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René Träder: Das Leben so: nein! Ich so: doch!

Ullstein

René Träder will Resilienz stärken

Das Negative können wir nicht aus unserem Leben verbannen, sondern nur einen Umgang damit finden. „Das ist die Stärke, die in Resilienz steckt“, meint der Psychologe und Journalist René Träder. Umso mehr sollten wir uns um unsere Resilienz, also die psychische Widerstandskraft, kümmern. Möglichkeiten dazu zeigt er in seinem Ratgeber „Das Leben so: Nein! Ich so: Doch!“.

von Zita Bereuter

Bus verpasst, Beziehungsstreit, Prüfung vergeigt. Alltagsstress kennen wir alle. Wie man mit derartigen Widrigkeiten umgeht, interessierte René Träder schon vor der Corona-Krise. (Darauf, wie die Pandemie das noch verstärkt, wird später eingegangen.)

Der Radiomacher und Moderator bei Radio Fritz in Berlin, hat Psychologie studiert, betreibt einen Podcast zu Achtsamkeit und gibt Workshops und Seminare. Zuletzt ist sein Buch erschienen: „Das Leben so: Nein! Ich so: Doch! Wie du besser mit Stress, Krisen und Schicksalsschlägen umgehst.“
Als roter Faden zieht sich durch seine Arbeit das Bedürfnis, komplexe Dinge - vorzugsweise Studien und Ergebnisse aus der Psychologie - zu verbinden und verständlich zu erklären. "Das ist so meine Mission, das runterzubrechen und zu sagen: Das kann man ganz einfach verwenden und auf sein Leben anwenden und benutzen.“

René Träder: Das Leben so: nein! Ich so: doch!

Argon Balance

René Träder: „Das Leben so: Nein! Ich so: Doch! Wie du besser mit Stress, Krisen und Schicksalsschlägen umgehst.“ ist im Herbst 2020 bei Ullstein erschienen.

(Vom etwas eigenen Titel sollte man sich nicht ablenken lassen, der Buchtitel wurde von Deutschlandfunkkultur als kuriosester Buchtitel 2020 ausgezeichnet.)

Resilienz - Das Immunsystem der Psyche

Krisen und Schicksalsschläge begleiten unser Leben. Wie wir sie bewältigen, ist die große Kunst. Eine mögliche Lösung dabei ist Resilienz, die psychische Widerstandsfähigkeit. „Das Immunsystem der Psyche“, wie René Träder das nennt. So wie das körperliche Immunsystem von Viren und Bakterien angegriffen wird, greifen Stress, Probleme und Krisen unser psychisches Immunsystem an.

Gerade bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen treten psychische Erkrankungen oft früh und überproportional häufig auf. Rund 50% aller psychischen Erkrankungen brechen vor dem 15. Lebensjahr aus und sogar 75% vor dem 25. Lebensjahr, liest man bei René Träder. An einer anderen Stelle heißt es, jeder sechste Studierende leidet unter einem psychischen Problem. Umso dringender versucht er, jungen Erwachsenen das Werkzeug Resilienz nahezubringen.

Die gute Nachricht: Resilienz hat jede*r - René Träder vergleicht es mit der Körpergröße. Ein Teil der Resilienz ist genetisch bedingt, ein Teil wird in der frühesten Kindheit geprägt und ein Teil kann schließlich selbst beeinflusst und gestärkt werden. Und das kann tatsächlich jede und jeder, ist René Träder überzeugt und zeigt in seinem Ratgeber unterschiedliche Beispiele und Übungen dazu.

Die gute Nachricht: Resilienz hat jede und jeder.

Bausteine der Resilienz „für ein stabiles Leben“

Generell unterteilt René Träder das große Gebiet der Resilienz auf acht Bausteine, die er im Ratgeber ausführlich erklärt und die hier in wenigen Stichworten zusammengefasst sind.

