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Nächtliche Abschiebung

APA/CHRISTOPHER GLANZL

Interview

Nächtliche Abschiebungen: „Ein Schauspiel, um die Grünen zu provozieren“

Nach der nächtlichen Abschiebung von drei Schülerinnen und ihren Familien in den Kaukasus kommt viel Kritik an dem Einsatz auf. Falter-Chefredakteur Florian Klenk, der beim Einsatz dabei gewesen ist, schildert seine Eindrücke im Interview.

In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag ist die Abschiebung von drei Schülerinnen trotz massiver Proteste durchgeboxt worden. Stundenlang sind sie in einem Kleinbus gesessen, bevor die Polizei mit Spezialeinheit und Hundestaffel eine Blockade von Protestierenden geräumt hat. Falter-Chefredakteur Florian Klenk war in der Nacht dabei. Irmi Wutscher hat ihn zu seinen Eindrücken befragt und ihn um eine Einschätzung gebeten.

Irmi Wutscher: Du bist heute Nacht bei der Abschiebung von diesen drei Mädchen dabei gewesen. Beschreib doch, wie das war, was du da erlebt hast.

Florian Klenk: Also die Abschiebung hat so gegen 2 Uhr begonnen. Da saßen diese Mädchen in einem Bus mit ihrer Mutter, ein sehr kleines Mädchen und ein Schulkind und der Bus war eingezwickt vorne und hinten. Es war die ganze Fahrzeugkolonne von Polizeiwägen und vorne und hinten haben sich die Demonstranten und Demonstrantinnen, das waren wahrscheinlich Schüler oder junge Studenten auf die Straße gesetzt und haben dort so Einkaufswägen, die herumgestanden sind, zu so einer Barrikade gemacht. Haben ein bisschen Sperrmüll aufgeschlichtet und haben gesagt: Da gibt’s kein Durchfahren. Und dann ist diese Situation irgendwie ganz seltsam geworden, weil die Polizei offensichtlich keine Alternative hatte, als da vorbeizufahren. Und jetzt sind sie dort drei Stunden in der Eiseskälte mit den Bussen gestanden. Die Kinder sind in dem Bus gesessen, die Fotografen haben die Kinder fotografiert. Und das, was mich jetzt dann sozusagen doch erschüttert hat, war, dass dort Beamte waren mit Polizeihunden, mit so richtig kläffenden Hunden, dass die Wega gekommen ist, mit schwarzen Sturmhauben, wie sie Einbrecher haben, also nicht Covid-Masken, sondern schwarze Sturmhauben und immer mehr Polizei gekommen ist. Auf einmal waren da 200-300 Polizisten und man hat geglaubt, es ist ein Terroranschlag passiert und die haben da Jihadisten verhaftet, die man irgendwie ins Hochsicherheitsgefängnis bringen will. Aber nicht zwei Schulkinder.

Die Rolle der Polizei wird ja oft kritisiert. Gestern war sie eben nicht nur brutal oder eben gefährlich aussehend, sondern soll auch höhnisch gegenüber den Demonstrierenden gewesen sein. Angeblich haben sie gesagt „Winkt ihnen noch mal!“

Die Polizei war nicht brutal in dem Sinne, sondern die Polizei war unverhältnismäßig in ihrer Kostümierung und in dem ganzen martialischen Gehabe. Das war das Merkwürdige. Sie waren auch ungehalten gegenüber Medienleuten. Also mir gegenüber hat wer gesagt „Die Scheißhäuslzeitung“, oder solche Bemerkungen. Ich nehme das nicht wahnsinnig ernst, aber es war einfach ungewöhnlich unprofessionell, das Ganze. Ich habe mittlerweile in Erfahrung gebracht dass dieser Einsatz von Karl Nehammer so angeordnet war. Es war nicht einfach nur eine Polizeimaßnahme, sondern das ist im Kabinett des Innenministeriums genauso erwünscht worden. Dass hier also mit voller Härte die Abschiebung durchgeführt wird. Man hat hier die Grünen offensichtlich auch blöd sterben lassen, weil man gesagt hat, man wird den Fall prüfen. Den hat man nicht mehr geprüft, sondern nachmittags ist die Abschiebung angesetzt worden auf 3 Uhr Nacht. Ich kann auch nicht verstehen, warum man das mitten in der Nacht macht, warum man Kinder, die ganz klein sind, stundenlang in einem Bus sitzen lasst. Draußen die Hunde, die Maskenmänner von der Wega. Das war alles völlig übertrieben. Es war ein Schauspiel, um die Grünen zu provozieren.

