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Werni Stock beim Testevent der Natural Selection Tour

Natural Selection Tour

Natural Selection Tour: Hype um den Snowboard-Contest im Tiefschnee

Travis Rice, der letzte verbliebene Superstar des Snowboardens, zieht sein neuestes Projekt groß auf. Mit der „Natural Selection Tour“ veranstaltet er drei Snowboardcontests, die allerdings nicht im Snowpark, sondern im Tiefschnee stattfinden. Die Crème de la Crème des Snowboardens ist mit dabei, unter ihnen auch die Österreicher*innen Anna Gasser, Gigi Rüf und Werni Stock.

Von Simon Welebil

Snowboard-Contests stecken gewissermaßen in einer Krise, und das nicht erst seit Corona. Die großen Contests, die durch tausende Zuseher*innen zu wahren Events geworden sind, wie der Air+Style, sind allesamt verschwunden. Das hat einerseits sicher mit der schwierigen wirtschaftlichen Lage der Snowboard-Industrie zu tun, deren Boom-Zeiten schon lange vorüber sind. Andererseits liegt das wohl aber auch an der rasanten Entwicklung des Contest-Snowboardens, das sich immer mehr vom Lifestyle- zum Leistungssport entwickelt hat, und sich in puncto Tricks und Athletik so weit von den Erlebnissen der Durchschnitts-Snowboarder*innen entfernt hat, dass die nicht mehr mitkommen.

Der erste Contest der Natural Selection Tour findet zwischen 3.2. und 9.2. 2021 statt und wird live im Web gestreamt.
Der erste Contest-Tag ist mittlerweile für den 4.2. um 17:30 MEZ bestätigt worden.

Um aus dieser Lage wieder herauszukommen, braucht es wahrscheinlich einen der letzten verbliebenen Superstars des Sports, der das Heft in seine Hand nimmt. Travis Rice ist einer der wenigen, der in den letzten Jahren mit seinen Blockbuster-Filmen „The Art of Flight“ (2011) oder „The Fourth Phase“ (2016) noch ein Mainstream-Publikum erreicht hat. Schon damals hat er Pläne gewälzt, eine eigene Backcountry-Contest-Serie ins Leben zu rufen, um den „komplettesten“ Snowboarder zu küren. Fünf Jahre später steht die „Natural Selection Tour“ nun endlich in den Startlöchern, und der Hype darum ist riesig.

Travis Rice im FM4 Studio

Simon Welebil / Radio FM4

Travis Rice im FM4 Studio 2016

Eine Contestserie im Tiefschnee

Die Geschichte der Natural Selection Tour geht aber noch länger zurück als bis 2016. Bereits 2008 hat Travis Rice seinen ersten Contest im Tiefschnee von Jackson Hole, Wyoming veranstaltet, schon damals unter dem Namen „Natural Selection“, 2012 und 2013 dann den „Super Natural“ und den „Ultra Natural“, den übrigens der Vorarlberger Gigi Rüf gewinnen konnte.

Das Konzept ist seit damals im Großen und Ganzen gleich geblieben. Auf einem unverspurten Berghang sollten sich die Snowboard Pros möglichst kreativ austoben können und Runs hinlegen, wie man sie sonst nur aus Snowboard-Videos kennt. Nur die Dimensionen haben sich verändert. Mit dem zweiten Contest wurde bereits begonnen, den Contest-Hang schon im Sommer zu präparieren. Die natürlichen Features wie Felsen und Klippen wurden mit Rampen und Landungen aus Holz optimiert und ergänzt, um den Snowboardern noch mehr Möglichkeiten für Tricks zu bieten.

Das besondere bei der Natural Selection sei, dass man so einen Contest nicht einstudieren könne, sagt der Zillertaler Werni Stock über den Event.

„Man kann nicht auf den Airbag gehen diesen einen Trick lernen, den du dann auf dem perfekten Park-Kicker machst, sondern du musst dich dem Gelände anpassen.“ (Werni Stock)

Hier gut abzuschneiden erfordere sehr viel an Erfahrung, um Absprünge und Landungen richtig einschätzen zu können, und viel Gefühl für den Schnee.

