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Musik für die Seele: Das Mixtape

Worüber man nicht immer sprechen kann, darüber kann man meist besser Musik machen: Musiker*innen, die sich für mehr Transparenz in Sachen psychische Gesundheit aussprechen und Themen wie Ängste, Depressionen und Selbstzweifel in wunderbare Musik verwandeln. Ein Mixtape.

Von Alexandra Augustin

Musik hat die Kraft, uns Menschen zu trösten. Sie hilft uns durch schwere Zeiten hindurch. Musik, berührt unsere Seele dann am meisten, wenn wir uns in den Stücken wiederfinden können und ein großer, verbindender Moment entsteht. Auch große Musiker*innen sind einfach nur Menschen, die oft mit sich selbst kämpfen müssen - wie alle anderen Menschen auch.

Songs darüber zu machen ist für viele Musiker*innen ein hilfreiches Ventil. Traurigkeit, Trennungen, Depressionen, Selbstzweifel und Angstzustände: Man fühlt sich beim Hören von Songs, die davon berichten, mit seinen eigenen Abgründen ein Stück weniger allein. Ein paar der größten Popsongs aller Zeiten berichten von Dingen, über die man vielleicht nicht immer reden, aber sehr oft gut singen kann. Hier eine Auswahl an Musik, die einem direkt aus der Seele spricht.

James Blake – "Don’t Miss It“

Der Musiker James Blake hat sich schon öfters in Interviews dazu geäußert, dass er an Depressionen erkrankt ist. Gerade am Anfang seiner Karriere habe er dem Druck erfolgreich sein zu müssen und den Erwartungen des Popbusiness kaum standhalten können. Depressionen bis hin zu Suizidgedanken waren die Folge. Die Schnelllebigkeit innerhalb des Popzirkus und die oft sehr oberflächlichen Kontakte mit anderen Menschen haben ihn ausgelaugt.

Bei einem Panel zum Thema hat er mit diversen Mythen rund um das Künstlerdasein aufgeräumt. Von wegen, dass nur leidende Künstler*innen große Werke schaffen können: In Wirklichkeit bedeutet das Leben mit der Krankheit vor allem einen täglichen Kampf mit einer großen Schwere, die allein alltägliche Dinge, wie das Aufstehen aus dem Bett, zu einer kaum bewältigbaren Aufgabe macht. James Blake setzt sich dafür ein, dass die Stigmatisierung und die Klischees und Vorurteile rund um das Thema psychische Erkrankungen verschwinden.

„There is this myth that you have to be anxious to be creative, that you have to be depressed to be a genius. I can truly say that anxiety has never helped me create. I’ve watched it destroy my friends’ creative process, too. (…) Honestly, a lot of catharsis just came in telling lots of people to fuck off. And saying ‚no‘. Saying ‚no‘ to constant touring. No money will ever be enough.”

James Blake hat seine inneren Abgründe auch zum Thema seiner Songs gemacht, etwa in der Nummer „Don’t Miss It“. Im FM4 Interview erzählt er mehr über den Inhalt des Songs:

"In „Don’t Miss It" geht es um die Neurosen, die man in sich herumträgt. Die Angst vor der großen Welt und vor dem, was andere Menschen über dich denken. Aber ich hoffe, dass der Song auch Lösungen anbietet. Es soll ein bestärkender Song sein. Lass das Leben nicht an dir vorüberziehen! Lass dich nicht davon abhalten, dein Leben zu leben. Ich denke, der Song spiegelt die Gefühlen vieler Millennials.“

Grizzly Bear – "Losing All Sense”

Für mehr Transparenz in Sachen psychische Gesundheit & Krankheiten spricht sich auch der Musiker Ed Droste von der US-amerikanischen Indie-Rock-Band Grizzly Bear aus. So verträumt und lieblich die Songs der Band oft daherkommen mögen, tief im Inneren kämpft auch der Sänger und Gitarrist seit Jahren mit Depressionen und Angstzuständen.

„Musik hat etwas Kathartisches und Therapeutisches. In einer Band zu spielen und in dieser Industrie zu arbeiten bringt den Kopf oft sehr durcheinander. Die Grammys haben ein Programm ins Leben gerufen, das sich „MusiCares“ nennt: Musiker*innen kämpfen oft mit Süchten und anderen psychischen Problemen.

MusiCares: MusiCares ist ein Sicherheitsnetz für Menschen aus der Musikbranche, um ihnen zu helfen, wenn sie an psychischen Problemen leiden.

