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Demonstration anl. der aktuellen Abschiebepolitik der Regierung am Donnerstag, 28. Jänner 2021 in Wien

APA/HANS PUNZ

auf laut

Kinderrechte in Asylverfahren

In vielen Fällen stellen die Behörden das geltende Asyl- und Fremdenrecht über die Kinderrechte.

Von Barbara Köppel

FM4 Auf Laut: „Härtefall Abschiebung“

In FM4 Auf Laut sprechen wir heute Abend weiter über das Thema Abschiebungen.

Lukas Gahleitner-Gertz, Sprecher der NGO Asylkoordination, ist zu Gast. Wir erwarten außerdem Berichte von Mitschülerinnen von Tina und Sona – und ihr sollt natürlich mitdiskutieren.

Los geht’s um 21 Uhr.

Anrufen unter 0800 226 996

Letzte Woche wurden in Wien drei Schülerinnen und Schüler und ein Kindergartenkind abgeschoben: Die 12-jährige Tina und ihre 5-jährige Schwester Lea, die in Österreich geboren wurden, sind nun in Georgien. Die 20-jährige Sona, die kurz vor ihrer Matura stand, und ihr 16-jähriger Bruder Ashot wurden nach Armenien geflogen, wo Ashot nun vielleicht zum Wehrdienst eingezogen wird.

In mehreren Stellungnahmen zu diesen Fällen hat Innenminister Nehammer stets auf das Interesse des Staates und das Einhalten der Gesetze verwiesen. Opposition, NGOs, Teile der Zivilbevölkerung und auch der Bundespräsident betonen hingegen das Kindeswohl.

Innenminister verteidigt Abschiebung

Den umstrittenen Abschiebungsfall um eine in Österreich geborene Schülerin sieht Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) nicht als geeigneten Anlass, um das Bleiberecht zu ändern. Landeshauptleute hatten zuvor laut über mehr Mitspracherecht in solchen Fällen nachgedacht. Dem erteilt Nehammer eine Absage - er sieht die Schuld vielmehr bei den Eltern.

Kinderrechtsverletzungen haben stattgefunden

Auch die Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreichs haben sich in dieser Causa zu Wort gemeldet und wenden sich in einem offenen Brief an die Bundesregierung: „Denn einfach zum Tagesgeschäft überzugehen, wäre eine weitere Kinderrechtsverletzung.“, heißt es darin.

1992 hat Österreich die UN-Kinderrechtskonvention unterschrieben und in Kraft gesetzt. Ein Teil dieser Kinderrechte ist seit 2011 auch in der österreichischen Verfassung verankert. Etwa das Recht auf Schutz und Fürsorge, das Recht auf Berücksichtigung des Kindeswillens und das Recht auf Schutz vor Gewalt.

Im Interview bestätigt Andrea Holz-Darenstädt von der Kinder- und Jugendanwaltschaft Salzburg den zentralen Kritikpunkt noch einmal. „Ja, bei diesen Abschiebungen haben Kinderrechtsverletzungen stattgefunden“, sagt sie. Die Verschärfungen des Asyl- und Fremdenrechts in den letzten Jahren haben dazu geführt, dass die aktuell geltende Rechtslage überhaupt „im Widerspruch zu den Kinderrechten“ stünde. Das Kindeswohl müsse schon bei der Gesetzgebung beachtet werden, nicht erst im Nachhinein bei Abschiebungen, so die Juristin weiter.

Kindeswohl - Was heißt das überhaupt?

Dieser Begriff des Kindeswohls ist in den letzten Tagen stark strapaziert worden. Immer wieder wurde auf Artikel 1 des Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte von Kindern verwiesen. Dort heißt es:

„Bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher und privater Einrichtungen muss das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein.“

Die Kriterien, nach denen das Kindeswohl beurteilt werden muss, sind des weiteren im Paragraph 138 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzesbuchs genau definiert. Diese zwölf Punkte beziehen sich stark auf das Kinderrechtegesetz und umfassen unter anderem Fürsorge und Schutz, die Meinung des Kindes, seine Lebensverhältnisse, und die Vermeidung von Übergriffen und Gewalt.

Forderungen der Kinder- und Jugendanwaltschaft

Die Kinder- und Jugendanwaltschaften fordern daher seit Jahren, dass in Asylverfahren von Minderjährigen eine sogenannte Kindeswohlprüfung durchgeführt werden soll - und zwar verpflichtend und unter Einbeziehung von Kinderschutzexperten*innen. Darin soll auch berücksichtigt werden, welche Bindungen ein Kind zu Österreich hat, wie lange es im Verhältnis zu seinem Alter schon hier lebt, welche psychischen Folgen eine Abschiebung hätte, und welche Bildungschancen es im Herkunftsland hätte.

„Es reicht übrigens nicht, einfach zu sagen, eine Prüfung des Kindeswohls hätte stattgefunden“, hält die Kinderanwältin Andrea Holz-Darenstädt dezidiert fest. Es müsse transparent und nachvollziehbar festgehalten werden, mit welchen Argumenten eine Außerlandesbringung eines Kindes möglich sei.

Stubenbastei-Schulsprecher Haas über die Abschiebungen

Der Schulsprecher vom Stubenbastei Gymnasium in Wien Theo Haas nimmt in der „ZIB Nacht“ Stellung zur Abschiebung seiner ehemaligen Mitschülerinnen.

Unsere Anfrage, ob und nach welchen Kriterien das Kindeswohl in Asylverfahren derzeit geprüft werde, konnte das Innenministerium gestern nicht ad hoc beantworten: „Da wir diese Anfragen in den Fachabteilungen beantworten lassen müssen, bitte ich um Verständnis, dass es aktuell zu Verzögerungen kommt und die Beantwortung einige Tage in Anspruch nehmen kann“, so BMI Ressortsprecher Patrick Maierhofer per Email.

Die Kinder- und Jugendanwaltschaften fordern außerdem die Wiedereinführung der Härtefallkommissionen in den Bundesländern, bei denen sich etwa Bürgermeister*innen, Lehrer*innen und Mitschüler*Innen aus dem unmittelbaren Umfeld für den Verbleib einer Person aussprechen können, sowie die Staatsbürgerschaft für Kinder mit Eltern aus Drittstaaten, die in Österreich geboren werden.

Denn was auch immer wieder betont wird, ist dass die Abschiebungen von letzter Woche keine Einzelfälle sind. Allein von Jänner bis Juli letzten Jahres wurden 34 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge abgeschoben.

FM4 Auf Laut „Härtefall Abschiebung“

In FM4 Auf Laut heute Abend sprechen wir weiter über das Thema Abschiebungen. Lukas Gahleitner-Gertz, Sprecher der Asylkoordination, ist zu Gast. Wir erwarten außerdem Berichte von Mitschülerinnen von Tina und Sona, und ihr sollt natürlich mitdiskutieren. Los geht’s um 21 Uhr. Anrufen könnt ihr unter 0800 226 996.

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