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Filmstills aus "Malcolm & Marie"

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FILM

„Malcolm & Marie“: Großes Kino für Zuhause

Ein Beziehungsdrama als faszinierendes Kammerspiel: Zendaya und John David Washington lassen als Pärchen die Fetzen fliegen.

Von Christian Fuchs

Ein einziger Schauplatz, zwei Darsteller*innen, kontrastreiches Schwarzweiß. Wenn man einen Film so reduziert anlegt, kann das auch gehörig schiefgehen. In den falschen Regiehänden wäre aus „Malcolm and Marie“ wohl eher ein sprödes Theaterstück vor laufender Kamera geworden. Der neue Film von Sam Levinson ist aber ganz großes Kino, leider nur auf Netflix sichtbar.

Wem der Name des Regisseurs nichts sagt: Bloß mit einem Spielfilm ist der 36-jährige Amerikaner erst aufgefallen, dem bewusst überzogenen Highschool-Schocker „Assassination Nation“, der Pop und Politik blutspritzend kollidieren lässt. Vor allem geht aber „Euphoria“ auf Levinsons Konto. Die HBO-Serie berauscht mit grellen Farben, perfekt ausgesuchten Hip-Hop-Tunes und hypnotischem Schnitt. Inhaltlich geht es aber um wilde, jugendliche Entgrenzung, um einen kalifornischen Teenageralltag zwischen Sex, Drogen, Mobbing, psychischer und physischer Gewalt.

„Malcolm & Marie“ schließt da nur bedingt an. Es ist ein Film der Worte, die aber auch oft wie Geschosse treffen. Ein Liebespaar lässt in einer schwülen Nacht in Los Angeles die Fetzen fliegen. Dabei werden in einem ausgesucht schicken Designerhaus in Los Angeles nicht nur Herzensangelegenheiten verhandelt. Das junge Ex-Model Marie und ihr Regisseurs-Freund Malcolm streiten in einer langen Nacht auch über Hollywood-Eitelkeiten, Identitätspolitik und Drogentrauma.

Filmstills aus "Malcolm & Marie"

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Emotionaler Tanz der beiden Akteure

Das klingt eventuell ein bisschen anstrengend? Keineswegs. „Malcolm & Marie“, gedreht während des ersten Lockdowns in einer abgeschirmten L.A.-Location, holt das Maximum aus der Ausgangsposition heraus. Elegant bewegt sich die Kamera durch die Räume, folgt dem emotionalen Tanz der beiden Akteure.

Und was für ein Kammerspiel für zwei begnadete Schauspieler*innen ist dieser Film. Der fantastische John David Washington spielte in „Tenet“ und „Black Kkklansman“ die Hauptrolle. Die unglaubliche Zendaya kennt und liebt man aus Levinsons Serie „Euphoria“.

Die 24-jährige Schauspielerin, Sängerin und Tänzerin wurde durch Disney-Serien und Werbespots schon jung erfolgreich. 2019 erobert sie in „Spider-Man: Far From Home“ auch Hollywood. Durch ihre Zusammenarbeit mit Sam Levinson bewegte sich Zendaya aber in eine andere Richtung, brilliert als tragisches Heroinopfer in „Euphoria“. Aus dem einstigen Kindermodel wurde eine intensive Charakterdarstellerin, die alleine mit Blicken und nuancierten Gesten komplexe Gefühle auf den Punkt bringt.

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Hitzige Gespräche und kollidierende Widersprüche

Als Malcolm und Marie sind Zendaya und John David Washington jedenfalls eine Traumbesetzung. Die Figuren betören sich und uns, sie belehren, verführen und gehen einem zwischendurch auch auf die Nerven. Immer bevor der Film aber in die Fallen eines zu oft gesehenen Liebesdramas tappt, bringt Sam Levinson gesellschaftliche Themen ins Spiel.

Malcolm, der bei der Premiere seines neuen Films gefeiert wird, macht sich über die Anbiederung der weißen Filmkritiker*innen lustig. Alle wollen auf dem Diversityzug mitfahren, meint er sinngemäß, die politisch korrekte Review habe Rezensionen abgelöst, die sich auf die Ästhetik konzentrierten. Als dann mitten in einem hitzigen Gespräch mit Marie die erste Kritik zu seinem Film online geht, zuckt der Regisseur aus. Einer der klügsten, sarkastischsten und wütendsten Monologe über Movies and race folgt.

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Wenn hier der weiße Regisseur Sam Levinson seinem afroamerikanischen Kollegen Malcolm böse Sätze über die Verlogenheit des Filmbusiness in den Mund legt, ist das natürlich very meta. Aber das macht „Malcolm & Marie“ noch spezieller, Widersprüche kollidieren laufend in dem pointierten, cleveren Werk, das dennoch super lebendig und herrlich unakademisch wirkt. Dachte man bei schwarzweißen Ausnahmefilmen in der Streaming-Wüste bislang nur an das Meisterwerk „Roma“, gibt es jetzt auch den ziemlich tollen „Malcolm & Marie“.

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