Es ist einfach kein gesunder Lifestyle mit diesem Leben verbunden: Ungesundes Essen, Stress, Drogen, Alkohol: Ich kenne viele Menschen in meiner Umgebung, die mit diesem Leben kämpfen und ich habe keine Angst davor, darüber zu sprechen. So ist es eben: Viele Millionen Menschen auf dieser Welt leiden unter psychischen Problemen. Darüber sollten wir sprechen.“

Girl in Red – "Summer Depression”

In ihrer Musik verarbeitet die norwegische Musikerin Marie Ulven aka Girl in Red viele Themen: Suchtprobleme, Depressionen, das Gefühl, sich in der eigenen Umgebung fremd zu fühlen. Für ihre Single „Rue“ hat sich Marie Ulven vom HBO Drama „Euphoria“ inspirieren lassen. Die Protagonistin Rue kommt nach einem Aufenthalt in der Entzugsanstalt zurück nach Hause in ihre gewohnte Umgebung, doch der Teenager kämpft damit, clean zu bleiben. Marie Ulven aka Girl in Red kämpft zwar selbst nicht mit Suchtproblemen, doch die Story hat sie sehr berührt. Auch ihre Single „Summer Depression“ dreht sich um all die Themen, mit denen junge Menschen oft konfrontiert sind: Selbstzweifel, den eigenen Weg und Platz in dieser Welt nicht zu finden und das Gefühl, nicht zu genügen.

Über so emotionale Themen Lieder zu machen, fällt ihr leicht, denn das Mittel der Musik bietet für sie eine perfekte Möglichkeit, sehr kontrolliert intime Themen preisgeben zu können. Worüber man schwer sprechen kann, darüber lässt es sich oft viel leichter einen Song schreiben:

„Über manche Themen konnte ich bisher noch nicht sprechen, weil ich noch mitten drin stecke. Daher habe ich habe noch keinen Weg gefunden, diverse Themen anzusprechen. Aber es fällt mir leicht, über psychische Probleme zu singen. Es fühlt sich sicher an und ich habe die Kontrolle darüber, was ich sage. Meine größte Angst ist nämlich der Kontrollverlust“, so die Sängerin.

Arlo Parks - “Black Dog“

Die britische Musikerin Arlo Parks ist eine emphatische Person, der es nicht immer gelingt, sich von ihrer Umgebung abzugrenzen. Sie erzählt, dass sie ihr Leben oft und gerne via Social Media mit ihren Fans teilt. Sie braucht aber auch den Rückzug, um in Balance zu bleiben. Genauso versucht sie im Alltag, sich viel Gutes zu tun: Kochen und mit ihrem Dad Scrabble spielen etwa. Oder sie schreibt Gedichte, um ihre Gefühle zu verarbeiten.

„Es sind oft die kleinen Dinge im Leben, die uns helfen, am Boden zu bleiben. Ich versuche jeden Tag etwas zu machen, damit es mir gut geht.“

Wie es ihr und Menschen ihrer Generation, die gerne als „Generation Z“ betitelt wird, geht? Davon erzählen ihre Stücke, denn die Musik von Arlo Parks operiert seit Anbeginn am offenen Herzen. Ihre erste EP trug den Titel „Super Sad Generation“. Auch die Songs auf ihrem Debüt „Collapsed in Sunbeams“, wie der Song „Hope“, sprechen Themen wie Traumata und Ängste an. Ihr Song „Black Dog“ dreht sich um Depressionen und wie man einander helfen kann, einen Weg aus ihnen heraus zu finden.

Der „schwarze Hund“, wie einst schon Winston Churchill diese Krankheit metaphorisch betitelt hat, ist ein zäher, schwerer Geselle. Für Arlo Parks ist radikale Offenheit nicht nur ein Stilmittel, sondern auch eine Chance raus aus der Krise: Gerade in Zeiten der Pandemie sollten wir, wenn es nach Arlo Parks geht, offener über unsere Gefühle, unsere Ängste und den Kampf mit der Einsamkeit sprechen. Ein Song wie eine warme Decke für diese schweren Zeiten.

Nicht nur mit ihrer Musik setzt sich Arlo Parks dafür ein: Sie ist Botschafterin der Mental Health Organisation C.A.L.M. (Campaign Against Living Miserably).

Lulu Schmidt – “Happy and I Hate It”

Lulu Schmidt ist eine Frau der vielen Gesichter. Performerin, Regisseurin, Musikerin, ein One-Woman-Orchester, das gerne auch mit der kanadischen Musikerin Feist, dem US-amerikanischen Frauenduo Cocorosie und mit Soap&Skin auf ein Treppchen gestellt wird. Hinter Lulu Schmidt steckt die Künstlerin Carola Schmidt. Ihr Debütalbum trägt den Titel „BiPopularity“ und wie man richtig vermutet, interessiert sich die Künstlerin vor allem für Abgründe und Transformationsprozesse geistiger als auch körperlicher Natur.

