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Tribes of Europa

Netflix/Gordon Timpen

Die Sci-Fi-Serie „Tribes of Europa“ legt Europa in Schutt und Asche

Die deutsche Serie „Tribes of Europa“ sinniert darüber, wie ein postapokalyptisches Europa aussehen könnte. Verschiedene Tribes kämpfen in der Sci-Fi-Serie um die Vorherrschaft auf dem zerfallenen Kontinent. In diesen Kampf geraten drei Geschwister. Zu sehen sind die sechs Folgen der ersten Staffel ab 19. Februar.

Von Philipp Emberger

Im Jahr 2074 sind die Auswirkungen des schwarzen Dezembers immer noch deutlich zu sehen. Ein globaler Stromausfall hat 2029 zu mehreren Jahrzenten voller Chaos und Anarchie geführt, wobei die genauen Umstände des Blackouts unbekannt sind. In der Folge sind aber die bisherigen europäischen Staaten zerfallen und verschiedene Tribes sind an ihre Stelle getreten. Unfreiwillig mittendrin in dem Kampf um die Vorherrschaft auf dem Kontinent sind drei Geschwister des „Origines“-Stamms, der sich von den Machtfantasien der anderen Stämme distanziert und zumindest bis jetzt ein zurückgezogenes Leben geführt hat.

Tribes of Europa

Netflix/Gordon Timpen

Die ersten sechs Folgen von „Tribes of Europa“ sind ab 19. Februar auf Netflix zu sehen.

Liv, Kiano & Elja

Die drei Geschwister Liv (Henriette Confurius), Kiano (Emilio Sakraya) und Elja (David Ali Rashed) treiben sich zu Beginn der Endzeit-Serie, wie es sich für Mitglieder eines naturverbundenen Stammes klischeemäßig gehört, bei der Wildschweinjagd im Wald herum. Ein abstürzendes Flugobjekt, das dem hochentwickelten Stamm der „Atlantier“ gehört, durchbricht jedoch ihren geschwisterlichen Ausflug. Mit dem Absturz des Hoverjets kommt dann auch ein mysteriöses Artefakt, der Cube, ins Spiel. Dieser beinhaltet ein Geheimnis, das die Feindschaft zwischen den Tribes endgültig zum Eskalieren bringt und die diktatorisch-faschistoiden „Crows“ auf den Plan ruft.

Die „Crows“ mit ihrem exaltierten Anführer und einer Vorliebe für Fetisch-Outfits greifen das Lager des Naturstammes an, dabei werden die drei Geschwister getrennt. Fortan müssen sie in der auf Hochglanz polierten Serie ihren Weg allein in dem kriegerisch-dystopischen Szenario finden. Livs Wege kreuzen sich etwa mit der militärisch organisierten „Crimson Republic“, die aus den Überresten des Eurokorps hervorgegangen ist und Elja, der in Besitz des Cubes gerät, tut sich mit dem Outcast Moses (Oliver Masucci) zusammen. Die „Crows“ verschleppen Kiano in die Hauptstadt Brahtok (das ehemalige Berlin), wo er in einer Fabrik versklavt wird. Folge für Folge baut sich so mit den Erzählsträngen der Geschwister eine Welt zusammen, deren Sog sich aber zumindest in der ersten Staffel noch nicht so recht einstellen will.

Still Tribes of Europa

Netflix/Gordon Timpen

Oliver Masucci (Moses) und David Ali Rashed (Elja) in „Tribes of Europa“

Das liegt auch an der Charakterzeichnung, die eine Spur zu reißbrettartig wirkt. Die Rolle des ehemaligen Burgschauspielers Oliver Masucci, der bereits Teil der von derselben Produktionsfirma stammenden Mystery-Serie „Dark“ war, kommt über einige Comic-Relief-Momente nicht hinaus, während Emilio Sakrayas Kiano eintönig leidend durch das dunkle von Industrie-Chic geprägte Brahtok stolpert.

Paneuropäisches Projekt

„Tribes of Europa“ ist zwar eine deutsche Serie, aber mit globalem Anspruch. Das hat schon beim konzeptuellen Ausgangspunkt der Serie begonnen, als sich am 23. Juni 2016 die Bürger*innen Großbritanniens in einer Volksabstimmung für den Ausstieg des Vereinigten Königsreichs aus der Europäischen Union entschieden haben. Ein Votum, das Showrunner, Co-Autor und Co-Regisseur Philip Koch dazu gebracht hat, seine Gedankenspiele eines zerfallenen Europas in eine Serie zu packen. Die Grundprämisse der Serie dürfte 90s-Kids übrigens an die neuseeländische Serie „The Tribe“ erinnern, in der Jugendliche in einer Welt ohne Erwachsene ums Überleben kämpfen. Gemein haben die beiden Serien den Blick auf eine vorwiegend jugendliche Zielgruppe, die verschiedenen Tribes bieten schließlich einiges an Projektionsfläche.

Tribes of Europa

Netflix/Gordon Timpen

Ana Ularu spielt „Grieta“, ein Mitglied der „Crows“

Dieser paneuropäische Anspruch ist in der Serienrealität dann aber doch eher verschwindend und geht über ein paar Schauspieler*innen aus anderen europäischen Ländern, darunter der Österreicher Robert Finster („Freud“) und die Rumänin Ana Ularu, und Englisch als Gemeinsprache nicht hinaus. Der Großteil der Figuren ist in ihrer Identität und Wahrnehmung am Ende doch ziemlich deutsch. Als erstzunehmender politischer Kommentar zur aktuellen Lage Europas ist die Serie auch eher nicht zu verstehen. Schade eigentlich, Potenzial gäbe es genug, aber immerhin für ein paar theoretische Was-wäre-wenn-Überlegungen reicht es dann doch.

Sechs Folgen langer Trailer

Im Interview mit dem deutschen Medienmagazin dwdl.de verrät Philip Koch, dass seine Pläne für die Dauer der Serie sich über acht bis neun Staffeln erstrecken. Das erklärt, wieso sich die ersten sechs Folgen phasenweise wie ein sehr langer Trailer für noch weitere Staffeln anfühlen, der Fokus wurde auf die Entwicklung und Etablierung des Serientons gelegt. Ob die weiteren vorhandenen Ideen umgesetzt werden, wird sich wohl in den nächsten Tagen entscheiden und hängt von den netflixschen Zugriffszahlen ab.

Tribes of Europa

Netflix/Gordon Timpen

Der Cube steht im Zentrum des Konflikts in „Tribes of Europa“

Der Vergleich mit dem letzten deutschen Netflix-Erfolg „Dark“ ist übrigens wenig schmeichelnd. War die Welt von „Dark“ raffiniert und komplex, ist „Tribes of Europa“ entlang von Klischees entworfen und kratzt leider an der Oberfläche des Potenzials. Das heißt aber nicht, dass sich das in kommenden Staffeln nicht ändern könnte, denn auf der Proseite stehen jedenfalls ein ambitioniertes Produktionsdesign und der Versuch ein ansprechendes Sci-Fi-Genrewerk zu schaffen. Eine Seriengattung, die hierzulande noch Luft nach oben hat und durchaus Fans finden kann. Darauf können die Serienmacher*innen aufbauen.

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