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Die Protagonist*innen der Serie "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo"

Constantin Television/Mike Kraus

„Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ als Serien-Neuadaption

Die Geschichte der Christiane F. neu interpretiert und formatiert, acht epische Serien-Episoden lang. Das Presseheft spricht von einer High-End-Produktion. Und vielleicht ist genau das ein Problem.

Von Martina Bauer

"Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ funktioniert für viele nach wie vor wie eine Art Stichwort, ruft Gefühle, Bilder - David Bowie inklusive - im Kopf wach, die Originaltext bzw. -film einst auslösten.

Das nach Tonbandprotokollen der Journalisten Kai Hermann und Horst Rieck entstandene Buch von 1978 wie die real-nahe 1981er-Verfilmung unter Führung von Uli Edel und Bernd Eichinger gelten als Klassiker und Kult. Wobei vor allem letztere gleichermaßen als abstoßend gelobt wie als anziehend verdammt wurde.

Die Frage ist nur: Wie präsent ist die Geschichte der Christiane F. und ihrer dokumentierten Drogenlaufbahn heute noch? Und was kann eins, mit vielleicht wenig oder ohne Bezug zu damals, von einer zeitlosen - im Sinne von aus der Zeit gefallenen - Neuinterpretation mitnehmen, mit ihr anfangen?

Still aus der Serie "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo"

Constantin Television/Mike Kraus

Fiktionalisiert

„Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ als Serie legt den Fokus nicht allein auf seine Protagonistin, auch Familie, Clique, Hintergründe nehmen eine starke Rolle ein. Die acht Teile bewegen sich im sozusagen bekannten, dabei teilweise deutlich fiktionalisierten Handlungsbogen:
Christianes Leben in der Trabantensiedlung Berlin-Gropiusstadt, Freundschaften, die sie in die Nähe von Drogen bringen, erste Trips und Besuche im „Sound“ – seinerzeit Europas modernste Diskothek. Die Liebe kommt, der Freund - er ist ebenfalls suchtkrank. Christiane beginnt mit Lines, greift zur Spritze, es folgen Anschaffen, Entziehen, erneuter Absturz, usw.

„Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ von Constantin Television und Amazon Studios startet mit 19. Februar bei Prime Video.

Kreiert wurde die serielle Umsetzung von einem Team deutscher durchwegs Big Names. Regie führte Philipp Kadelbach („Unsere Mütter, unsere Väter“, „Parfum“ ), Head-Autorin war Anette Hess („Ku´damm“) produziert wurde die Serie von Oliver Berben (etwa SCHULD 1-3 nach Ferdinand von Schirach) und Sophie von Uslar („NSU – Mitten in Deutschland“).

Die so entstandene Neuauflage im modernen 70er-Jahre-Retro-Look ist insgesamt eher glatt, durchaus poppig-schön und brav inszeniert. Selten sieht etwas richtig abgefuckt aus, bei aller massiven Drogen- und Beschaffungs-Thematik samt alkoholkranken Müttern, gewalttätigen wie vergewaltigenden Männern, Suizidgedanken. Erst im späteren Verlauf der acht Episoden geht es den Protagonisten im Grunde richtig an den Ausseh-Kragen.

Still aus der Serie "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo"

Constantin Television/Mike Kraus

Popfeeling

Einerseits entstehen so gelungene Momente wie ein U-Bahn-Trommelkonzert oder wenn die Protagonist*innen gewissermaßen zum Flug über die Köpfe der Disko-Tanzenden abheben. Gut komponierte Einstellungen oder interessante inszenatorische Griffe finden sich ebenso wie ein immer wieder feiner Score, zudem wurde ein queerer Kontext einfügt.

Aber da ist eben auch eine Art klamotten-cliquenmäßige Bling-Ring-Attitüde, Junkie-Wohnungen, die eher nach schiefgelaufener Party aussehen oder jene, durch den 1981er-Film berühmte Entzugsszene, die hier mehr als Magen-Darm-Virus daherkommt. Räusche und ihre Folgen haben mitunter romantisch-eskapistische Tendenzen, dazu ein „Sound“, das sich weniger wie ein szenebekannter Schuppen anfühlt, denn nach Studio 54 meets P1 und die Anfänge der (Straßen-)Prostitution Christianes zeigen sich in allzu netten Bildern.

Still aus der Serie "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo"

Constantin Television/Mike Kraus

Aus der Zeit

Und dann wäre da noch die Bowie-Sache. Seine Musik - wichtiger Bezugspunkt in den Originalen - ist anfangs, auch via Coverversionen, gut eingefügt, das verliert sich aber immer mehr. Die Serie findet auch eine gute Lösung, quasi Umschiffung, für den legendären David-Bowie-Konzertbesuch. Aber braucht es wirklich fremdelnde Einsprengsel von Alexander Scheer als his Bowieness, vor allem in einer abstrusen, kurz-bevor-On Stage-Szene?

Der Jung-Cast überzeugt weitgehend. Die Hauptrolle spielt Jana McKinnon (bekannt etwa aus Dominik Hartls „Beautiful Girl“), als Jahrgang 1999 ist und wirkt sie damit deutlich älter als Christiane zu jener Zeit. Aus ihrem damaligen Freund Detlef wurde im Übrigen ein Benno, unklarerweise mit Dr. Doolitte-Touch versehen, und in der Serie gegeben von Michelangelo Fortuzzi. In den Rollen der übrigen „Kinder“ - Stella, Babsi, Axel und Michi - sind Lena Urzendowsky, Lea Drinda, Jeremias Meyer und Bruno Alexander zu sehen.

Die acht Folgen funktionieren in sich mal besser mal weniger, es gibt auch Nazi- wie Stasibezüge plus einen Hauch RAF.
Doch: Buch und Film von einst hatten Fallstudien- und semidokumentarischen Charakter, waren gewissermaßen aufrüttelnde Kinder ihrer Zeit. Die Serie ist, wie im Presseheft zu lesen, eine High-End-Produktion. Sie wirkt in der Neuauflage gleichermaßen aus dem Damals herausgelöst wie in ihm verhaftet. Irgendwie gesellschaftlich-politisches Leerbild, bei dem fraglich bleibt, was bzw. ob diese Remake-Form einer zum Klassiker avancierten Drogengeschichte aus den 70ern mehr mitgeben kann oder will.

Still aus der Serie "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo"

Constantin Television/Mike Kraus

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