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Romina Pleschko sitzt auf einem Hausdach

Nadine Studeny

Auch im Lift geht’s nicht immer aufwärts: „Ameisenmonarchie“ von Romina Pleschko

Herausragend unterhalten hat Romina Pleschko schon 2017 beim FM4 Kurzgeschichtenwettbewerb Wortlaut mit „Am Beckenrand“. Jetzt ist ihr erster Roman erschienen: „Ameisenmonarchie“ spielt in einem Wiener Zinshaus. Unter Nachbarn.

Von Maria Motter

„Schreiben ist schlimmer als Sport! Der Schweinehund ist ungefähr drei Mal so fett!“, sagt Romina Pleschko und ist trotzdem Autorin. Ihr erster Roman ist gerade erschienen, das Buch trägt den Titel „Ameisenmonarchie“, und hier wird keine Zeit verloren: In rasantem Tempo wechseln die Schauplätze mit den fünf erwachsenen Hauptfiguren. Alle haben in diesem Roman heimliche, merkwürdige Interessen und Romina Pleschko spielt mit der Gier nach Klatsch. Was diese Leute umtreibt, will man wissen, zumal die Geschichten zwar tragisch, aber herrlich komisch erzählt sind.

Der Buchumschlag zu "Ameisenmonarchie" mit der Zeichnung eines Hauses.

Kremayr & Scheriau

„Ameisenmonarchie“ von Romina Pleschko ist 2021 bei Kremayr & Scheriau erschienen.

Romina Pleschko hat schon einmal herausragend unterhalten: Mit „Am Beckenrand“ über eine morbide Bademeisterin hat die gebürtige Gmundnerin 2017 beim FM4 Kurzgeschichtenwettbewerb Wortlaut den zweiten Platz gemacht.

Ein Debüt voll slapstick-artiger Szenen

In einem gutbürgerlichen Mehrparteienhaus in Wien in der jüngeren Vergangenheit nehmen die Bewohner*innen bestenfalls im Lift voneinander Notiz. Da wohnt ein fescher Nationalratsabgeordneter, dessen Parfum begeistert und für den Herb Junior wieder etwas wagt, auch wenn er zuvor dachte, politisch woanders richtig zu stehen. Der Herr Papa, Herb Mazur Senior, ist ein anerkannter Gynäkologe, „eine Koryphäe im Ultraschallen“, die Frau Mama hat sukzessive das Sprechen eingestellt, was niemandem weiter auffällt. Im Kühlschrank der Mazurs liegt heimlich mit Antidepressiva präparierte Wurst, die Frau ist ruhiggestellt. In der Arztpraxis hortet Herb Mazur Senior noch Kunstbände, mit immer neuen Lobesäußerungen hatte er die Malerei seiner Ehefrau aufzuwerten gehofft. Fünf Leben hat der Arzt im Beruf gerettet, als Dank bekam er einmal eine Tasse mit Hirschmotiv. In einem Elternkindforum stalkt ein Mann namens Klaus, der auch im Haus wohnt, seine Türnachbarin, eine Alleinerzieherin und Kosmetikverkäuferin, die ob der online kundgetanen privaten Details zunehmend irritiert ist. Kurzum: Entwicklungspotenziale und Fallhöhen sind gegeben.

Vieles in „Ameisenmonarchie“ ist zwar tragisch, aber es ist zu amüsant erzählt, um sich in das Genre der deprimierend überheblichen Mittelschichtsreflexion einzufügen. Das Lesevergnügen macht sich zwischen Dachgeschoß und Müllraum in den vielen Details breit, denn die Handlung setzt sich in Slapsticks fort.

Wortlaut Platz 2: Romina Pleschko

Lukas Lottersberger/FM4

Romina Pleschko bezeichnet Satire als ein valides Stilmittel, führt einen militärisch organisierten Alltag und hat für ihren Debütroman „Ameisenstrategie“ das bewährte Sitcom-Ensemble-Konzept Nachbarn auf amüsant-eigenwillige Weise in einem Wiener Zinshaus angesiedelt.

Diese Figuren wollten durchaus noch was, jede und jeder für sich. Mag auch ein Fluchtversuch an einem leeren Handyakku scheitern, der hauseigene Lift ist auch eine ziemlich perfekte Drehscheibe. Da findet schon mal einer eine Frau so „entzückend, so wie das junge Kalb, das er in jemem Sommer bei seiner Tante mit der Flasche gefüttert hatte, da die Mutter des Kälbchens zwei Wochen nach der Geburt an einer bakteriellen Infektion verendet war“. Besonders toll ist eine Passage, in der Herb Senior nachhause kommt und eine Frage in seinem Wohnzimmer zerfließt. Bei allen Gags fügt Romina Pleschko ihren Figuren bekannte Motive zu, so muss in „Ameisenmonarchie“ eine Frau erst ihre Stimme wiederfinden.

Romina Pleschkos Hobby ist Leute-Schauen

Romina Pleschko beobachtet Personen und verwandelt ihre Beobachtungen dann mit Stilmitteln. „Da kann man noch Übertreibung dazugeben, ein Wunschdenken, ein Worst- oder Best-Case-Szenario“, sagt die Autorin. „Ich halte mich überhaupt nicht an Realitäten, aber ich halte mich an Aspekte, die mich irgendwann einmal fasziniert haben. Das kann eine reale Person sein, das kann eine Person sein, von der man mir einmal erzählt hat oder eine Person aus dem Fernsehen. Ich habe zu jedem Politiker eine Vorstellung, wie er sich verhält, wenn er abends nachhause kommt zur Ehefrau. Das ist halt ein seltsames Hobby!“

Sie führt einen militärisch organisierten Alltag. Zum Schreiben hat sie ein enges Zeitfenster. „Sobald sich wer anderer in der Wohnung befindet, kann ich nicht mehr kreativ schreiben. Aber bislang funktioniert es“, sagt Romina Pleschko. In Tokio und in Hamburg hat sie als Make-up-Artist gearbeitet, davor Schauspiel studiert. Heute ist sie auch zweifache Mutter. Beim Schreiben schätzt sie Humor als valides Stilmittel. Dass Humor im Literaturbetrieb ein bisschen einen „shady Ruf“ habe, hat sie überrascht. „Wenn Humor funktioniert, dann ist er übergriffig. Und im Fall von Literatur heißt das, dass Leser*innen ein bisschen die Beobachterfunktion aufgeben und sich nicht mehr distanzieren können.“

„Ameisenmonarchie“ lädt ein, in die Gänge zu kommen. Das Glück ist in diesem Wiener Roman einmal kein Vogerl, sondern flippt umher wie die Lottokugel im Fernsehen.

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