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Die Initiator*innen des Black Voices Volksbegehrens um Noomi Anyanwu am Wiener Brunnenmarkt heben die rechte Faust

Black Voices

Black History Month

Wo steht das Black Voices Volksbegehren heute?

Was ist eigentlich aus dem politischen Aufbruch rund um die #BlackLivesMatter Proteste in Österreich geworden? Eine Initiative, die weiterhin gegen Rassismus mobil macht, ist das Black Voices Volksbegehren. Sprecherin Noomi Anyanwu über trending Hashtags, Hoffnungen und den notwendigen langen Atem.

Von Claudia Unterweger

Am Anfang war da viel Überraschung und Überwältigung: Die #BlackLivesMatter Bewegung sorgte im Juni 2020 für eine der größten Demos der letzten Jahre in Österreich. Gegen Rassismus und Polizeigewalt gingen allein in Wien 50.000 Menschen auf die Straße, an die Hunderttausend in ganz Österreich. Seither ist es um das Thema in der Öffentlichkeit verdächtig still geworden. #BlackLivesMatter - reine Symbolpolitik?

FM4 Auf Laut Podcast

Radio FM4

FM4 Auf Laut vom 16.2.2021 zur Frage: Wo stehen wir im Kampf um gleiche Rechte? Zu Gast: Noomi Anyanwu, Schülervertreterin Sihaam Abdillahi und Musiker Mwita Mataro. Die ganze Sendung hier zum Nachhören.

Diverse, von Rassismus betroffene Gruppen und Aktivist*innen mobilisieren dennoch weiter gegen strukturellen Rassismus in allen Lebensbereichen. Sie tragen das überparteiliche Black Voices Volksbegehren, fordern einen Katalog an raschen Reformen. Etwa dass Polizeiübergriffe von einer unabhängigen Behörde untersucht werden sollen - bis jetzt wird Polizeigewalt meist nur intern von der Polizei selbst untersucht. Oder auch verpflichtende Anti-Rassismus-Workshops in Schulen. Und auch dass alle, die in Österreich leben, hier wählen dürfen. Egal, ob sie die österreichische Staatsbürgerschaft haben oder nicht.

Jetzt, im Black History Month, lade ich Black Voices-Sprecherin Noomi Anyanwu zu einem neuerlichen Status Update. Die Afrikanistik-Studentin aus Wien erzählt von hochgesteckten Erwartungen, unerwarteten Hürden und pragmatischen Zielen des ersten Volksbegehrens gegen Rassismus in Österreich.

Claudia Unterweger: Noomi Anyanwu, habt ihr euch erwartet, dass sich die Energie von den Protesten im Sommer 1:1 in Support für ein Anti-Rassismus-Volksbegehren ummünzen lässt?

Noomi Anyanwu

Black Voices

Noomi Anyanwu

Noomi Anyanwu: Am Anfang haben sich einige schon erhofft, direkt nach den Protesten würden sich für das Volksbegehren direkt 50.000 Unterschriften kassieren lassen. Mir war da schon klar, dass das nicht dasselbe ist, einerseits auf die Straße zu gehen und manchmal auch leider eben mit dem Trend mitzuschwimmen - und dann wirklich aufs Amt zu gehen und eine Unterschrift da zu lassen oder wirklich online zu unterschreiben.

Wie haben sich die Corona-Maßnahmen eigentlich ausgewirkt auf eure Arbeit fürs Volksbegehren?

Fast das ganze Volksbegehren haben wir bisher nur im Lockdown versucht zu thematisieren. Leute zu mobilisieren war so gut wie ausschließlich via Social Media möglich. Die Serie an Lockdowns war eine Hürde, von der wir dachten, dass wir sie nicht so lange haben werden, die wir aber trotzdem relativ gut gemeistert haben. Seit Beginn des Jahres haben wir viele Zoom-Veranstaltungen und Talks auf Instagram gemacht. Darüber hinaus hatten wir Aktionen, zum Beispiel gegen das Blackfacing beim Sternsingen. Und wir haben auch nach dem Anschlag in Wien versucht, kritisch auf die Hetze aufmerksam zu machen, die gegen muslimische Menschen geschürt worden ist. Aber es ist trotzdem eine extrem große Herausforderung.