Werni Stock hat bereits letztes Jahr beim Testevent für die Natural Selection Tour 2021 einen ersten Eindruck von den Anforderungen für den Contest gewinnen können: „Der Kurs geht so schnell, da macht’s Klatsch, Klatsch, Klatsch und du fährst von Feature zu Feature. Du landest im Tiefschnee, musst dich sofort wieder orientieren. Es gibt keine gerade Linie. Es geht voll zur Sache.“

Werni Stock und Travis Rice beim Testevent der Natural Selection Tour

T. Bird / Red Bull Content Pool

Werni Stock und Travis Rice 2020

Doch wie es scheint, kommt Werni Stock damit ganz gut zurecht. Beim Testevent ist er von all den anderen Rider*innen zum „Standout Rider“ des Events gewählt worden.

Werni Stock und die Snowboard-Core-Szene

Der Zillertaler Werni Stock ist Anfang der 2010er Jahre der erfolgreichste österreichische Contest-Fahrer gewesen, in den letzten Jahren allerdings aus der breiten Öffentlichkeit verschwunden. Statt auf Contests hat er sich vor allem auf das Filmen im Backcountry konzentriert und sich dort vor allem auch durch die Zusammenarbeit mit den Shredbots einen Namen als extrem stylisher Rider in der Snowboard-Core-Szene gemacht.

2019 hat Werni Stock gemeinsam mit dem Filmer Julian Pintarelli seinen ersten eigenen Film produziert, „Local Surroundings“, der komplett im Zillertal entstanden ist und vor allem ihn selbst und seine Freunde Tom Tramnitz und Mario Wanger zeigt.

Dabei sein ist (fast) alles

Seine Performance als „Standout-Rider“ des Testevents hat Werni Stock schließlich auch eine Einladung zur richtigen Natural Selection Tour diesen Winter eingebracht. Für ihn stellt alleine schon diese Teilnahme das Highlight seines bisherigen Snowboarder-Lebens dar, denn um eine solche Einladung hat sich die ganze Crème de la Crème des Snowboardens bemüht.

Travis Rice hat schließlich die 16 Snowboarder und erstmals auch 8 Snowboarderinnen ausgewählt, die bei seinem Event an den Start gehen dürfen und dabei sowohl die verschiedenen Arten des Freestyle-Snowboardens als auch die Generationen vereint. Ein bisschen Name-Dropping muss an dieser Stelle sein. Neben X-Games- und Olympiasieger*innen wie Sage Kotsenburg und Jamie Anderson sind auch die letzten Weltmeister*innen der Freeride World Tour Nils Mindnich und Marion Haerty mit dabei. Und die prägenden Akteure des Backcountry-Snowboardens der letzten Jahrzehnte wie Mikkel Bang oder Elias Elhardt dürfen natürlich auch nicht fehlen. Die ältesten Fahrer sind knapp 40 Jahre alt, die jüngste Teilnehmerin ist 19, dazwischen liegen mindestens drei Generationen an Snowboarder*innen.

Wie stark und prominent das Riderfeld ist, wird allein dadurch klar, wenn man sieht, wer sich für eine Wildcard beworben hat und schließlich nicht berücksichtigt wurde, etwa Stale Sandbech oder Danny Davis.

Aus heimischer Sicht ist es sehr erfreulich, dass Werni Stock nicht der einzige österreichische Snowboarder ist, der bei der Natural Selection Tour mitfährt. Gigi Rüfs Einladung ist für die Szene ein No-Brainer, in den letzten Wochen ist auch noch Anna Gasser hinzugekommen.

Werni Stock beim Testevent der Natural Selection Tour

Natural Selection Tour

Werni Stock beim Natural Selection Testevent 2020

Wer sind die komplettesten Snowboarder*innen?