Wie es der Musikerin selbst mit ihrem Leben geht, darüber hat sie im FM4 Interview mehr erzählt. Ihre Single „Happy and I Hate It" bringt einige Themen auf den Punkt, mit denen sich sicherlich viele Menschen identifizieren können: Man wirkt glücklich, doch tief im Inneren sieht es ganz anders aus. Besonders in Zeiten der (a-)sozialen Medien, wo der Schein oft überhaupt nicht dem „Sein“ entspricht. Es wird soziale Nähe suggeriert, wo in Wirklichkeit nur ein verzerrtes Abbild der Realität gezeigt wird. Das macht etwas mit uns.

„In meinem Song „Happy and I Hate It“ geht es natürlich auch um Social Media. Ich hasse mich manchmal selbst in diesen Momenten, in denen ich mitten in der Nacht aufwache und wie ein Roboter nach meinem Mobiltelefon greife. Nur um dann irgendwelchen sinnlosen Müll vor mich hinzuscrollen, den ich im nächsten Moment sowieso wieder vergessen habe. Es ist wie lästern: Währenddessen fühlt es sich geil an, aber nachher fühlt man sich scheiße.

Aber es ist nicht nur alles schlecht im virtuellen Raum. Man darf sich seine eigene Realität zusammenbauen und sich aussuchen, wer man ist und wer sein will. Aber die Frage ist natürlich: Wer ist diese Person in diesem Moment? Bin das ich oder ist das eine andere? In meinem Fall ist das „Lulu Schmidt“, mein Alter Ego. Manchmal liebe ich sie und manchmal hasse ich sie. Ihr Geltungsdrang befremdet mich, obwohl sie aus mir herausgeboren ist. Und ja: Wenn gutes Feedback kommt, dann ist ja alles gut. Dann wird das Belohnungszentrum im Gehirn getriggert und man ist glücklich - während rundherum vielleicht die Welt untergeht. Das ist das Schizophrene an der Sache."

Es ist ein Balanceakt in diesen Zeiten geistig und körperlich gesund zu bleiben. Vielleicht sollte man also einfach einmal das Mobiltelefon abschalten und sein Leben nicht ständig auf diversen Plattformen mit dem Leben anderer Menschen vergleichen. Oder man könnte mit dem Handy das tun, wozu es eigentlich gemacht worden ist: Jemanden anrufen, um richtig miteinander zu sprechen. Oder auch mal nachfragen: „Wie geht es dir wirklich?“ Das kann kein Fehler sein.

Telefonseelsorge:
Tel.: 142 (Notruf), täglich 0–24 Uhr
Telefon-, E-Mail- und Chat-Beratung für Menschen in schwierigen Lebenssituationen oder Krisenzeiten.

Frauenhelpline:
Tel.: 0800 222 555
Die Frauenhelpline gegen Gewalt bietet rund um die Uhr Informationen, Hilfestellungen, Entlastung und Stärkung – auch in Akutsituationen.

Rat auf Draht:
Tel.: 147. Beratung für Kinder und Jugendliche. Anonym und rund um die Uhr.

Kindernotruf:
Tel.: 0800 567 567. Der Kindernotruf ist eine 24-Stunden Telefonberatung in akuten Krisen sowie Konfliktsituationen.

Männernotruf:
Tel.: 0800 246 247
Der Männernotruf bietet Männern in Krisen- und Gewaltsituationen österreichweit rund um die Uhr eine erste Ansprechstelle.

Männerinfo:
Tel.: 0720 70 44 00, Montag bis Freitag in der Zeit von 10 bis 18 Uhr zum Ortstarif in ganz Österreich erreichbar
Die Männerinfo bietet Beratung in Krisen sowie zur Prävention und Beendigung von Gewalt in der Familie.

Bonus Tracks:

Felix Kramer – Nix zu Spürn

Yungblud – “God Save Me, But Don’t Drown Me Out”

Avec – “Heavy On my Mind”

Annenmaykantereit – „Gegenwart“

Bastille – “Survivin’”

Ariana Grande – “Breathin’”

Florence and the Machine – “Hunger”

Paramore – “Fake Happy”

Kehlani – 24/7

Billie Eilish – “Everything I Wanted”

Mac Miller – “Self Care”

Telekinesis – „Please Ask For Help“

Fenne Lily – “I Used To Hate My Body But Now I Just Hate You”

Nine Inch Nails – “Hurt”

Pixies – “Where is My Mind”

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