Könnt ihr euch etwas abschauen von anderen Volksbegehren?

Natürlich sind wir connected mit anderen Volksbegehren, aber sie können auch nicht wirklich Tipps geben, wie man im Lockdown jetzt ein Volksbegehren startet oder durchführt. Da müssen wir selbst neues Wissen schaffen. Aber ich glaube, es läuft eigentlich ganz gut.

Kannst du ein paar Zahlen nennen? Voraussichtlich bis Ende des Jahres kann man noch Unterstützungserklärungen abgeben. Wie viele sind da bisher zusammengekommen?

In der Eintragungswoche im Jänner, wo verschiedene Volksbegehren Unterschriften gesammelt haben, konnten wir zehntausend Unterschriften sammeln. Das heißt, wir halten jetzt insgesamt bei 16.000 Unterschriften.

Was ist euer Ziel?*

Unser Ziel ist schon mehr als 100.000 Unterschriften. Ab da wird ein Volksbegehren ja im Nationalrat behandelt. Uns ist natürlich bewusst, dass sogar von anderen Volksbegehren - wie dem sehr erfolgreichen Frauenvolksbegehren mit einer halben Million Unterschriften - bis heute keine einzige Forderung im Nationalrat umgesetzt worden ist. Aber ganz abgesehen davon - schon alleine das Statement ist wichtig. Dass Menschen unterschreiben und sagen: Hey, wir stehen auf gegen Rassismus. So viele Menschen mal in einer Bewegung zu haben, wäre natürlich großartig.

Alle Infos zum Black Voices Volksbegehren gibt’s hier.

Trotz aller Symbolik: ihr habt ja auch ganz konkrete Forderungen an die Politik.

Es gibt auf EU-Ebene ja schon einen Aktionsplan gegen Rassismus, der jetzt gerade in Bearbeitung ist. Und auch in Deutschland gibt es schon einen Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus. In Österreich hat die Bundesregierung jetzt im Jänner 2021 einen Aktionsplan gegen Antisemitismus vorgestellt. Das heißt, es passieren global und auch im deutschsprachigen Raum schon einige Dinge in der Hinsicht. Der nächste Schritt ist jetzt in Österreich, das Thema zu erweitern, nicht nur auf die jüdische Community bezogen, sondern auf Rassismus als Problem allgemein. Muslimische Menschen und Schwarze Menschen leben auch seit Jahrhunderten hier, und erfahren auch strukturellen Rassismus. Wir fordern Maßnahmen zur Gleichstellung in allen wichtigen Lebensbereichen z.B. Arbeit, Bildung, Gesundheit, Polizei, Repräsentation und Öffentlichkeit, Flucht und Migration.

Asma Aiad spricht bei einer Pressekonferenz

Black Voices

Asma Aiad spricht bei einer Pressekonferenz des Black Voices Volksbegehrens, neben ihr Emmeraude Banda, Noomi Anyanwu, Mireille Ngosso und Faika El-Nagashi

Das Volksbegehren trägt den Titel Black Voices. Es ließe sich annehmen, es geht ausschließlich um die Rechte Schwarzer Menschen. Aber ihr versammelt unterschiedliche Gruppen hinter euren Anliegen: die jüdische Hochschüler*innenschaft, die muslimische Jugend. Viele Mehrheitsangehörige supporten euch. Ich nehme an, da gab es auch strategische Überlegungen, sich zusammenzutun?

Schwarz wird hier groß geschrieben, um deutlich zu machen, dass es sich nicht um eine biologische Zuschreibung aufgrund der Hautfarbe handelt, sondern um ein soziales bzw. politisches Konstrukt.

Ja, auf jeden Fall. Wenn sich nur Schwarze Menschen oder People of Color in Österreich zusammentun würden, ist es fraglich, ob überhaupt mal hunderttausend Unterschriften zusammenkommen würden. Viele von diesen Menschen haben ja gar nicht die Staatsbürger*innenschaft, sie können also gar nicht das Volksbegehren unterschreiben. Auch das ist ein Ausschlussmechanismus, dem wir entgegenwirken wollen. Genau deshalb fordern wir, dass das Staatsbürger*innenrecht geändert wird. Und es ist uns auch wichtig, eine solidarische Bewegung zu sein, die alle Menschen mitnimmt.

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