  • Verantwortungsübernahme – statt Opferhaltung das Leben gestalten
  • Akzeptanz - Negatives Akzeptieren, Loslassen und Verzeihen
  • Zukunftsorientierung – Ziele und Werte definieren
  • Lösungsorientierung – Lösungsorientiertes Denken und Handeln
  • Netzwerkorientierung – auf andere zugehen und sich helfen lassen
  • Optimismus – positiver Blick in die Zukunft und Dankbarkeit
  • Selbstwirksamkeit – eigenes Handeln stärken
  • Erholung – richtige Erholung und Pausen

Kapitelweise erklärt er die Bausteine, bringt Beispiele, erläutert Studien und Ergebnisse, verweist auf Alltagssituationen und bietet Übungen an. Das alles ist niederschwellig, leicht verständlich und freundschaftlich aufbereitet. Man wird nicht an allen Inhalten Gefallen finden, einige Übungen können auch durchaus schwer fallen und führen auch zu Tränen, wie René Träder aus Feedback weiß. Vieles ist aber ebenso klar wie einfach.

Zum Baustein Verantwortungsübernahme bietet er etwa seine Zauberformel.

Zauberformel: Will ich das?

How to Resilienz ...
In der FM4 Morningshow gibt René Träder die ganze Woche über derartige kleine Übungen und Denkanleitungen.

Verantwortungsübernahme ist für René Träder vor allem ein Mindset. Es spielt sich also - wie so Vieles - nur in unserem Denken ab. Also können wir uns auch ein bisschen umprogrammieren. Dafür schlägt er den simplen „Zaubersatz“ vor: Will ich das.

Das Magische entfacht er in seiner unterschiedlichen Betonung, erklärt René Träder:

Will ich das?
„Wir haben ja viele Dinge, die wir wollen, die wir möchten, wo wir sagen ‚Ach, das wäre ja schön, wenn das passiert. Und so ein bisschen rumphantasieren. Aber es ist ja ein Unterschied, wenn ich sage: ‚Ja, das wäre schön, wenn das passiert.“ Oder wenn ich sage: ‚Ich will, dass das passiert.‘ Also wieviel Power hat denn das eigentlich?"

Will ich das?
„Und sich dann nochmal den Unterschied zu machen – ok, was will ich denn eigentlich? Was wollen andere? Warum hab ich eigentlich ‚ja‘ gesagt? Will ich andere nur glücklich machen? Na, stopp mal: Was sind denn meine Bedürfnisse? Und da nochmal diesen Unterschied zu spüren.“

Will ich das?
„Und dann kuckt man sich die Sache an und sagt: ’Ok, wenn ich jetzt nicht reagiere, dann wird das und das passieren. Will ich das, dass das und das passiert? Ne, das will ich nicht. Aber was will ich dann stattdessen?“

Wann immer wir in einer Krise sind, oder wenn ein Problem auf uns zukommt, können wir uns diesen Satz immer wieder stellen und verschieden betonen und dann schauen, was wir dadurch für Ideen kriegen, rät René Träger.

René Träder: Das Leben so: nein! Ich so: doch!

Ullstein

Resilienz macht nicht alles wieder gut

Soviel muss auch klar sein: Auch die stärkste Resilienz kann Krisen und Schicksalsschläge nicht ungeschehen machen. Aber die entstandenen Narben können schneller und besser verheilen. „Es ist ok, mit Narben zu leben“, meint René Träder und ruft zu mehr Bewusstsein dafür auf. „Wir wünschen uns ja häufig ‚Alles Gute und viel Spaß!‘. Ist auch schön, wenn das Leben Spaß macht, aber eigentlich müssten wir uns gegenseitig wünschen: ‚Ich wünsch dir eine gute Krisenkompetenz! Ich wünsche dir, dass du die Kraft hast, gut mit dem umzugehen, was negativ und hart ist‘.“ Das Negative können wir nicht aus unserem Leben verbannen, sondern nur einen Umgang damit finden. „Das ist die Stärke, die in Resilienz steckt.“

Statt „Alles Gute!“ sollte man sich besser sagen: „Ich wünsch dir eine gute Krisenkompetenz!“

Psychische Coronamaßnahmen

Where Is My Mind? - Ein FM4 Schwerpunkt zum psychischen Wohlbefinden

Der Begriff „Mental Health“ ist insbesondere auf den jungen Social Media Kanälen wie TikTok oder Instagram allgegenwärtig. Das Virus und die Lockdown-Maßnahmen führen zu psychischem Unwohlsein. Warum das so ist, und vor allem was man dagegen tun kann, darüber berichtet Radio FM4 eine ganze Woche lang in einer umfangreichen Schwerpunktwoche.