Alleine dabei zu sein ist also schon eine große Leistung und vor allem was Medienaufmerksamkeit und Social-Media-Reichweiten angeht, schon sehr viel wert für die Rider*innen, auch für ihre eigene Vermarktung. Für Werni Stock wird es ein lässiges Come-Together sein, doch wenn er schon in Jackson Hole, Wyoming an den Start gehen kann, will der Contest-Rider in ihm auch abliefern.

Wer sich unter diesen Fahrer*innen als für Travis Rice komplettesten und besten „All Mountain Freestyle Rider on the Planet“ erweisen wird, ist völlig offen. Gefahren wird der Contest jedenfalls in einem Head-to-Head-Format. Die Gegner*innen werden gelost und müssen zu Duellen über drei Runs gegeneinander antreten. Wer sich in Jackson Hole durchsetzen kann, kommt eine Runde, in diesem Fall zum zweiten Tourstopp der Natural Selection Tour nach British Columbia in Kanada.

Wenn es nach Werni Stock geht, dann sind die erfahrensten Rider*innen in der Favoritenrolle, wie Gigi Rüf und Travis Rice selbst. Dass sich Rider*innen, die noch relativ frisch aus dem Contest-Snowboarden kommen im für sie eher ungewohnten Terrain oft Probleme haben, hat man 2012 etwa bei Mark McMorris sehen können. Der damals blutjunge X-Games und Air+Style-Champion hat bei seinem ersten Antreten im Tiefschnee keinen einzigen seiner Tricks landen können.

So glaubt etwa auch Anna Gasser, die ihre großen Erfolge bis jetzt in perfekt präparierten Snowparks gefeiert hat, dass sie sich bei ihrem Antreten im Backcountry schwer tun wird und zählt sich auf keinen Fall zu den Favoritinnen. Für sie geht es vor allem darum, die Erfahrung mitzunehmen und darauf aufzubauen, um nach den Olympischen Spielen 2022 ins Backcountry zu wechseln und ihre Karriere mit Filmarbeit fortzusetzen, ein Schritt, der erst langsam auch für Frauen möglich wird.

Die Tricks auf der Natural Selection Tour werden jedenfalls um einiges nachvollziehbarer sein als im Snowboard-Weltcup. Statt Triple Corks 1620’s werden wir eher 720’s und 1080’s sehen. „Der Großteil wird eher auf Flow gehen, schöne Tricks, stylish und richtig cooles Snowboarden zeigen, so wie wir es in den Filmen auch immer machen“, vermutet Werni Stock und hält das hoch, weil damit das Snowboarden in die Richtung gepusht wird, die auch er verfolgt, „als Lifestyle-Sport, nicht als Akrobatik und Athletik.“

Große Pläne für die Natural Selection Tour

Für den ersten Stopp der Natural Selection Tour 2021 gibt es ein Contest-Fenster von 3.2.-9.2. An den beiden Tagen mit den besten Bedingungen wird der Contest gefahren und dann auch live und gratis im Web gestreamt. Der zweite Tourstopp in Kanada soll dann in der ersten Märzwoche stattfinden und das Finale in Alaska von 20.-27. März.

Wenn es nach Werni Stock geht, sollte man sich keine Minute dieser Events entgehen lassen: „Das wird Next-Level. Es sind die richtigen Fahrer dabei, die richtigen Leute, und ich glaube, dass das für unseren Sport ein sehr wichtiger Contest wird.“

Und wenn alles gut geht, stehen schon Pläne für eine Erweiterung der Tour an. Laut Werni Stock ist Travis Rice etwa schon zum Location Scouting in Europa gewesen, im Zillertal oder in Laax, und auch Japan ist für ihn als Tourstopp interessant. „Ich bin mir sicher, dass das jetzt keine Eintagsfliege bleibt, denn so einen Aufwand betreibt man nicht nur für ein Jahr. Da ist eine große Tour im Kommen, auf die wir dann sicher hinfiebern werden.“

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