Gibt’s da Ähnlichkeiten zu anderen Abschiebungen oder Unterschiede wie z.B. 2007 bei der Familie Zogaj?

Die Innenminister haben früher versucht, solche ganz traumatischen Fälle - ich erinnere auch an die Komani-Zwillinge - das ist dann immer abgeblasen worden. Oder man hat versucht, das aus den Medien zu halten und zu deeskalieren. Es gab früher einfach auch eine eigene Abteilung, die das angeschaut hat, damit solche Abschiebungen nicht in dieser martialischen Inszenierung vor laufenden Kameras stattfinden. Und jetzt hat man das halt gesehen. Und das ist ein Signal. Also das heißt, die Grünen haben hier sozusagen von der ÖVP ein ganz deutliches Signal bekommen, dass ihre Sicht der Fremdenpolitik sich nicht durchsetzen wird. Dass die ÖVP hier sozusagen eine ganz, ganz sture Linie fahren wird, und dass man auch die Minister Anschober, Kogler, aber auch Sigrid Maurer einfach brüskiert.

Wie kann das sein, dass Kinder hier geboren sind, in die Schule gehen, Teil der Gesellschaft sind, abgeschoben werden und das auch noch mitten in einer Pandemie?

Das ist juristisch kompliziert. Die Mutter hat von Anfang an sehr schnell signalisiert bekommen, dass sie nicht bleiben darf. Die Mutter hat hier fremdenrechtlich einfach keinen Rechtsstandpunkt, der argumentierbar wäre. Anders ist es mit den Kindern, die natürlich für das Verhalten der Mutter nichts können, aber haftbar gemacht werden. Und das österreichische Recht sieht vor, dass man erst nach 5 Jahren Aufenthalt ein Recht hat hierzubleiben, wenn ein großer Teil davon - ich glaube 2 oder 3 Jahre - legal sind. Das war hier nicht gegeben. Das heißt wahrscheinlich hätte die Mutter einer Abschiebung nicht entgehen können mit den Kindern. Die Frage ist nur, wann macht man das? Wie macht man das? Gibt man den Kindern die Möglichkeit, wieder zurückzugehen? Gibt man ihnen die Möglichkeit, hier eine Ausbildung fertig zu machen? Lässt man die Wurzeln, die die Kinder geschlagen haben, dann auch in der Falleinzelanalyse betrachten und sagt: Okay, wir hacken diese Wurzeln nicht ab, sondern wir lassen da Gnade vor Recht ergehen. Es müsste eine Art fremdenrechtliches Gnadenrecht geben, das es möglich macht, dass man solche Fälle in einer liberalen, verhältnismäßigen Demokratie auch so löst. Und das ist abhanden gekommen. Und darum regen sich auch so viele Leute auf.

Siehst du noch irgendeine Chance, dass die drei wieder zurück nach Österreich können?

An und für sich haben sie jetzt ein Aufenthaltsverbot, wenn sie abgeschoben werden. Das wird sehr schwierig werden. Ich glaube, 18 Monate, wenn ich es richtig im Kopf habe. Es ist sehr schwierig, da wieder zurückzukommen, wenn man mal abgeschoben wird, weil sie nicht freiwillig ausgereist sind. Also das wird wahrscheinlich nicht möglich sein. Es gibt ja auch noch einen zweiten Fall in Niederösterreich, der ein bisschen anders gelagert ist, wo die Chancen vielleicht ein bisschen höher sind. Auch da sind kleine Kinder betroffen, die hier die letzten 5 Jahre gelebt haben. Also wenn der Innenminister schon der Meinung ist, dass das Gesetz leider zu hart ist und das muss man verstecken, dann muss man vielleicht mal darüber diskutieren, ob man dieses Gesetz nicht ändert. Es gibt ja Initiativen, die vorsehen, dass Kinder, die hier geboren sind, stärkere Aufenthaltsrechte bekommen und vielleicht sogar die Staatsbürgerschaft bekommen. Also wenn man ein bisschen kreativ ist, dann kann man diesen ganz kleinen Prozentsatz an Fällen durchaus menschenrechtskonform lösen.

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