgeschoben werden.

Die Mitschülerinnen und Mitschüler von Tina haben am Dienstag eine Petition gestartet, die anfangs eine Handvoll Unterschriften hatte. Am Mittwochnachmittag haben bereits über 15.000 Menschen unterschrieben.

„Wir haben erst am Montag von der Abschiebung erfahren“, sagt Schulsprecher Timo Haas vom Gymnasium Stubenbastei. Von Tinas Vater hat die Schülervertretung erfahren, dass es ihr „den Umständen entsprechend, aber gut“ gehe, sagt die stellvertretende Schulsprecherin Viktoria Bartl.

Die Schulgemeinschaft macht sich große Sorgen, dass Tina in Georgien wenig Perspektiven hat, denn: „Den einzigen Bezug, den [Tina und ihr kleiner Bruder] zu Georgien haben, sind die Großeltern. Das heißt, sie können zwar Georgisch sprechen, aber Lesen und Schreiben geht nicht." Viktoria stellt es sich schwer vor, dass sie unter diesen Umständen gut Fuß fassen könnten. „Was hast du da für eine Zukunft?“, fragt sie sich.

Der Anwalt der Familie, Wilfried Embacher, bestätigt das und erklärt das Problem dahinter: „Wie in vielen anderen Fällen wird die Situation der Kinder – obwohl es gesetzlich vorgesehen ist – einfach nicht ausreichend berücksichtigt.“ Die Kinder müssen in den meisten Fällen dem rechtlichen Schicksal der Eltern folgen, obwohl das Kindeswohl vorrangig behandelt werden sollte, erklärt der Anwalt.

Empörung in der Politik

Auch in der Politik gab es einige Stimmen, die auf eine humanitäre Lösung gehofft haben. Minister Rudi Anschober (Grüne) wollte den Fall prüfen lassen. Der Wiener Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (NEOS) und SPÖ-Stadtrat Jürgen Czernohoszky schrieben auf Twitter auf Twitter:

Mitschüler*innen hofften bis zur letzten Sekunde

Am Mittwochnachmittag haben Schülerinnen und Schüler vor dem Familien-Schubhaftzentrum in Simmering gegen die geplanten Abschiebungen demonstriert. Die Chancen, dass in letzter Minute das Ruder noch herumgerissen werden kann, schwinden aber immer, je näher der Abschiebetermin rückt, erklärt Herbert Langthaler von der Asylkoordination: „Sehr oft wissen die Mitschülerinnen und die Lehrerinnen nicht, in welcher Situation die Leute sind.“ Er appelliert daher an alle Beteiligten, „dass sie sich früher an Rechtsberatungsstellen wenden sollen und vielleicht auch früher versuchen sollen, über Interventionen da etwas zu erreichen und nicht wenn eine Abschiebung unmittelbar bevorsteht.“

Die Asylkoordination fordert, dass während der Pandemie Abschiebungen ausgesetzt werden, besonders in Länder, wo die Sicherheitslage ohnehin angespannt ist - was allerdings bei Georgien nicht der Fall ist. Nach Informationen der APA sei der Fall von Tinas Familie zumindest rechtlich eindeutig.
Die Familie befinde sich bereits seit vier Jahren unrechtmäßig im Land und ihre lange Aufenthaltsdauer in Österreich sei „nicht zuletzt wegen beharrlicher Nichteinhaltung der behördlichen Vorgaben gegeben“. Alle Instanzen hätten die diversen Asylanträge der Familie negativ beurteilt.

Für Tina hat es keine Ausnahme gegeben, obwohl Schulsprecher Theo und seine Stellvertreterin Viktoria die Hoffnung auf ein Happy End nicht aufgegeben haben: „Wir hoffen bis zur letzten Minute, dass es funktioniert“, sagt Viktoria. „Und dass Tina und ihre Familie bleiben dürfen“, fügt Theo hinzu. Immerhin sei Tina in Österreich geboren und die Familie bereits seit sieben Jahren durchgehend hier. „Sie sind eine perfekt integrierte Familie, haben viele Freunde hier und Österreich ist einfach ihre Heimat“, erklärt Theo. „Jetzt jemanden abzuschieben, aus seiner Heimat - meiner Meinung nach wäre das eine inhumane Entscheidung, wenn wir es nicht schaffen, es zu verhindern.“

Kein Einzelfall

Doch Tina ist derzeit nicht der einzige Abschiebefall. Auch an der Höheren Bundeslehranstalt für wirtschaftliche Berufe, der HLW10 in Wien, einer Höheren Bundeslehranstalt für wirtschaftliche Berufe, sollte eine armenischstämmige Schülerin abgeschoben werden. Eine Mitschülerin hat dieses Video dazu gepostet (Repost von Melisa Erkurt):

Abschiebeflüge sind in der Corona-Pandemie übrigens nie ausgesetzt, aber reduziert worden. So waren etwa im Dezember mehrere im Verfahren gescheiterte Flüchtlinge nach Afghanistan gebracht werden. Doch erst mit der Abschiebung von Kindern werden Stimmen aus der Öffentlichkeit laut.

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