Musikerin und Produzentin SOPHIE ist tot
Von Martin Pieper
SOPHIE hat schon zu Beginn ihrer Karriere mit ihren Tracks für das Label PC Music ein ganz neue Idee von Popmusik formuliert. Kurze Schnipsel von aktuellen Popsounds, hochgepitchte Vocals, ultranervös und gleichzeitig gewollt auf Glätte produziert - das eröffnete Mitte der 10er Jahre einen neuen Blick auf das Spiel mit digitalen und popkulturellen Codes.
— Transgressive (@transgressiveHQ) 30. Januar 2021
Mit wenigen, dafür aber immer stilbildenden Singles wie „Blip“ oder „Lemonade“ prägte SOPHIE diesen Metapop, der gleichzeitig Affirmation und Pastiche, Avantgarde und Dancefloorkracher war. Ihr erstes Album (2015) nannte sie mit ironischem Zwinkern „Product“ und simulierte mit dem Projekt Qt, das rund um einen fiktiven Energydrink(!) gebastelt wurde, ein industriell hergestelltes Pop-Produkt. Selbst für Madonna hat SOPHIE zum Track „Bitch I’m Madonna“ ihre referenzreiche Soundarchitektur beigesteuert.
Nach dieser Phase der durchaus absichtlich gesichtslos gehaltenen Producer-Identität, öffnete sich die in Glasgow geborene Musikerin mit ihrem zweiten Album in vielerlei Hinsicht. 2018 erschien das Album mit dem schönen Titel „Oil of Every Pearl’s Un-Insides“. In den Videos war SOPHIE auf einmal selbst zu sehen. Sie machte ihr Trans-Sein öffentlich und vor allem: SOPHIEs Stimme war plötzlich zu hören. Natürlich war auch diese neue Entwicklung weit weg von jeder bekennntnishaften Authentizität. Die Meta-Pop Exkursionen bekamen einen zusätzlichen Herzschlag und zusätzlich zu K-Pop Anleihen, und zerfetztem R’n’B, stand plötzlich auch die Powerballade am Programm. Das herzzerreißende „It’s Okay to Cry“ war der diesbezügliche Höhepunkt in SOPHIEs viel zu kurzer Karriere. Ähnlich wie die auf mancher Ebene verwandte Seele Arca blieb Sophie trotz aller Verlockungen und auch Liebe zur „richtigen Popmusik“ immer ihrem Weg treu, die Grenzen genau dieser Popmusik auszuloten, solange bis es mitunter auch wehtut.
SOPHIE war gerade dabei, ein neues Kapitel ihrer musikalischen Erkundungen zu schreiben. Remixes für befreundete Künstlerinnen und ein vor kurzem erschienener vielgelobter Remix ihrer Durchbruchs-Single „Blip“ von den von ihr sehr verehrten Autechre. Und just diese Woche hat SOPHIE einen neuen Track namens „UNISIL“ veröffentlicht, kein Abgesang sondern zappelnde zwei Minuten Elektronik, mit artifiziellen Jauchzern und so nach vorne stürmend, dass ihr plötzlicher Abtritt umso verheerender erscheint. Man möchte gar nicht daran denken, was da noch alles gekommen wäre.
Sophie was a stellar producer, a visionary, a reference. She rebelled against the narrow, normative society by being an absolute triumph, both as an artist and as a woman. I can’t believe she is gone. We need to honor and respect her memory and legacy. Cherish the pioneers. pic.twitter.com/3kyRl1KabY
— Chris (@QueensChristine) 30. Januar 2021
Publiziert am 30.01.2021