Vom 22. Februar bis zum 27. Februar auf allen Kanälen von FM4

Corona sieht René Träder als Schicksalsschlag. „Ein Schicksalsschlag von vielen. Man darf aber auch die anderen Schicksalsschläge und Krisen im Leben ernst nehmen.“ Die Corona-Krise ist allerdings nicht nur ein privater, sondern ein weltweiter Schicksalsschlag, an den uns noch dazu die Medien täglich erinnern. Die Tagesschau würde uns sonst nicht jeden Tag sagen, dass wir ein Beziehungsproblem haben. „Sie haben heute immer noch ein Eheproblem.“ und „Ihr Eheproblem geht jetzt schon seit einem Jahr.“ Vielmehr würden wir unsere Probleme und Konflikte gern verdrängen und nach Spaß und Ablenkung suchen. „Bei Corona geht das nicht, weil wir ständig darauf hingewiesen werden.“ Umso wichtiger ist die Stärkung von Resilienz und „psychische Coronamaßnahmen für die Seele“. So wie wir täglich automatisch die Maske aufsetzen, wenn wir Einkaufen oder im öffentlichen Verkehr sind, so sollten wir auch täglich etwas tun, das uns gut tut. Ob spazieren meditieren, bestimmte Musik hören - „Wir sollten auf uns acht geben.“

René Träder: Das Leben so: nein! Ich so: doch!

Argon Balance

Das von René Träder gelesene Hörbuch ist bei Argon Balance erschienen.

Auch im Zusammenhang mit Corona verweist René Träder auf die besondere Situation von Jugendlichen und jungen Leuten. Kindheit und Jugend sei so schon die verletzbarste Zeit, in der man abhängig ist vom Umfeld und von Erwachsenen. Viele Ressourcen sind noch nicht entwickelt, und Vieles verändert sich in dieser Zeit.
Gerade während der Coronakrise ist es für Jugendliche und Kinder schwierig, sich zu entdecken, Grenzen zu finden, neue Stärken zu lernen, Beziehungen zu knüpfen - auch außerhalb der Familie. „Das ist auch eine große Belastung, die sich vielleicht erst in den nächsten Jahren und Jahrzehnten zeigen wird.“

Das Aufwachsen in dieser hochängstlichen Welt fordert viel. Außerdem solle man eine wichtige Relation nicht vergessen: „Wenn man jetzt 15 ist, ist ein Jahr prozentuell vom Leben gesehen sehr viel mehr, als wenn man jetzt 50 ist.“ Umso mehr soll man Kinder und Jugendliche noch stärker berücksichtigen und ihre Sorgen und Ängste ernst nehmen.

Wie soll man das Buch lesen?

Diesen Ratgeber auf die Schnelle durchzulesen ist nicht die ideale Form. Wenn, dann sollte man sich auch Zeit für die Übungen nehmen. Vor allem aber wünscht sich René Träder, dass man es „auf jeden Fall mit Neugierde liest“. Er empfiehlt die Art, mit der man ein Kochbuch anschaut. „Wenn ich ein Kochbuch nur lese, bleibe ich hungrig. Also ausprobieren und schauen, wie das schmeckt.“

If you want to sing out, sing out

Der Abschlusssong der Radiosendung von René Träder ist immer „If you want to sing out, sing out“ von Cat Stevens bzw. Yusuf Islam, aus dem Film „Harold and Maude“:

"Harold ist ein junger Mann, der sich in eine 80jährige verliebt, die ganz wild ist und die ein anderes Leben führt wie er. Er ist so überdrüssig vom Leben und er kann nicht singen. Und sie sagt zu ihm: ‚Ist doch egal. Du kannst singen. Jetzt lass uns singen!‘ Und dann singen sie ganz schief in diesem Film auch diesen Song. Dieser Song beschreibt so ein bisschen die Lebenshaltung, die ich sehr mag. In dem Song heißt es ja ‚Wenn du singen willst, dann sing.‘ Oder ‚Wenn du etwas tun willst, dann tu es, und du kannst es auch wieder rückgängig machen, wenn du es nicht mehr tun willst. Aber tu’s einfach!‘

Ich hab mir auch vorgenommen, der soll auf meiner Beerdigung auch mal laufen, weil der einfach so schön dieses Lebensfrohe, Lebensbejahende vermittelt und sagt: ‚Hey, mach das! Mach das Beste draus! Es ist dein Leben!‘"

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